Kapitel 62

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  Als wir vor ihrer Haustür angekommen waren, blickte ich sie abwartend an. Sie zog ihren Schlüssel aus der Tasche, nuschelte ein kurzes „Danke" und verschwand im Hausflur, ohne sich noch einmal umzudrehen. Ich seufzte, zog eine neue Zigarette aus der Schachtel und machte mich ebenfalls auf den Weg nach Hause. Ich dachte lange über die Worte von Isi nach, ich frage mich, ob es wirklich noch eine Chance gab. Ich wüsste nicht, ob ich einen solchen 'Ausrutscher' verzeihen könnte und ich wusste auch nicht, was das zwischen mir uns Nancy nun wirklich war. 

Die nächsten Wochen zogen sich endlos, Milena hatte sich seitdem ich sie nach Hause gebracht hatte, nicht mehr bei mir gemeldet, was ich ihr wohl aber auch nicht übel nehmen konnte. Als ich wieder einmal gedankenverloren mit meinem Notizbuch am Schreibtisch saß und versuchte, irgendeinen sinnvollen Text zu Papier zu bringen, hielt mir plötzlich jemand von hinten die Augen zu. Ich drehte mich um und Nancy lächelte mich an. „Überraschung! Ich dachte, ich komm mal vorbei, wenn du dein Zimmer nicht von dir aus verlassen willst!" Sie setzte sich auf meinen Schoß und ich gab ihr einen kurzen Kuss, ehe ich meinen Arm um sie legte. „Was schreibst du?", fragte sie, als ich das Buch zuklappte. „Nichts... also, ich versuche etwas zu schreiben, aber irgendwie klappt es nicht..." - „Ich wüsste etwas, was wir stattdessen machen könnten, was sicherlich auch mehr Spaß bringt, als sich den Kopf zu zerbrechen..." Während sie das sagte, zog sie sich langsam ihre Bluse aus und ich biss mir auf die Lippe, ehe ich aufstand, sie hochhob und zum Sofa rüber trug. „Geht das auch ein wenig leiser? Hier versuchen Leute ernsthaft zu arbeiten!", schrie Alsan von nebenan. Nancy zog die Augenbrauen hoch und grinste mich verschmitzt an, ehe sie sich zu mir runterbeugte.

MILENAS SICHT

Ich hatte so viel zu tun auf der Arbeit, seit der Artikel über Bielefeld geplatzt war, ließ Thomas mich nur noch die Drecksarbeit machen. Ich war von früh morgens bis spät abends im Büro, um möglichst viel zu schaffen, doch sobald ich am nächsten Tag wieder kam, war der Schreibtisch wieder randvoll mit Arbeit. So war es auch an diesem Morgen, ich seufzte, ging zur Kaffeemaschine und begrüßte Isi, als sie das Büro betrat. „Das gibt's doch nicht. Wie lang will er das noch an dir auslassen?" - „Ich hab keine Ahnung. Aber das wäre auch ein großes Ding gewesen... Ich kann ihn schon verstehen, aber ich kann das momentan einfach nicht..." - „Vor mir brauchst du dich nicht rechtfertigen, Süße, wirklich nicht!" Plötzlich ging die Tür zu unserem Büro auf. „Milena, kann ich dich bitte kurz sprechen?", Thomas steckte seinen Kopf herein. „Natürlich, ich bin gleich da", gab ich zurück. „Was will er denn jetzt schon wieder? Noch eine Strafarbeit?", fragte Isi. Ich zuckte mit den Schultern und ging rüber in sein Büro.

„Morgen gibt es in Berlin eine Veranstaltung, die ein sehr hohes Klickpotential bietet. Es ist eine Spendengala in Berlin, zu der viele bekannte Künstler kommen. Ich möchte, dass du dort hinfährst, mit Isi zusammen und ihr einen großen Artikel für eine Sonderausgabe schreibt. Mit den Veranstaltern ist schon alles abgesprochen, hier sind eure Pässe. Und bitte, Milena, verhalte dich professionell, ich weiß, dass es für dich noch schwierig ist, nach dieser Trennung. Aber versuch dein Privatleben aus der Arbeit rauszuhalten, bitte.Ich sag dir auch aus dem Grund erst jetzt Bescheid, damit du keinen Rückzieher machst." - „Was? Ben... ich meine Casper wird dort sein?" Er nickte und ich schnappte kurz nach Luft. „Also? Wenn das hier nicht bald wieder besser wird, muss ich über Alternativen nachdenken, es tut mir leid..." Ich starrte Thomas mit weit aufgerissenen Augen an und nickte. „Ich schaff das schon", sagte ich knapp, nahm die Presseausweise und verließ sein Büro. „Das ist nicht sein Ernst, oder?", schnaubte Isi, als ich ihr in der Mittagspause von seiner Bekanntmachung erzählte. „Ich fürchte schon. Aber ich schaff das schon. Schließlich hab ich schon ein paar Wochen nicht mehr mit ihm gesprochen... Ich denke, es wird langsam..." - „Denkst du, dass das zwischen euch nochmal eine Chance hat?" Ich schüttelte den Kopf. „Ich glaub, ich kann das nicht. Wer weiß, ob nicht gerade Nancy bei ihm ist und er dann einfach so weitermachen würde, wie es jetzt gewesen ist..." - „Nein, ich bin gerade nicht bei ihm", meldete Nancy sich zu Wort und bestellte sich dann etwas zu Essen. „Oh, schön", genervt sah Isi zu ihr rüber. „Aber er denkt noch viel über dich nach. Ich denke, er versucht das ganze in einem Song zu verarbeiten. Naja, ich wünsch euch noch einen schönen Tag! Tschüßi!" und schon war sie aus dem Laden verschwunden. „Puh, das war seltsam", meinte Isi und sah zu mir rüber, „alles okay? Du bist ganz blass" - „Ja... geht schon wieder. Es hat nur ein wenig wehgetan, sie zu sehen und mir vorzustellen, wie sie jetzt wieder zu Ben geht... Vielleicht bin ich doch noch nicht über ihn hinweg..."

Der Rest des Tages verging dank der Berge an Arbeit ziemlich schnell. Als ich zuhause angekommen war, stand ich ratlos vor meinem Kleiderschrank und überlegte, was ich zu dieser blöden Gala morgen anziehen sollte. In Jeans und Pulli konnte ich dort auf jeden Fall nicht auftauchen...

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