Kapitel 73

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Als ich am nächsten Morgen aufwachte und mich wunderte, warum es so kühl war, erschrak ich. Die andere Bettseite war leer, Bens Klamotten verschwunden. Ich setzte mich im Bett auf und versuchte mit allen Mitteln, gegen die Tränen und die Dämonen in meinem Kopf anzukämpfen, die mit wüsten Beschimpfungen und Vorwürfen um sich warfen. Gerade als ich nach meinem Handy griff und die erste Träne sich doch ihren Weg über meine Wange bahnte, öffnete sich langsam die Tür zum Schlafzimmer. Mit einem vollgepacktem Tablett, mit Sekt, Orangensaft und Brötchen trat Ben ins Zimmer. „Du bist ja schon wach... das sollte doch eine Überraschung werden...", sagte er enttäuscht, ehe er merkte, dass ich weinte, „hey, Maus, was ist los? Wieso weinst du?" Er stellte das Tablett auf der Kommode ab und kam zu mir. Er zog mich an sich und streichelte mir über den Rücken. „Ich dachte... ich...", setzte ich an. „Du dachtest ich wäre gegangen? Nein... oh nein... ich war nur beim Bäcker und hab mich bemüht, möglichst leise ein Frühstück für dich vorzubereiten. Ich lass dich nicht nochmal alleine... versprochen!" Er drückte mich noch einmal fest an sich und wischte mir dann die Tränen aus dem Gesicht. „Bitte hör auf zu weinen. Ich bin hier und ich bleibe hier, solange du möchtest...", flüsterte er und gab mir einen Kuss. Ich schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter und nickte. Dann stand er auf und holte das Tablett ins Bett. „Ich hoffe, du hast Hunger. Das reicht mindestens für 10!", stolz stellte er das Tablett ab und reichte mir ein Glas Sekt, ehe er sich das andere nahm. „Auf uns?", fragte er vorsichtig und ich musste schlagartig wieder mit den Tränen kämpfen. „Auf uns", antwortete ich kaum hörbar und wir stießen an. 

Den Rest des Vormittags verbrachten wir im Bett, wir schauten ein paar Folgen einer neuen Serie, doch ich hing mehr meinen Gedanken nach, als das ich mich auf das Geschehen konzentrierte. „Was ist los? Worüber denkst du nach?", fragte Ben schließlich und legte den Laptop zur Seite. Ich sah ihn kurz an, schaute dann aber doch wieder weg. „Keine Geheimnisse mehr, du kannst mir erzählen, was dich bedrückt, Maus...", er legte seinen Arm um mich und zog mich an sich. Ich legte meinen Kopf an seine Brust und lauschte seinem Herzschlag, so musste ich ihn wenigstens nicht angucken. „Ich weiß nicht, ob du das verstehst... aber ich habe einfach so eine Angst, dass du plötzlich wieder weg bist... Ich kann nichts dagegen tun, ich versuche es, diese Dämonen aus meinem Kopf zu bekommen, du bist noch hier und eigentlich sollten sie still sein. Sind sie aber nicht. Immer wieder sind da diese Bilder... ich allein, du bei... ihr. Ben, ich weiß, dass du dich für mich entschieden hast und du zu 100% hinter dieser Entscheidung stehst. Sieh das bitte nicht als Vorwurf, ich hab genau deshalb nichts zu dir gesagt... Aus Angst, dass du denkst, ich würde nicht versuchen, dir wieder zu vertrauen... Ich will, ich will dich und diese Beziehung. Aber diese Gedanken, diese Bilder, die werde ich noch nicht los...", ich atmete tief durch, ich fühlte mich zerbrechlich, nackt, kompletter Seelenstriptease. Ich machte mich innerlich schon dafür bereit, dass Ben mich gleich zur Seite drücken und mir sagen würde, dass er mich nicht verstehen kann und er kein Verständnis dafür hat, dass ich noch immer so denke. Doch das Gegenteil passierte. Er streichelte mir über den Rücken, küsste meine Haare und schwieg eine Weile. „Ich verstehe dich. Vermutlich sind die Geschehnisse auch einfach noch zu frisch, um nicht mehr daran zu denken. Wir brauchen Zeit, bis alles wieder rund läuft. Diese Zeit haben wir und die nehmen wir uns auch. Wenn du das möchtest und kannst. Ich werde versuchen, dich bei allem zu unterstützen und für dich da zu sein. Und ich werde versuchen, dein Vertrauen wiederzugewinnen..." Dann sprach er aus, was die Dämonen in meinem Kopf zum Schweigen brachte. „Milena, ich liebe dich..." Ich drückte mich fester an ihn, wollte ihm noch näher sein, ihn noch mehr spüren. Dann löste ich mich von ihm und sah ihn an. „Danke, dass du mich verstehst und mich nicht für komplett bescheuert hälst..." Ehe ich ihn küsste, flüsterte ich ein „und ich liebe dich auch" zurück und merkte, wie Ben in den Kuss hinein lächelte.

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