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Liam

Ein bedrohliches Knurren wollte meiner Kehle entweichen. Was machte diese Außenseiterin hier? Das hier war ein Fest der Ureinwohner und ihrer Freunde und sie war definitiv keines von beidem.
"Liam, alles okay?" Jacobs Blick war auf meine Arme gerichtet, welche ich unbewusst angespannt hatte. Kurz löste ich den Blick von dem Moore Mädchen, um mit dem Kopf zu schütteln. „Sie hat hier nichts verloren."
Normalerweise hätte ich die sofortige Zustimmung meines Rudels erwartet, denn sie mochten Eindringlinge ebenso wenig wie ich, aber heute blieben sie bloß stumm sitzen. War das ihr Ernst? Wollten sie dieses Mädchen einfach akzeptieren? Wut kochte in mir auf und ich begann unkontrolliert zu zittern.
"Jetzt beruhige dich mal Liam", durchschnitt Leas Stimme resigniert die Stille zwischen uns. „Sie..." Mit dem Kinn deutete sie auf Valerie. „...wurde wie es aussieht eingeladen. Außerdem ist sie ein Mensch und somit absolut keine Bedrohung für uns."
Schnaufend schüttelte ich den Kopf: „Eine Bedrohung ist sie gewiss nicht." Noch einmal wanderte mein Blick zu der Brünetten, die sich nun lächelnd mit ihrer Freundin unterhielt. Eilig schaute ich weg. Irgendwie konnte ich es nicht ertragen sie so glücklich zu sehen. Etwas in mir verkrampfte sich dann immer und machte mir das Atmen schwer. Hass. Das musste es sein. „Sie ist mir nur ein Dorn im Auge."
"Dann ignoriere sie doch einfach", äußerte sich nun auch Seth zu diesem Thema und boxte mir freundschaftlich auf die Schulter. Finster schaute ich in die Runde, bis ich schließlich zu einem Entschluss kam. „Vermutlich habt ihr Recht."

Sobald Billy Black, Jakes Vater auf der Wiese eingetroffen war, verstummten die Gespräche um uns herum. Jeder wusste, was nun passieren würde.
Wie für gewöhnlich begab sich Billy an die Stirnseite des Lagerfeuers. Von dort würden alle eine gute Sicht auf ihn haben und seinen Worten lauschen können. Als der alte Mann an uns vorbei rollte, neigte er ebenso wie wir kurz den Kopf – dann ging es los.
Billy erzählte von den alten Legenden unseres Stammes. Das wir Quileute ursprünglich von Wölfen abstammten, von dem Kampf zwischen Taha Aki und den kalten Wesen und dem Opfer seiner dritten Frau.
In den Gesichtern aller erkannte ich, dass sie diese Geschichten gern hörten, doch dabei blieb es – Geschichten. Niemand glaubte wirklich daran. Niemand abgesehen von uns, den Nachfahren des großen Häuptlings.
Während Billy auf das große Finale hinarbeitete, wanderten meine Gedanken in die Ferne. Sie wurden erst wieder klar, als sie auf Valeries Gesicht liegen blieben. Es hatte beinahe all seine Farbe verloren und war schneeweiß. Ein abfälliges Lächeln huschte über meine Lippen. Ob ihr schlecht geworden war? Oder fürchtete sie sich vielleicht vor unseren Sagen? Gespannt betrachtete ich sie eingehender, verfolgte jede ihrer Bewegungen. Mit jedem Wort von Jakes Vater schienen ihrer Augen sich mehr zu weiten, sodass ich schon bald erkennen musste, dass sich nicht Angst, sondern Überraschung darin widerspiegelte. Was hatte das zu bedeuten?
Die Menge brach in tosenden Applaus aus, als Billy endete. Ich hingegen konnte nur die Stirn runzeln. Warum benahm sich dieses Mädchen so anders?
Plötzlich schlug mir jemand kräftig auf den Rücken, sodass ein brennendes Ziehen darin zurückblieb. Zornig fuhr ich zu demjenigen herum. Jake. „Was is'?", blaffte ich ihn an, woraufhin er beschwichtigende die Hände hob. „Es gibt Essen."
"Ach so", nuschelte ich, stand auf und ging zusammen mit ihm zu unserem Stammtisch. Dort saßen bereits der Rest des Rudels und machten sich über die selbst gemachten Speisen her. Wortlos nahm ich neben Quil Platz, welcher mir sogleich die Schüssel mit dem Fleisch hinüber schob. Ich nickte ihm zu und nahm mir gleich drei Steaks auf einmal. Was sollte ich sagen? Ich war nun mal ein echter Wolf.
Schon nach kurzer Zeit waren wir alle satt, sodass nun unser eigentlicher Abend beginnen würde. Jacob, Seth, Quil, Embry, Jared, Lea und ich erhoben uns, während Paul und mein Bruder sitzen blieben. Die Zwei waren laut ihrer eigenen Aussage zu alt für solche Partys, aber davon wollten wir uns nicht stören lassen.
Mit schnellen Schritten verließen wir die Wiese. Bald verfielen wir in einen rhythmischen Laufschritt, der uns durch den Wald führte. Eine Abkürzung zum Strand, die wir Wölfe nur allzu genau kannten.

MondgeheulWo Geschichten leben. Entdecke jetzt