Als ich am folgenden Tag aus dem Wagen meines Vaters stieg, konnte ich noch immer nicht fassen, was ich getan hatte. Nicht nur, dass ich für Liam die Schule geschwänzt hatte, ich war auch in sein Zimmer einstiegen, bloß um anschließend wieder davon zu rennen.
Warum kam es mir so vor, als spielte mein Verstand verrück sobald ich in seine Nähe kam? Warum schafft ausgerechnet ein Idiot, wie er mein Herz in einem Augenblick höher schlagen zu lassen und mich bereits im Nächsten zur Weißglut zu treiben?
Frustriert stieß ich ein Seufzen aus, ehe ich meinen Rucksack schulterte und mich auf die Schule zubewegte.
„Na?", begrüßte mich Liv, gut gelaunt wie immer, vor der großen Doppeltür und zog mich in eine feste Umarmung,
„Hey", brummte ich nur und legte meinen Arm für einen Moment um ihre Schultern. Dann löste ich mich wieder von ihr und setzte mich damit ihrem prüfenden Blick aus.
„Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?", fragte sie auch gleich ohne groß herumzureden.
Erneut konnte ich ein Seufzen nicht unterdrücken, bevor ich ihre Hand ergriff und sie mit nach Drinnen zog.
An meinem Spint angekommen, lehnte ich mich dagegen und beschloss mit der Wahrheit rauszurücken. „Es ist wegen Liam."
Überrascht wanderten die Augenbrauen meiner Freundin unter ihren violetten Pony. „Liam? Etwa wegen gestern."
Ich schloss beschämt die Augen, nickte schließlich aber kaum merklich. „Ja..."
„Oh mein Gott Val! Was hast du getan? Sieh mich an. Sieh mich an!", forderte Liv, deren Stimme circa zwei Oktaven höher gerutscht war. „Ihr...Du hast ihm doch nicht...", begann sie aufgeregt zu stammeln, während ihre Augen von Sekunde zu Sekunde größer wurden. Hastig legte ich meine Hand über ihren Mund, ehe sie die Aufmerksamkeit der ganzen Schule auf uns lenken konnte. „Natürlich hab ich ihm nichts erzählt! Wir sind nur Freunde oder nein, wir waren es...dachte ich zumindest..."
Olivia unter meiner Hand gab einen fragenden Ton von sich, woraufhin ich bloß mit dem Kopf schüttelte. „Nicht hier", flüsterte ich, während meine Augen misstrauisch den Gang absuchten.
Selbst, wenn die anderen Schüler uns nicht belauschten, wusste ich, dass es mindestens ein paar Ohren an dieser Schule gab, die dies sogar ohne in der Nähe zu sein, konnten. Eben deshalb bedeutete ich Olivia wortlos mir in einen der unbenutzten Musikräume zu folgen.
Kurze Zeit später hatte ich ihr alles erzählt und damit meinte ich tatsächlich alles. Von Liam's Verwandlung, bis hin zu meiner peinlichen Aktion von gestern.
Die ganze Zeit über hatte meine Freundin geschwiegen und mit verschränkten Armen aus dem Fenster gestarrt. Nun drehte sie sich zum ersten Mal zu mir um. „Also ist Liam, wenn ich es richtig verstanden habe, genau wie du?"
Ich schnaubte: „Nur, dass er ein Arsch ist."
„Moment, ich dachte ihr währt jetzt Freude?"
Freunde? Waren wir das jemals gewesen? Konnten wir das überhaupt sein, ohne, dass er von meinem Geheimnis erfuhr? Nein, antwortete mein Selbsterhaltungstrieb und stimmte mich zugleich traurig, „Nicht mehr."
„Nicht mehr?", echote Liv, die scheinbar die Welt nicht mehr verstand.
Ich nickte: „Wir können nicht befreundet sein. In seiner Nähe habe ich meine Wölfin nicht richtig unter Kontrolle. Er ist gefährlich!"
„Soso, deine Wölfin spielt also in Liam's Gegenwart verrückt", murmelte sie nachdenklich und kam langsam auf mich zu, während es in ihrem Mundwinkel verräterisch zuckte. „Sicher..., dass nicht du diejenige bist, die seinetwegen freidreht?" Plötzlich machte Olivia einen Satz auf mich zu und begann mich in die Rippen zu pieken.
„Liv!", quietschte ich auf und musste unwillkürlich anfangen zu lachen. Dieses erstarb jedoch sofort, als mein Gehirn ihre Worte aufgenommen und verarbeitet hatte. Eilig schlug ich ihre Hand weg. „Nein Liv, das ist nicht witzig! Wenn er oder jemand anderes von mir erfahren, dann bi n ich geliefert!"
„Aber ihr seid doch gleich. Vielleicht kann Liam dir deine Fragen..."
„Nein kann er nicht!", fauchte ich und machte einen Schritt zurück. „Außerdem ist er ein Arsch!"
„Nur, weil du dich um ihn sorgst..."
„Olivia!" Ein bedrohliches Knurren löste sich aus meiner Kehle, während ich meine Hand zu Faust ballte, um das aufsteigende Zittern in mir zu unterdrücken.
„Hey, hey", hob meine Freundin nachgiebig die Hände, welche im nächsten Moment schon auf meinen Schultern landen. „Schon gut, wir vertrauen dem schnuckligen Uley-Arsch nicht. Genau, wir hassen ihn sogar."
Ohne es verhindern zu können, huscht nun doch ein Schmunzeln über meiner Lippen. „Wir?"
„Klar doch", stimmte Liv mir zu und hackte sich bei mir ein. „Uns gibt's nur im Doppelpack - wir lieben und hassen gemeinsam. Und jetzt komm, du willst doch nicht erneut den Unterricht verpassen, oder?"
Nun im Nachhinein wünschte ich mir nicht auf Liv gehört und einfach wieder geschwänzt zu haben, denn - wie könnte es auch anders sein - bestand mein erste Block aus zwei Stunden Englisch. Neunzig Minuten, die ich mit Liam an eine Bank gefesselt, verbringen musste.
Bereits, als ich seinen schwarzen Schopf auf dem Platz neben meinem erspähte, spürte ich, wie die Wut von gestern zurück in meine Adern floss und diese zum Kochen brachte.
Ich atmete tief durch und zwang mich dazu Kontrolle zu bewahren. Du schaffst das! Ignorier' ihn einfach. Du bist besser, als er!
Dieses Mantra wiederholte ich, bis ich meinen Stuhl erreicht und mich darauf niedergelassen hatte. Doch kaum, dass ich saß, spürte ich auch schon, wie sich seine Augen auf mein Gesicht legten. Am liebsten hätte ich auf der Stelle einen spitzen Kommentar von mir gegeben, doch ich bis mir auf die Lippen und zwang mich dazu still zu sein.
„Hey", hörte ich die Stimme des Uley-Jungen nach einem Moment der Stille dicht an meinem Ohr. Ohne ihm auch nur ein wenig Beachtung zu schenken, wandte ich den Kopf ab und blickte von dem Fenster aus auf den Wald. Wie viel lieber ich jetzt da draußen wäre und durch die Wälder streifen würde, als hier zu sein.
„Ignorierst du mich etwa", meldete sich Liam erneut zu Wort und durchbrach meine Gedanken. Aber erneut blieb ich stumm. „Doch nicht etwa wegen gestern, oder?"
Der Spot in seiner Stimme war kaum zu überhören, weshalb ich ihn kurz mit einem herablassenden Blick bedachte. „Also hab' ich recht?"
Wieder konnte ich nichts anderes tun, als ihn zu ignorieren. „Na gut, schweigen wir uns eben weiter an, dann werden das hier aber lange neunzig Minuten."
Ich zuckte mit den Schultern. Das war mir schon von Anfang an bewusst gewesen. Aber dennoch war dies immer noch besser, als mir selbst einzugestehen, dass ich mich um ihn gesorgt hatte.
~
Hey Leute! :D
Ich melde mich zurück aus der Versenkung aus dem einfachen Grund, dass ich gerade - Dank eine Erkältung - mal wieder ein wenig Zeit für euch habe.
Verratet mir doch, was ihr von Valeries Reaktion haltet. Findet ihr sie übertreibt oder hättet ihr genauso gehandelt?
Wie denkt ihr wird es zwischen den Beiden weitergehen.
Freut euch mit mir auf ein neues Kapitel von Mondgeheul. <3
gezeichnet
Z.
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Mondgeheul
WerewolfValerie Moore hat schon vieles in ihrem Leben durchgemacht. Als ihre Eltern jedoch auf Grund der Versetzung ihres Vaters nach La Push ziehen, bricht für sie eine Welt zusammen, denn sie muss ihr bisheriges Leben hinter sich lassen. In La Push erwart...