Irgendwie war es mir gelungen die Zeit in Englisch zu überstehen, ohne auch nur einen Satz mit Liam gewechselt zu haben.
Der Gong ertönte und ich erhob mich zeitgleich mit ihm, schnappte mir meine Tasche und rannte aus dem Klassenzimmer.
Trotz der Tatsache, dass ich Liam bisher erfolgreich abgeblockt hatte, wollte ich ihm dennoch keine Chance geben mich irgendwie abzufangen und zur Rede zu stellen. Allerdings gab es da nur ein Problem - er folgte mir.
So schnell ich nur konnte, bahnte ich mir einen Weg durch die Masse an Schülern, die nun alle aus ihren Klassenräumen strömten und sich auf den Weg zu ihrem nächsten Unterricht machten. Mit klopfendem Herzen hastete ich weiter, mein Ziel direkt vor Augen. Das Mädchenklo. Dorthin würde mir Liam sicherlich nicht folgen, oder doch?
Ich schüttelte den Kopf. Egal, einen Versuch war es wert, denn wenn ich nun stehen blieb, wäre ich ihm ohnehin schutzlos ausgeliefert.
Ich brauchte keinen Blick hinter mich zu werfen, um zu überprüfen, ob er mir noch folgte. Ich spürte ihn, spürte ihn mit jeder Faser meines Körpers und merkte zugleich, wie mein Wolf immer nervöser wurde. Es war nicht nur Liam, der mich bedrängte, auch die vielen Menschen, die mich zwischen ihren Körpern einsperrten, machten es mir immer schwerer das Zittern meines Körpers zu unterdrücken.
Nur noch zehn Meter, dann hast du's geschafft, rief ich mir in Erinnerung und lenkte damit meine komplette Aufmerksamkeit auf die weiße Tür vor mir. Noch sieben Schritte, vier...Meine Finger streckten sich nach der Klinke aus, umfassten sie und drückten sie nach unten.
Geschafft!, atmete ich erleichtert auf, ehe ich mich in einer der Kabinen einschloss und mich keuchend auf den Klodeckel setzte.
In dieser Position verweilte ich einige Sekunden, dann zog ich die Knie an meine Brust und rollte mich zusammen. Was, wenn er noch immer da draußen wartete? Mein Herzschlag hämmerte gegen meine Brust. Was tat ich nur? Musste ich jetzt tatsächlich die ganze Pause hier verbringen? Ich merkte, wie erneut Panik in mir aufstieg und Besitz von meinen Gliedern ergriff.
Panik, Verzweiflung, Aussichtslosigkeit - all diese Gefühle hatten eines gemeinsam, sie lähmten meinen Körper und machten es mir fast unmöglich mich zu bewegen. Die einzige Möglichkeit wieder von ihnen frei zu kommen, war mich zu beruhigen.
Statt mir also weiterhin Gedanken um Liam und die Schule zu machen, konzentrierte ich mich auf meine Atemzüge. Ich zählte sie, jeden Einzelnen mit einer erschreckenden Sorgfalt, bis es schließlich zur nächsten Stunde läutete und sich sowohl mein Herz, als auch mein Geist wieder beruhigt hatten.Nachdem ich es geschafft hatte den Mut aufzubringen, um mich aus der Kabine zu wagen, stand ich nun vor einem neuen Hindernis. Der weißen Toilettentür, welche mich auf den Korridor führte. Zögerlich schloss sich meine Hand, um den silbernen Knauf.
Jetzt oder nie, sagte ich mir, schloss die Augen und öffnete die Tür. Kein Laut, abgesehen von denen meines Körpers, drang an mein Ohr. Ein gutes Zeichen, wie ich befand. Ich schlug also meine Augen wieder auf und sah mich um. Inzwischen war der Gang wieder menschenleer. Großartig. Ein zufriedenes Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht auf, während ich die Richtung, in der mein nächster Unterricht stattfand, einschlug.
Doch kaum, dass ich vier Schritte gegangen war, packte mich plötzlich jemand am Handgelenk und wirbelte mich herum. Ohne es verhindern zu können, entwich meiner Kehle ein Aufschrei, welcher jedoch von dem lauten Knallen der Spinttür überdröhnt wurde, als mein Rücken dagegen prallte.
All dies hatte sich innerhalb eines Sekundenbruchteils abgespielt, sodass es mir unmöglich gewesen war, mitzubekommen wer mein Angreifer war. Aber nun, da sich meine Sicht klärte, erkannte ich ihn.
Liam hatte beide Arme links und rechts von meinem Kopf abgestützt und machte ein Entkommen unmöglich.
Doch nicht nur sein Körper verhinderte meine Flucht, sondern auch sein scharfer Blick, der meinen eiskalt festhielt.
„Was soll das?!", legte er dann sofort los. „Wieso rennst du weg und versteckst dich vor mir, wie ein Beutetier?!" War seine Stimme zu Beginn nur wütend gewesen, glich sie nun einem bedrohlichen Knurren.
Es war der Laut eines Raubtieres, eines Alphas, welcher die eingeschüchterte Wölfin in mir zum Winseln brachte.
Liam knurrte erneut und ein Teil von mir hätte sich ihm am liebsten in aller wölfischen Manier unterworfen, doch der andere Teil dachte gar nicht daran. Ich war nicht schwach! Schon von Anfang an hatte ich auf eigenen Beinen gestanden und mir mein Leben, wie es nun war, hart erkämpft. Niemand würde mich jemals dazu bringen mich zu unterwerfen, ganz egal wie aussichtslos die Situation auch war. Ich würde mich niemals aufgeben!
Mir eben diesen Gedanken vor Augen führend, erwiderte ich seinen Blick kühl und reckte das Kinn in die Höhe.
„Wenn du deinen Kopf noch höher hältst, fällt er dir gleich ab!", grollte Liam und fletschte die Zähne.
Unbeeindruckt hob ich eine Braue. „Soll das etwa eine Drohung sein?"
Die Augen des Werwolfs verengten sich zu schmalen Schlitzen, während er mir immer näher kam. Unwillkürlich musste ich schlucken, als sein warmer Atem meinen Hals streifte. „Du solltest besser nicht mit dem Feuer spielen, kleine Eisprinzessin."
„Und du solltest dich lieber in Acht nehmen, denn auch Kälte kann verdammt wehtun", erwiderte ich mit rauer Stimme, was Liam bloß ein kaltes Lächeln entlockte. „Ach ja? Wollen wir das ausprobieren?"
In seinen Worten stand eine klare Herausforderung. Würde ich ihm nun nachgeben, hätte ich verloren. Aber, was passierte, wenn ich ihm nicht nachgab?
Sein Gesicht kam dem meinem immer näher und auch sein Körper drängte sich immer stärker gegen meinen. Doch anstatt mit Abscheu zu reagieren, machte mein Herz einen aufgeregten Hüpfer, beinahe so, als wollte es, dass er mir so nahe war.
Ich schüttelte den Kopf. Nein. Nein, das durfte nicht passieren. Ich durfte mich nicht von ihm angezogen fühlen. Ehe seine Haut, also tatsächlich mit meiner verschmelzen konnte, zuckte ich zurück und fauchte: „Was tust du da?!"
„Dir zeigen wer der Boss ist und verhindern, dass du vor mir wegläufst", lautete seine simple Antwort, welche er aussprach ohne auch nur einen Millimeter von mir abzulassen.
Ich wusste, dass Leugnen eigentlich sinnlos war, aber dennoch tat ich es: „Das tue ich doch gar nicht."
Der Uley-Junge warf mir einen teils belustigten, teils abfälligen Blick zu. „Ach nein? Du würdest also nicht sofort davonrennen, wenn ich dich los ließe?"
„Natürlich würde ich das. Mein Unterricht hat bereits begonnen!" Damit hatte ich nicht gelogen. Zumindest nicht wirklich, denn mein Geografiekurs lief tatsächlich schon seit geschlagenen zehn Minuten.
„Warum bist du nur so sauer auf mich?", murmelte er, ehe er mir endlich wieder Platz zum Atmen ließ. Der Zorn war aus seinen Augen gewichen.
Allerdings wallte dieser nun in mir auf, während ich jeden meiner Muskel anspannte und zu Boden blickte. „Du willst also wirklich wissen warum?! Du hast mich gedemütigt." Der letzte Satz, den ich ihm eigentlich hatte kraftvoll entgegen brüllen wollen, verließ meinen Mund nur noch als Flüstern.
Liam runzelte verwirrt die Stirn, beinahe so, als wäre ihm der Grund dafür unbekannt. „Inwiefern?"
Meine Augen weiteten sich. Er wollte mir weiß machen, dass er von all dem nichts wusste? Ehrlich?! „Du hast meine Freundschaft zu dir ausgenutzt, um mich bloß zu stellen! Nur, weil du nicht da warst, aufgrund einer 'Krankheit', habe ich mich aus dem Unterricht geschlichen und bin zu dir gera..." Hastig biss ich mir auf die Lippen. Verdammt! Beinahe hätte ich mich verplappert und alles hingeworfen. „Ach ist jetzt auch nicht mehr so wichtig..."
Auf einmal spürte ich, wie sich eine Hand vorsichtig unter mein Kinn legte und mich sanft dazu zwang es anzuheben. Für den Bruchteil einer Sekunde begegneten sich unsere Augen, dann suchte ich mir eilig einen Punkt hinter seiner Schulter.
„Valerie..." Er sprach meinen Namen so sanft aus, dass es mir einen warmen Schauer über den Rücken jagte und sich eine Gänsehaut auf meinem Körper ausbereitete. Nichts an seiner Stimme erinnerte nun noch am geringsten an das Knurren von vorhin.
„Ich wollte dich weder verärgern noch demütigen", fuhr er fort, während sein Daumen zärtlich über meine Wange streichelte. „Es stimmt ich war nicht krank. Dennoch musste ich mir eine Auszeit von der Schule nehmen, da mir Sam - mein Bruder - erneut die Nachtwache aufgezwungen hatte."
Überrascht hob ich den Blick. „Nachtwache?"
Der Uley-Junge nickte und schenkte mir ein knappes Lächeln. „Ja, als Krieger unseres Stammes ist es unsere Pflicht ihn zu beschützen, ob nun bei Tag oder Nacht."
„Und nachdem wir uns an diesem Abend noch getroffen hatten, hattest du bestimmt nicht viel Schlaf", zählte ich eins und eins zusammen. Dann überkam mich ein schlechtes Gewissen. Ich hatte die Situation vollkommen missverstanden oder hatte eher mehr meinen Augen und Ohren, als seinen Worten vertraut. Nicht er war das Arschloch gewesen, sondern ich. Ich sah beschämt Boden. „Liam, es tut mir leid...."
Für einen Augenblick starrte er mich wortlos an, doch dann zog er mich mit einer einzigen raschen Bewegung an seine Brust. „Solange du nun wieder bei mir bist und mich nicht mehr so behandelst, als wäre ich Luft ist alles okay, Prinzessin."
Ich hielt einen Moment lang inne und ließ mir den Kosenamen auf meiner Zunge zergehen. Prinzessin. Irgendwie klang es albern, da ich doch so gar nicht an eine Dame edlen Geblüts erinnerte und dennoch konnte ich nicht anders, als zu Lächeln, meinen Kopf gegen seine Schulter zu lehnen und die Augen zu schließen.~
Na ihr Eulchen,
was haltet ihr von Kapitel 45? ^.^
Also ich bin recht zufrieden und freue mich schon darauf weitere Szenen mit Liam und Valerie zu schreiben.
So langsam bräuchten die beiden auch ein Shipname, was meint ihr? XDliebe Grüße
Zoey
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Mondgeheul
WerewolfValerie Moore hat schon vieles in ihrem Leben durchgemacht. Als ihre Eltern jedoch auf Grund der Versetzung ihres Vaters nach La Push ziehen, bricht für sie eine Welt zusammen, denn sie muss ihr bisheriges Leben hinter sich lassen. In La Push erwart...