Mein Sonntag startete mit dem nervigen Klingeln meines Weckers. Stöhnend wälzte ich mich auf die andere Seite und schlug mit der Hand danach, woraufhin der Quälgeist scheppernd zu Boden fiel.
"Ganz großartig, Valerie", beklagte ich meine Tollpatschigkeit und rollte mich aus meinem warmen Bett. Das Parkett unter meinen Füßen war eisig und ließ mich frösteln. Ich musste ja unbedingt mit offenem Fenster schlafen.
Zwei Meter trennten mich noch von dem Wecker, welcher inzwischen verstummt war. 7.26pm zeigten seine roten Ziffern mir an. Wer stand denn bitte an einem Sonntag halb acht auf?! Ach ja, genau. Ich!
Sobald sich der Wecker wieder an seinem rechtmäßigen Platz befand, machte ich mich auf den Weg in die Küche. Da ich nun ohnehin schon einmal aus meinen Träumen gerissen wurden war und sicherlich kein Auge mehr zutun würde, könnte ich auch gleich etwas Nützliches tun.
Wie nicht anders zu erwarten werkelte meine Mutter bereits in der Küche herum. Während sie munter irgendeinen Teig knetete und dabei fröhlich ein Lied summte, entdeckte ich meinen kleinen Bruder in der Sofaecke. Vor Leon lag eines diese riesigen Bilderbücher, welches er eingehend betrachtete. Ein kleines Lächeln legte sich auf meine Lippen. Sicherlich suchte er wieder nach den versteckten Gegenständen.
Bereits, als ich klein war, hatte Dad mit mir dieses Spiel gespielt. Es ging dabei darum sich auf die Suche nach alltäglichen Dingen zu begeben und diese in einem der gigantischen Landschaften zu finden.
Man hatte ich diese gemeinsame Zeit geliebt. Ehrlich gesagt vermisste ich sogar manchmal diese vielen Stunden, die mein Vater und ich miteinander verbrachten.
Langsam ging ich auf meinen kleinen Bruder zu und setzte mich schließlich neben ihn. „Hey kleiner Löwe, lässt du mich mitspielen?"
Kurz schaute er mich aus großen Augen an, doch dann breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus und er nickte begeistert. Sofort wurde das Buch auf meinen Schoß platziert. Ich kicherte und zog in an meine Seite, ehe ich frage: „Okay, hm wo ist die rote Kanne?"
Zielsicher suchten sich seine Finger den Weg über das Bauernhofbild, bevor er rief: „Da!"
"Großartig", lobte ich ihn und stellte ihm auf der Stelle eine weitere Aufgabe: „Weißt du, wo..."
Noch bevor ich die Frage beenden konnte, platzte Mum dazwischen: „Nanu Liebes, du bist ja schon auf."
"Ja, 'bin aus dem Bett gefallen", scherzte ich und brachte sie damit zum Lachen. Obwohl eigentlich entsprach es ja der Wahrheit.
"Na dann, weitermachen." Die anfängliche Überraschung war aus dem Gesicht meiner Mutter verschwunden und wurde nun von einem verschmitzten Zwinkern abgelöst. Ich salutierte und wandte mich wieder Leon zu, welcher bereits ungeduldig auf mich gewartet hatte.Nach einer halben Stunde gab es Frühstück zu welchem auch mein Vater erschien. Schweigend ließ er sich auf seinen Stuhl fallen, ehe er seine Nase in eine Zeitung steckte. Die letzten sechzehn Jahre war er noch nie ein großer Redner am Morgen gewesen und würde nun sicherlich nicht damit anfangen. Deshalb ließ ich ihn erstmal in Ruhe und setzte mich stattdessen auf den Platz gegenüber meiner Mutter.
"Und, was hast du heute vor?", fing sie augenblicklich ein Gespräch an und stellte mir zugleich die erste Herausforderung. Was sollte ich heute mit all meiner freien Zeit anstellen? Bis zum Mittagessen blieben mir noch vier Stunden Zeit und danach musste ich mich auch irgendwie bei Laune halten. Das Wetter stand jedenfalls schon einmal auf meiner Seite.
"Vielleicht gehe ich noch einmal zu dem Strand oder besuche die Stadt", wog ich meine Möglichkeiten ab. Vielleicht würde Olivia mich begleiten. Zuvor musste ich mich jedoch bei ihr entschuldigen, denn immerhin war ich gestern ohne ein weiteres Wort abgehauen. Besser morgen, entschied ich. Dann doch lieber der Strand verbunden mit ein wenig Entspannung.
"Ich will auch zum Strand, Mummy", sagte Leon und schaute zwischen mir und meiner Mutter hin und her. Meinen kleinen Bruder mitnehmen? Damit wäre die Ruhe vorbei. Aber was wollte ich mehr? Gesellschaft oder Einsamkeit?
Ich grinste, ehe ich meine Hand nach Leon ausstreckte und ihm durch die blonde Mähne wuschelte. „Klar kannst du mit."
"Juhu", quiekte der kleine Löwe und begann wild in seinem Stuhl herum zu zappeln. Am liebsten wäre er wohl sofort los gerannt, aber das wusste Mum zu verhindern, indem sie ihn mit einem strengen Blick ermahnte: „Erst aufessen, junger Mann!"
Indessen Leon eine Schnute zog, aber brav weiter an seiner Toastscheibe knabberte, erhob ich mich. Bis er aufgegessen hatte, konnte ich die Zeit nutzen, um mich anzuziehen und frisch zu machen.
Immer zwei Stufen auf einmal nehmend erklomm ich die Treppe und flitzte direkt ins Bad. Dort angekommen waren zu erst meine Zähne und dann mein Gesicht dran. Sobald diese beiden Sachen erledigt waren, stand ich vor dem nächsten Problem. Meinen Haaren. Scheinbar hatte das Schicksal wieder einmal entschieden mich für meine Lockenpracht zu bestrafen, denn die schwarzen Strähnen kringelten sich unordentlich um meinen Kopf.
Fluchend startete ich dennoch mit der Arbeit und ertrug jeglichen Schmerz, bis das Ergebnis mich zufrieden stellte.
"V, kommst du?", rief mein Bruder mich ungeduldig von unten. Einzig und allein er nannte mich V, da er weiterhin seine Schwierigkeiten mit meinem vollen Namen hatte.
"Gleich", rief ich zurück und stürmte in mein Zimmer. Vor meinem Schrank angekommen, riss ich die Türen auf. Dann zog ich wahllos irgendein T-Shirt und eine Jeans heraus und warf sie über."Meinst du nicht, dass es draußen ein bisschen zu frisch ist?", hakte meine Mutter besorgt nach. Ihr Blick hing, wie schon oft, auf meinem kurzen Oberteil. Einen Vorteil hatte das Wolfsein jedenfalls – mir war nie wirklich kalt. Eigentlich hätte ich sogar im tiefsten Winter eine kurze Hose tragen können. Bloß ihr zu liebe unterließ ich dies.
"Nein, geht schon so." Eilig schlüpfte ich in meine Schuhe und griff im Anschluss daran nach meinem Schüssel. Dann schnappte ich mir Leons Hand.
Bevor wir allerdings zusammen das Haus verlassen konnten, tauchte eines der übergroßen Stricktücher meiner Mutter vor meinen Augen auf. Ich rollte mit den Augen. „Ma, das hatten wir doch schon so oft."
Sie winkte auf meinen Einspruch hin bloß ab und überreichte mir dann den leuchtendroten Stoff. „Ich weiß, aber nimm' es trotzdem mit. Im Notfall könnte ihr es ja auch einfach als Unterlage oder Decke benutzen falls Leon kalt wird."
Damit hatte sie nicht Unrecht. Ich warf einen kurzen Blick auf meinen Bruder. Zwar trug er bereits seine Wintersachen und eine zuckersüße Bommelmütze, doch schaden konnte eine zusätzliche Wärmequelle nie.
"Okay", willigte ich also ein und band mir das Tuch um den Hals. Nun konnte es losgehen.~
Das heutige Kapitel widme ich NairobyPaniagua als kleines Dankeschön. Zum Erfolg gibt es keinen Lift, man muss die Treppe nehmen. Und eben für diese hast du die ersten Stufen gelegt.
Vielen Dank!
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Mondgeheul
LobisomemValerie Moore hat schon vieles in ihrem Leben durchgemacht. Als ihre Eltern jedoch auf Grund der Versetzung ihres Vaters nach La Push ziehen, bricht für sie eine Welt zusammen, denn sie muss ihr bisheriges Leben hinter sich lassen. In La Push erwart...