Die erste Woche ging anders als gedacht wirklich schnell herum. Ich gewöhnte mich allmählich an die Blicke, die mir zugeworfen wurden und an die neuen Lehrer. Olivia stärkte mir dabei steht's den Rücken und wurde somit zu einer wichtigen Stütze. Inzwischen glaubte ich fest daran, dass ein Engel sie geschickt hatte, denn ohne sie stünde ich noch immer alleine da.
Der Mittwoch stellte sich als eine meiner Lieblingstage heraus. Zwei Stunden Englisch, anschließend Geo und Kunst und zu guter letzt eine Doppelstunde Sport. Besser konnte es doch gar nicht laufen.
Wie jeden Morgen parkte ich mein Motorrad zwischen zwei Bäumen. Die breiten Stämme schützten es ein wenig vor dem Wind und auch der Regen kam nur schwer an die Maschine heran.
Während ich meinen Helm verstaute, zeichnete sich ein leichtes Lächeln auf meinen Lippen ab. Heute würden wir in Englisch eine Projektarbeit zur Poesie beginnen. Klar denken sich manche: Was für ein Scheiß, doch mir machte das Dichten Spaß.
Zudem stand bereits fest, dass Liv meine Partnerin werden würde, weshalb ich spätestens dann absolut keine Bedenken mehr haben brauchte, dass die Arbeit ein voller Erfolg werden würde.
Nachdem ich die Vorderseite der Schule erreicht hatte, setzte ich mich auf die Bank neben dem Eingang – von Liv noch keine Spur. Seltsam. Normalerweise kam sie immer vor mir an. Ich grinste. Ob sie vielleicht verschlafen hatte?
Die ersten fünf Minuten wartete ich schweigend. Auch die nächsten Zehn blieb ich sitzen, denn immerhin begann der Unterricht erst in fünfzehn Minuten. Als nach und nach jedoch immer mehr Schüler an mir vorbei liefen und mich anstarrten, als wäre ich irre, fing ich an mir Sorgen zu machen.
Nervös spielte ich mit meinen Fingern herum, dann traf ich eine Entscheidung. Kurzerhand wählte ich ihre Nummer und legte mir mein Handy ans Ohr. Es läutete zweimal, viermal, siebenmal. „Na los, geh schon ran."
Nach drei weiteren Pieptönen wollte ich gerade auflegen als sie plötzlich abhob: „Hallo?"
Olivias Stimme war bloß ein heißeres Krächzen und besaß kaum noch eine Ähnlichkeit zu ihrer normalen Tonlage. „Hey Liv, wo bist du?"
Kurz herrschte Stille am anderen Ende des Hörer, ehe sie schließlich zu sprechen begann: „Oh Val, du bist. Mist, tut mir leid ich hab vollkommen vergessen dir Bescheid zu sagen – ich bin krank."
Krank? Sie konnte nicht krank sein! Mit wem sollte ich denn nun eine Gruppe bilden? Ob mich Mrs. Johnson erst einmal alleine arbeiten lassen würde? Bestimmt nicht.
"D-Das ist eine Katastrophe!", teilte ich ihr meine Gedanken mit und stieß einen klagenden Ton aus. Zwar wusste ich, dass Olivia keineswegs absichtlich ausfiel, aber trotzdem störte es mich. Um genau es konkret auszudrücken: Ich war am Arsch."
"Oh man, das tut mir jetzt so leid. Ich bin so eine schlechte Freundin", heulte Liv nun von ihrem Ende aus mit mir. Wie konnten wir auch bloß so ein Pech haben?
Ich seufzte, Olivia seufzte. Uns beiden war klar, dass wir die Situation so hinnehmen mussten, wie sie war.
"Dann werde ich jetzt wohl mal rein gehen", gab ich als erste wieder etwas von mir.
"Mach das", erwiderte Liv daraufhin niedergeschlagen.
Na toll. Jetzt war nicht nur ich traurig, sondern sie gleich mit mir. „Hey, weißt du was?", setzte ich an und zwang mich zu einem lockeren Tonfall. „Ich komm' dich demnächst Mal besuchen und dann schauen wir zusammen irgendeine Schnulze, bevor wir schließlich die Profile unsere Lieblingsbands stalken."
Das Angebot konnte sie unmöglich ablehnen. Hallo? Ein kitschiger Film und heiße Gitarristen? Was gab's besseres?
Vom anderen Ende der Leitung war ein leichtes Kichern zuhören, auf welches jedoch gleich ein Husten folgte. Trotzdem klang meine Freundin gleich ein wenig besser, als sie sich daraufhin von mir verabschiedete: „Klar das machen wir, bis bald."
Schon bevor ich meinerseits Tschüss sagen konnte, hatte sie bereits aufgelegt. Ich blickte noch für einige Augenblicke auf mein Handy, bevor ich es in meine Tasche steckte und die Schule betrat. Der glückliche Ausdruck in meinem Gesicht war verschwunden.
Für gewöhnlich hörte man meine Klasse erst kurz vor den Spinden. Heute allerdings drang ihr Gelächter bereits im zweiten Flur an mein Ohr. Genervt verdrehte ich die Augen. Auch das noch.
Die Lautstärke der Anderen – angeführt von Liam und seinen Jungs – verpasste meinen empfindlichen Ohren sogleich einen Hörschaden. Eilig kramte ich in meinem Rucksack nach Kopfhörern und stöpselte sie ein.
Sobald die ersten Töne von Brand New Day einsetzten, betrat ich den Raum. Angewidert zog ich die Nase kraus, denn es roch extrem nach Schweiß.
Während ich auf meinen Platz in der zweiten Reihe zusteuerte, fixierte ich den Boden. Ich musste meine Wolfssinne unbedingt zurückschalten, sonst würde ich den Tag nicht überstehen. Leider stellte sich das Ganze gar nicht als so einfach heraus. Schon neun Tage war es her seitdem ich mich verwandelt hatte. Zudem gelang es mir auch nicht durch tägliche Trainingseinheiten meine überschüssige Energie abzubauen. Somit war mein Wolf dicht an der Oberfläche bereit jederzeit auszubrechen, sollte sich eine günstige Gelegenheit ergeben. Und eben das musste ich verhindern.
Tief ein – und ausatmend ließ ich mich auf meinen Stuhl fallen und wandte sofort den Blick nach draußen. In der Zeit, in der ich in die Ferne starte sang Ryan Star im Hintergrund.
Dream
Send me a sign
Turn back the clock
Give me some time
I need to break out
And make a new name
Let's open our eyes
To the brand new day
It's a brand new day
Der Song endete Punktgenau mit dem Eintreten unserer Lehrerin. Schnell warf ich mein Handy in meine Tasche und schenkte ihr meine Aufmerksamkeit.
Gleich in der ersten Stunde hatte ich Mrs. Johnson kennen gelernt. Sie, eine Frau in ihren Dreißigern, liebte ihren Unterricht und lebte ihn dementsprechend. Schüler, die ihr zuhörten und mitarbeiteten, würden niemals Ärger mit ihr bekommen – andere, wie Embry der immer einen dämlichen Kommentar ablassen musste, schon.
So stieß er auch heute ein Pfiff aus, als er sah, was Mrs. Johnson anhatte. Da meine Lehrerin bereits an solche Dinge gewöhnt war, reagierte sie gar nicht erst und ignorierte sogleich das darauf folgende Lachen der anderen Jungs. Ich hingegen konnte nicht so einfach darüber hinweg sehen. Deshalb drehte ich mich um und warf ihnen einen vernichtenden Blick zu. „Man sollte lieber die Fressen halten, wenn nur Scheiße rauskommt."
Damit verstummten sie und schauten mich bloß wütend an. Unwillkürlich schlich sich ein zufriedenes Schmunzeln auf meine Lippen. Endlich Ruhe.
"So meine Lieben, wie ich bereits angekündigt habe, werden wir heute eine Projektarbeit zu unserem aktuellen Thema starten", begann Mrs. Johnson soeben die Stunde einzuleiten. „Ich habe mir überlegt, dass ich Ihnen selber überlasse, wie Sie das anstellen. Allerdings möchte ich, dass die Partner gezogen werden."
Für einen Moment entgleisten mir meine Gesichtszüge. Wir sollten losen?! Eilig sah ich mich um. In dieser Klasse gab es vielleicht gerade einmal eine Hand voll von Leuten, die ich wirklich für teamfähig hielt.
Dennoch ließ ich das Verfahren über mich ergehen und zog wie alle meine Klassenkameraden eine Zahl. 7 - meine Glückszahl. Wenn das Mal nichts Gutes bedeutete.
Nacheinander wurden die einzelnen Zahlen ihrer Reihenfolge nach aufgerufen, sodass sich immer ein Paar mit derselben Ziffer zusammenfand. Als ich schließlich dran war, blickte ich in alle Richtungen, um zu erkennen, wer sich noch meldete. Das konnte doch nicht ihr Ernst sein.
~
Na, wen hat Valerie eurer Meinung nach gezogen?^^
Wird es gut für sie ausgehen, oder doch eher anders?
Hinterlasst doch gerne mal einen Kommentar und zeigt mir, was ihr von Mondgeheul bisher haltet! - eure Zoey
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Mondgeheul
WerewolfValerie Moore hat schon vieles in ihrem Leben durchgemacht. Als ihre Eltern jedoch auf Grund der Versetzung ihres Vaters nach La Push ziehen, bricht für sie eine Welt zusammen, denn sie muss ihr bisheriges Leben hinter sich lassen. In La Push erwart...