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Pünktlich fünf Uhr stand ich vor Olivias Haus auf der Matte. Ebenso wie Olivia schienen auch ihre Eltern große Fans der Farbe Lila zu sein, denn die Fassade ihres Hauses erstrahlte in einem sanften Lavendelton.
Ich schulterte meinen Rucksack noch einmal, bevor ich die Klingel betätigte. Nur wenig später hörte ich auch schon, wie jemand mit schnellen Schritten durch das Gebäude eilte.
"Valerie!", quiekte Liv und riss die Tür auf. Dann fielen wir uns auch schon in die Arme.
"Hast mich wohl vermisst", neckte ich meine Freundin, die mir daraufhin verschmitzt zuzwinkerte. „Na klar!"
Wieder verstrich eine Minute, in der wir bloß Untätig in der Gegend herumstanden. Dann schien sich Olivia an ihre Gastfreundlichkeit zu erinnern. In ihrem Fall bedeutete das, dass sie meinen Arm packte und mich nach Drinnen zerrte. Im Hausflur angekommen breitete sie die Arme aus. „Fühl dich wie Zuhause."
Sobald ich meine Schuhe und Jacke abgelegt hatte, bekam ich eine kurze Führung durch die acht Räume ihrer Wohnung. Sie bestand aus einer großen Küche mit angrenzendem Essbereich. Einem Wohnzimmer, in welchem ich die Farbe Violett wieder fand. Zwei Bädern, eines für Olivia und ihren großen Bruder Matt und eines für ihre Eltern, die ich erst heute Abend kennenlernen würde.
Die Schlafzimmer ihrer Familie ließen wir bei unserer Besichtigungstour allerdings aus. Schließlich kannten wir noch das Wort Privatsphäre, weshalb wir auch gleich in Liv's heilige vier Wände flüchteten.
Kaum war ich durch die Tür getreten, klappte mir die Kinnlade herunter. Bevor ich mich auf den Weg zu meiner Freundin gemacht hatte, hatte ich mich ja auf vieles vorbereitet, doch nicht auf diesen Anblick. Über die ganze Stirnseite des Zimmers zog sich ein riesiges Gemälde, welche nicht nur eine wunderschöne Waldlandschaft zeigte, sondern auch eine gewisse Stimmung ausstrahlte.
Begeistert wandte ich mich zu Olivia um. „Hast du das etwa gemalt?"
So viel Arbeit, wie in diesem Bild steckte, konnte ich gar nicht glauben, dass es von Menschenhand geschaffen war, doch meine Freundin nickte. Unglaublich!
"Unglaublich!", wiederholte ich meine Gedanken und trat ehrfurchtsvoll näher an die Wand um mit meinen Fingern darüber zu streichen.
Beschämt trat Liv neben mich und kratzte sich am Hinterkopf. „Ja, weißt du", meinte sie mit einem verlegenen Lächeln. „Als Kind habe ich immer diese japanischen Trickfilme geschaut und mich letztendlich davon inspirieren lassen."
"Und ich dachte, ich hätte etwas drauf", schniefte ich und wischte mir gespielt wehmütig eine Träne von der Wange.
"Ach, da ist doch nichts dabei", winkte Liv beschämt ab, während sich ihr Gesicht zu meiner Freude noch dunkler färbte. Irgendwie machte es Spaß sie ein wenig aufzuziehen. Auch wenn man ihr eines lassen musste, sie war ein Genie.

Knapp eine Stunde später sauste Olivias kleiner VW Golf über den grauen Asphalt. Meine Freundin schien die dünne Eisschicht auf der Straße gar nicht zu beunruhigen, weshalb ich sie zu Beginn unserer Tour noch mit einem recht misstrauischen Blick bedacht hatte.
Nach und nach verließ mich schließlich allerdings die Furcht. Statt ihrer wurde mein Geist von etwas anderem abgelenkt.
Seitdem wir das Reservat verlassen hatten, wurden wir stets von Bäumen flankiert. Kein Wunder, denn der Weg nach Forks führte durch eines der riesigen Waldgebiete dieser Gegend. Mit einem sehnsüchtigen Seufzen lehnte ich den Kopf gegen die Fensterscheibe. Was würde ich geben, um nun dort Draußen unterwegs zu sein? Die Pfoten tief im Schnee vergraben. Der Wolf in mir jaulte auf.
Plötzlich fing ich mir einen Schlag von der Seite ein und wurde somit aus meiner Melancholie gerissen.
„Hab' ich dir nicht gesagt, dass wir uns heute einen schönen Abend machen", fragte Liv in die Stille hinein und fuhr sich dabei mit einer Hand durch ihre violetten Strähnen. Bevor ich jedoch überhaupt die Chance dazu bekam etwas darauf zu erwidern, gab sie sich auch schon selber die Antwort. „Ja hab ich! So Girl put a fucking Smile in your Face!"
Ohne es zu verhindern zu können, schossen meine Mundwinkel nach oben und meine Schultern begannen zu beben und dann....Dann begann ich aus vollem Herzen zu lachen. Wie hatte jemand wie ich bloß solch eine gute Freundin wie sie verdient? „Du bist blöd, Liv! Aber dafür liebe ich dich!"
"Ich weiß", kicherte sie und fiel in mein Lachen mit ein.

Liam

Beinahe lautlos bewegte ich mich durch den dunklen Wald, während Bäume und Steine an mir vorbeirasten.
„Liam, du übernimmst heute." Mehr Worte hatte mein Bruder nicht benötigt, um mir den Abend zu verderben. Nachtwache. Damit quälte ich mich nun schon seit drei Tagen infolge herum. Aber, dass ich auch ein Leben fernab meiner Rudelpflichten besaß, schien Sam ja ohnehin nicht zu akzeptieren.
Ein wütendes Knurren löste sich aus meiner Kehle und ich fletschte die Zähne. Dann beschleunigte ich meine Schritte.
Bei jedem Schritt spannten sich meine Muskeln an, ehe sie sich wieder lockerten. Ein stetiger Rhythmus, der mich näher zu meinem Ziel brachte. Doch besaß ich überhaupt eines?
Während mein Geist von vollkommener Leere beherrscht wurde, schien das Tier in mir genau zu wissen, wohin es wollte.
Schon bald drang an mein empfindliches Gehör der Lärm der Stadt. Augenblicklich zügelte ich mein Tempo, bevor ich ganz stehen blieb, um mich um zu sehen.
Noch immer befand ich mich in den umliegenden Wäldern um La Push, doch das Ende war nahe. Nicht weit von meinem aktuellen Standort würden die ersten Gebäude von Forks auftauchen.
Ich legte meinen Kopf in den Nacken und sah zum Vollmond auf. Mir war bewusst, dass ich nun umkehren sollte, dass es zu riskant war, aber irgendetwas hielt mich zurück. Irgendetwas hinderte mich daran einfach umzukehren, doch was?

Valerie

Die frische Nachtluft, welche uns sogleich empfing, als wir aus dem Kino heraustraten, fühlte sich unbeschreiblich wohltuend auf meiner Haut an.
So interessant ich den Film auch gefunden hatte, so sehr hatte ich es auch gehasst in diesem recht kleinen Saal mit so zahlreichen Menschen gefangen zu sein. Vermutlich war das nun einmal so, wenn man ein wildes Tier mit sich herumschleppte. Ich seufzte und blickte zum Himmel auf. Vollmond. Wie passend.
„Brrr, ist das kalt", murrte Olivia, die soeben neben mich getreten war und schlang die Arme um sich. Bei ihrem zitternden Anblick musste ich Lächeln, denn sie zeigte mir, dass das Wolf sein auch seine Vorteile hatte.
Grinsend hob ich einen Arm. „Komm' her."
Das ließ sich meine Freundin nicht zweimal sagen. Schneller, als das man es von ihr erwarten könnte, hatte sie sich unter meinen Arm geflüchtet und mir ihrerseits einen um die Mitte geschlungen.
„Wie machst du das nur?", fragte Liv, womit sie wohl auf meine höhere Körpertemperatur anspielte. Ich zuckte mit den Schultern. „Das ist einfach so."

Im Vergleich zur Zeit unserer Ankunft waren die Straßen von Forks nun verlassen und totenstill. Es schien beinahe so, als würde sich kein Mensch mehr zu dieser Stunde hinausbegeben wollen. Und ehrlich gesagt, konnte ich dies sogar verstehen.
Schon seitdem wir uns von dem hellerleuchteten Kino entfernt hatten, lag ein mulmiges Gefühl auf meinem Magen. Doch auch Liv schien dieses Unbehagen zu spüren, denn sie erwiderte den Druck meiner Hand mit derselben Stärke.
„Du Val, denkst du, dass sich Schatten bewegen können?", flüsterte mir meine beste Freundin ins Ohr, wobei ihre Stimme ohne Zweifel zitterte.
Ich zog wortlos die Stirn kraus und folgte ihren Blick in eine der finsteren Seitengassen.

~

So endlich ist mal wieder ein neuer Teil von Mondgeheul zustande gekommen. Ich denke, dass es allmählich höchste Zeit dafür wurde - was meint ihr? ^^
Liebe Grüße und hinterlasst doch gerne mal ein Feedback für mich -

Z.

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