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Valerie

"Jetzt beeil' dich doch mal ein bisschen, Val", drängte Olivia mich und zog mich weiter an der Hand hinter sich her. Seitdem dieser alte Mann von den Legenden der Quileute erzählt hatte, gingen sie mir nicht mehr aus dem Kopf. Tatsächlich machten mir diese Geschichten richtig Angst, da sie genau auf mich zu trafen, denn ich verwandelte mich in einen Wolf.
Mir war alle Lust auf die Party vergangen. Das einzige, was ich nun noch wollte, war zurück in mein Bett zu kriechen und darin unterzutauchen.
Entschlossen stemmte ich also die Fersen in den Boden und schaffte es somit meine Freundin zum Anhalten zu bewegen. „Liv, ich will glaube ich gar nicht mehr zu dieser Feier."
Der Kinnlade meiner Freundin klappte herunter. „Was? Warum denn nicht? Ich dachte du freust dich?!"
"Ja schon, aber irgendwie geht's mir gerade nicht so gut." Hilflos zuckte ich mit den Schultern und schlang die Arme um mich. Ich wollte Liv nicht belügen. Immerhin stand sie bisher immer hinter mir und unterstützte mich. Aber was sollte ich schon sagen. Sorry Liv, doch eure Geschichten entsprechen der Wahrheit und ich bin so ein Werwolf? Ein abfälliges Schnauben entwich meiner Nase. Ganz bestimmt, Val.
"Willst du es nicht wenigstens mal versuchen?", hakte meine Freundin noch einmal nach und setzte dieses Mal ihren Dackelblick auf. Ihre großen Augen flehten mich an und zeigten mir ihre Gefühlswelt. Innerlich stöhnte ich auf. Das war schlimmer als jede Art der Folter. Wie könnte ich ihr jemals etwas abschlagen?
Im Zwiespalt mit mir selbst warf ich mich hin und her – nicht fähig eine Entscheidung zu treffen. Mein Herz wollte Olivia folgen, um ihr meine Dankbarkeit zu zeigen, mein Geist jedoch drängte mich dazu mich zurückzuziehen. Seit meiner ersten Verwandlung hatte ich die Wölfin immer für einen Fluch gehalten. Jahrelang hatte ich geglaubt ich wäre die einzige, die darunter leiden müsste und nun...war alles anders. Es gab Legenden über meine Art. Sagen, welche mir vielleicht weiterhelfen und mir sagen könnten, wer ich war und wohin ich gehörte.
"Bitte Val", flehte mich Olivia an und holte mich zurück in ihre Welt. Inzwischen trennten uns nur noch wenige Schritte vom Rand des Strandes. Jetzt oder nie.
Ein leises Seufzen löste sich aus meine Kehle, dennoch nickte ich: „Na gut, aber nicht lange."
Die Legenden der Quileute würden sich nicht von heute auf morgen in Luft auflösen. Ich würde auch noch etwas länger warten können. Außerdem erkannte ich an dem Lächeln auf Olivias Gesicht genau, dass es sich lohnte.
"Du bist die Beste", quietschte Liv, hakte sich bei mir unter und lief gemeinsam mit mir auf die Meute zu.

Nachdem scheinbar auch die Letzten unter uns Jugendlichen eingetroffen waren, legte jemand Musik auf und ein Lagerfeuer wurde entfacht. Von irgendwoher kamen schließlich auch noch Getränke, die entweder gleich aus der Flasche getrunken oder in Plastikbecher gefüllt worden.
Während Liv sich sogleich zu einer kleinen Gruppe von Jungen und Mädchen dazu stellte, verharrte ich am Rand des Geschehens. Noch nicht einmal in Florida war ich ein Partymensch gewesen und da befanden wir uns meist in überfüllten Club. In La Push allerdings war die Masse übersichtlich, sodass jeder jeden im Blick behalten konnte.
"Na ganz allein hier?", flüsterte mir auf einmal eine nur allzu vertraute Stimme ins Ohr. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken, während ich mich zu dem Uley Jungen umwandte. Wie immer musste ich aufsehen, um Liam in die Augen zu schauen. Etwas, das ihm gefallen zu schien.
"Nicht ganz", erwiderte ich kühl und deutete mit dem Kinn auf Olivia, welche soeben auf der Tanzfläche mit einem freundlich aussehenden Jungen tanzte.
Ein abfälliges Lächeln erschien auf Liams Gesicht. „Deine Freundin scheint ja gut bei der Sache zu sein."
Gut bei der Sache? Meinte er damit, dass Liv etwas getrunken hatte? Aber wann? Verwirrt runzelte ich die Stirn und blickte zu meiner Freundin. Sie lachte ausgelassen, doch was sollte daran verkehrt sein? „Ich denke, dass sie einfach nur Spaß hat."
"Oh ja", schnaubte Liam und kam mir näher. Augenblicklich rückte ich weiter von ihm weg. Er ließ sich davon nicht beirren und sprach einfach weiter: „Wie kommt es eigentlich, dass du hier ganz alleine stehst und nicht bei ihr bist."
Ich zuckte mit den Schultern. „Ich mag keine Partys."
Ein überraschter Ausdruck huschte für den Bruchteil einer Sekunde über das Gesicht des Uley's, ehe sich die übliche arrogante Maske wieder darauf legte. „Und du willst ein echtes Florida – Girl sein?"
Zwar hatte dieser Idiot dieses Thema bloß aus Spaß angeschnitten, aber trotzdem verspürte ich ein altbekanntes Stechen in meinem Brustbereich. Ja, ich war in Florida aufgewachsen und hatte dort mein ganzes Leben verbracht, doch ob ich dorthin gehörte? Vermutlich nicht.
"Warum redest du überhaupt mit mir?", lenkte ich diese Konversation in eine andere Richtung, sodass sie hoffentlich bald ein Ende nahm. „Ich meine: ich kann dich nicht leiden und du mich auch nicht, also warum sprechen wir überhaupt miteinander.
"Vielleicht, weil es mir Spaß macht dich zu ärgern", warf Liam ein und forderte mich mit seinen Blicken heraus. Stur erwiderte ich diesen und bleib standhaft.
Statt der üblichen Blitze, die für gewöhnlich immer zwischen uns her schossen, erschien plötzlich ein helles Licht hinter ihm, welches mich blendete. Erschrocken kniff ich die Augen zusammen und schüttelte den Kopf. Als ich dann wieder zu Liam schaute, sah er mich nicht weniger überrascht an, wie ich ihn.
Mein Herz klopfte, wie verrückt gegen meine Brust. Was war hier soeben passiert? Ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden, machte ich auf dem Absatz kehrt und stürmte davon. 

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