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Meinen Eltern erzählte ich nicht, dass ich den Unterricht geschwänzt hatte. Die darauffolgenden Tage stellte ich mich krank und verbrachte die ganze Zeit in meinem Bett. Körperlich ging es mir natürlich gut, aber seelisch fühlte ich mich tatsächlich nicht in der Lage zur Schule zu gehen.
Auf die Frage hin, wann es denn wieder soweit wäre, gab ich Niemandem eine Antwort – nicht einmal mir selber. Ich wollte einfach meine Ruhe haben und so schloss ich mich in meinem Zimmer ein.
Während der Donnerstag und Freitag stillschweigend an mir vorbeizogen und selbst das Hungergefühl in meinem Magen irgendwann verpuffte, donnerte der Samstag laut krachend in meinen neuen Alltag. Warum? Ganz einfach - Olivia trat wortwörtlich meine Tür ein. Mit offenem Mund starrte ich zwischen ihr und meiner Freundin hin und her. Wie sollte ich das bloß meinen Eltern erklären?
Ist doch auch egal, grummelte meine innere Stimme. Daraufhin rollte ich mich seufzend auf die andere Seite und machte die Augen wieder zu. Ehrlich gesagt hoffte ich, dass Olivia somit auf magische Weise verschwand. Leider hatte ich die Rechnung ohne sie gemacht.
"Valerie Moore, beweg' deinen Arsch jetzt auf der Stelle aus dem Bett", brüllte sie in einer unerträglichen Lautstärke durch mein Zimmer und warf sich auf mich. Ihr volles Gewicht landete auf meinem Rücken, welcher daraufhin fragwürdig knackte. Stöhnend versuchte ich sie von mir herunter zu schubsen, kam mir dabei allerdings eher wie eine auf dem Rücken liegende Schildkröte vor.
"Man Liv, lass mich in Ruhe", schnauzte ich meine Freundin heiser an. Seit nun mehr zweieinhalb Tagen war meine Stimme nicht mehr zum Einsatz gekommen und fühlte sich dementsprechend fremd an.
Indessen ich darüber nachdachte, ob es nicht vielleicht doch möglich war Menschen mit Blicken zu töten, grinste mich mein erstes Opfer provokativ an. Wir lieferten uns ein Blickduell, welches sich seinesgleichen suchte.
Normalerweise wäre ich nach den ersten dreißig Sekunden bereits ausgerastet, aber durch die Tage des Fastens, fehlte mir die nötige Energie. Ob dies in gewisser Weise positiv war, vermochte ich nicht zu sagen.
Nach einer weiteren nervigen Minute gab ich mich geschlagen und warf die Hände in die Luft. „Okay, was willst du?"
Sichtlich erfreut über ihren Sieg fiel meine Freundin neben mich in die Kissen. Noch immer umspielte dieses grausige Lächeln ihren Mund. Moment. Hatte ich soeben noch geglaubt es gebe nichts Schlimmeres als das? Von wegen! Denn kurz darauf stupste mir das lilafarbene Monster mit ihrem Finger auf die Nase und begann leise zu kichern. Automatisch zogen sich meine Augenbrauen noch mehr zusammen.
"Ach Val, ich habe dich auch vermisst", feixte sie und zog mir an der Wange. Bemüht nun doch nicht auszurasten schloss ich die Augen und zählte von drei abwärts. Anschließend sah ich wieder zu meiner Freundin, welche mich belustigt beobachtete.
"Du hast noch eine Chance mir zu sagen, was du hier zu suchen hast, ehe ich dich eigenhändig hinaus werfe", knurrte ich und fletschte die Zähne.
Beinahe so, als hätten ihr meine Worte einen innerlichen Schmerz zugefügt, griff sich Olivia ans Herz. „Uh, das tat weh. Aber gut, kommen wir zur Sache. Val, du kannst dich nicht auf ewig in deinem Zimmer verkriechen. Das Leben geht weiter."
Die gleiche Leier, die auch meine Mum versucht hatte bei mir abzuziehen. Genervt verdrehte ich die Augen und drückte mein Gesicht anschließend in eines meiner Kissen.
"Im Ernst, Melinda hat mir erzählt, was für eine Scheiße Liam wieder abgezogen hat, aber lässt du dir davon etwa die Laune verderben?" Vorsichtig legte sich Liv's Hand um mein Kinn und zwang mich dazu sie anzusehen. „Die Valerie, die ich am ersten Tag kennen gelernt habe, hätte sich niemals so einfach geschlagen gegeben."
Unwillkürlich huschte ein Schmunzeln über meine Züge, welches ich jedoch sofort wieder verbannte. „Du kennst mich erst seit zwei Wochen."
"Pff", schnaubte meine Freundin und wedelte mit ihrer Hand vor meinem Gesicht herum. „Das ist sowas von egal. Ich meine wir sind schließlich Schwestern im Herzen."
Jetzt konnte ich mir wirklich kein Lächeln mehr verkneifen. Irgendwie war es süß, dass sie sich so sehr um mich bemühte. In meiner alten Heimat hatte ich viele Freunde gehabt. Selbstverständlich auch einige, die ich zu meinen Besten zählte. Doch noch nie war mir so jemand, wie Olivia untergekommen. Niemals zuvor hatte ich solch ein reines und offenherziges Mädchen getroffen wie sie.
Wie von allein bewegten sich meine Arme vorwärts und ich schloss sie in eine feste Umarmung. „Dankeschön, Livi. Für deine Worte."
"Keine Ursache, Kleine", flüsterte sie mir ins Ohr und streichelte mir sacht über den Rücken.     

MondgeheulWo Geschichten leben. Entdecke jetzt