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Als ich das nächste Mal die Augen aufschlug, befand ich mich noch immer in dem düsteren Wald – genauer gesagt auf dem Waldboden. Dennoch hatte sich etwas verändert, statt meines Felles blickte ich nun auf die – im Mondlicht – blass schimmernde Haut meines Körpers.
„Endlich...", keuchte eine raue Stimme ganz in meiner Nähe. „Hab ich dich!" Erschrocken sah ich von meinem Armen zu der Person auf, die soeben gesprochen hatte und begegnete auf der Stelle einem Paar leuchtenden Bernsteinen.
Augenblicklich sammelten sich Tränen in meinen Augen. Er war es gewesen. Er hatte mich zurückgeholt. Unwillkürlich begannen meinen Schultern zu beben und ein hohes Schluchzen kämpfte sich aus meiner Kehle.
Sofort spürte ich seine Arme um mich, die mich auf die Beine zogen und an seinen nackten Oberkörper drückten. „Shhh", flüsterten seine Lippen, während er das Kinn auf meinem Scheitel ablegte und mir mit einer Hand durchs Haar strich. „Ganz ruhig. Alles ist gut. Shhh."
Bei dem Klang seiner Worte zuckte ich unwillkürlich zusammen. Gut? Nicht von alledem war gut! All das hier war falsch. Dass er mich in seinen Armen hielt, war verkehrt, ebenso wie die Gefühle, die seine Berührung in mir auslöste.
„Lass mich los", flüsterte ich daher heißer, ehe ich begann mich gegen ihn zur Wehr zu setzen. Zwecklos. Es war vollkommen zwecklos, wie ich kurz darauf feststellte. Ich war machtlos gegen ihn. Er war einfach stärker als ich.
„Bitte lass mich los", folgte ich dem einzigen Ausweg, den ich deshalb noch sah.
Aber der Uley-Junge schüttelte nur unbeirrt mit dem Kopf und zog mich stattdessen noch näher an sich. „Niemals!"
Erneut brachen Tränen aus meinen Augen hervor und rannen heiß über meine Wangen. „Lass mich gehen!", schluchzte ich und stemmte mich gegen seine Brust. Als dies jedoch ebenfalls keine Wirkung zeigte, übermannte mich mein Schmerz gänzlich und fing ich an ihn gegen die Brust zu trommeln. „Lass mich verdammt nochmal in Frieden! Ich...Ich hasse dich!"
„Niemals!", flüsterte Liam erneut, während er immer wieder unter meinen Schlägen zusammen zuckte und scharf die Luft einsog. Und dennoch ließ er nicht von mir ab, ließ sie über sich ergehen und zog mich sogar noch enger an seine Brust.
Er hielt mich. Solange, bis jegliche Kraft aus meinem Körper gewichen war und ich wehrlos in seinen Armen erschlaffte.
„Valerie." Mein Name verließ seinen Mund liebevoll und ebenso zaghaft, wie die Berührung mit der er mir eine Strähne aus meinem Gesicht strich. Vorsichtig blickte ich zu Liam auf. Er lächelte, ehe er zögernd die Hand nach mir ausstreckte und damit begann mir meine Tränen von den Wangen zu wischen.
„Warum tust du das", flüsterte ich wimmernd, noch immer nicht in der Lage das Zittern in mir zu bekämpfen. „Du bist so grausam", schluchzte ich weiter, lehnte mich jedoch allmählich an seine starke Brust. Plötzlich fühlte ich mich so unendlich müde, so verdammt schwach. „Warum bist du überhaupt hier?" Ich war es leid. Ich konnte einfach nicht mehr. „Sicherlich möchtest du, dass ich mich eurem Rudel anschließe, nicht? Deshalb hast du ja auch die Wölfin gesucht. Deshalb...hast du mich ja auch geküsst." Am Ende des Satzes brach meine Stimme erneut.
„Warum hast du nie etwas gesagt?", hakte Liam nach und schob mich ein Stück von sich um mir direkt in die Augen zu sehen.
Ich seufzte matt und wandte den Blick ab. „Vielleicht hatte ich Angst. Vielleicht wollte ich mein Leben als Einzelgängerin nicht aufs Spiel setzen oder vielleicht." Ich biss mir auf die Lippe. „Wollte ich, dass du nicht nur die Wölfin in mir siehst, sondern die Person, die ich wirklich bin."
Bei meinem letzten Eingeständnis weiteten sich Liams Augen kaum merklich. „Aber ich sehe doch dich vor mir."
Unwillkürlich musste ich schnauben und schlug seine Hand, die noch immer auf meiner Wange ruhte, fort. „Ach ja?", hakte ich nach und spürte, wie mit dem Zorn wieder neue Kraft in mir aufwallte. „Tu doch nicht so scheinheilig! Wir beide wissen doch genau, warum du mich geküsst hast! Nicht weil du mich magst, sondern nur, um sie aus mir hervor zu locken." Den letzten Satz hätte ich beinahe geknurrt. Bestürzt stellte ich fest, dass sich erneut der Wolfsteil in mir in den Vordergrund gedrängt hatte.
Seltsamerweise schien auch Liam's animalische Seite hervorzukommen, denn seine Augen funkelten mir auf einmal gefährlich hell entgegen. Unwillkürlich trat ich einen Schritt zurück. Er folgte mir, wie ein Schatten. „Du glaubst also wirklich, dass ich dich nur geküsst habe, um zu sehen, ob du dich verwandelst? So denkst du von mir?!"
Ich zuckte bei dem Klang seiner zornestiefen Stimme zusammen und machte noch mehr Schritte zurück. Allerdings hatte ich keine Chance. Immer wieder kam Liam mir näher, ließ nicht zu das ich mehr Abstand zwischen uns brachte. Das tat er solange, bis ein Baum in meinen Rücken stieß und mit ihm nun jegliche Fluchtmöglichkeit verschwand.
Ich sah aus großen Augen zu ihm auf, beobachte, wie er jeweils einen Arm links und rechts von meinem Kopf abstützt. „Ich frage dich nochmal: Denkst du wirklich so von mir?"
Sein Atem stieß bei jedem Wort heiß gegen mein Schüsselbein und jagte mir einen Schauer nach dem anderen über den Rücken. „W-Warum sonst solltest du mich dann küssen?", stotterte ich und blickte ihm verständnislos entgegen.
Plötzlich begann Liam zu lachen - kehlig, trocken und verwirrte mich damit vollends. „W-Wieso lachst du?"
„Das meinst du doch nicht ernst, Val", gluckste Liam noch immer. Dann kam er mir überraschend plötzlich wieder näher. „Valerie." Auf einmal wurden seine Züge ganz weich. „Für mich sind du und die Wölfin in dir eins. Aber noch bevor ich sie überhaupt gesehen habe, sah ich dich! Das Mädchen, das schneller lief als alle anderen. Das, dass mir jedes Mal aufs Neue die Stirn geboten hat, mich zum Lachen gebracht hat, auf das ich aufpassen musste, als es betrunken war und das Mädchen, das mich auf ihr ganz natürlich Art allmählich verzaubert hat. Valerie, ich habe dich nicht geküsst, um damit die Wölfin zu finden und dich zu vertreiben, sondern um dir zu offenbaren, wie viel du mir bedeutest." Seine Worte fühlten sich an wie Seide auf meiner verletzten Seele und dennoch hatte ich immer noch meine Zweifel. Konnte es tatsächlich wahr sein?
Noch bevor ich ihm die Frage stellen konnte, fuhr der Uley-Junge jedoch schon fort. „Und verdammt Valerie, es tut mir immer noch leid, dass ich dich so dazu gezwungen habe es mir zu verraten. Aber du musst mir glauben, dass ich dich jetzt, da ich weiß, dass du eine von uns bist, die wahre Valerie bloß noch umso mehr liebe."
Meine Augen weiteten sich überrascht und ich glaubte mich verhört zu haben. Vollkommen überfordert klappte mein Mund immer wieder auf und zu, ohne dass tatsächlich etwas heraus kam. „D-Du? W-W-Was hast d-du g-gerade gesagt", stotterte ich, als ich mich schließlich wieder gefangen hatte.
Grinsend kam der Werwolf mir noch näher und lehnte seine Stirn gegen meine. „Ich mag dich wirklich sehr, Valerie. So sehr, dass ich glaube, dass ein Tag ohne dich an meiner Seite vollkommen sinnlos erscheint."
Ohne es verhindern zu können, verfärbten sich meine Wangen rot und mein Herz, dass schon die ganze Zeit über Purzelbäume schlug, verweigerte nun gänzlich seinen Dienst. „Aber..."
Liam lachte kurz auf. Dann legte er mir einen Finger an die Lippen und schüttelte mit dem Kopf: „Kein aber, mon coeur."
Kurz verzog sich mein Mund zu einem Lächeln, dann widersprach ich ihm: „Doch aber!" Denn mir war ein weiterer Punkt eingefallen, der diese Liebe zum Scheitern verurteilte. „Was ist denn mit der Prägung? Irgendwann wirst du jemanden finden, der für dich bestimmt ist!"
„Das bist du!", antwortete Liam ohne zu zögern. Kurzzeitig verwirrt legte ich die Stirn in Falten, schüttelte dann allerdings mit dem Kopf. „Nein, bin ich nicht! Weder du, noch ich haben meines Wissens nach irgendwelche Anzeichen einer solchen Verbindung erlebt. Es hat keinen Zweck, ganz egal wie sehr ich dich liebe..." Scheiße! Viel zu spät schlug ich mir die Hand vor den Mund, als ich bemerkte, was ich da soeben gesagt hatte. Ich hatte ganz offen vor Liam gestanden, wie sehr ich mich zu ihm hingezogen fühlte und damit auch, dass ich seine Gefühle erwiderte. Beschämt senkte ich den Blick.
Doch es gab kein Entrinnen. Anstatt darauf zu warten, dass ich ihn wieder anschauen würde, beugte sich Liam einfach so weit zu mir hinab, dass er erneut Blickkontakt zu mir hatte. „Valerie...", begann er dann und auf einmal wurden seine Züge ganz weich. „Ganz egal, was geschieht – du bist die Eine und daran glaube ich."
„Wie kannst du sowas sagen, ohne dass du jemals dieses verbindende Gefühl erlebt hast?", flüsterte ich, während mein Herz in meiner Brust Samba tanzte.
„Ich weiß es einfach", raunte Liam und kam mir näher. Wie von allein hob sich mein Kopf und führte meine Lippen seinen entgegen, bis sie sich in einem Kuss der Reinheit und wahren Liebe berührten.

~

Nennt es kitsch, nennt es klischeehaft, nennt es wie ihr wollt..., aber ich liebe es. *.*
Endlich mal ein Happy End :D

MondgeheulWo Geschichten leben. Entdecke jetzt