Mit jedem Schritt, den wir auf die Tür zu traten, wurde ich nervöser. Einzig und allein Liam's große Hand, die meine fest umschloss, hielt mich davon ab auf der Stelle umzukehren.
„Liam", flüsterte ich, während die Stimmen der anderen immer deutlicher an mein Ohr drangen. „Liam", protestierte ich noch einmal lauter, als wir die Stufen erreichten und stemmte mich gegen seinen Griff. Doch er zeigte kein Erbarmen.
Kurzerhand legte er seine Arme um mich und trug mich die Treppe hinauf. „Liam!"
Beinahe hätte ich geknurrt. Was sollte das? Er konnte doch nicht von mir verlangen, dass ich geradewegs in die Höhle des Löwen ging.
Ich zischte und plötzlich setzte er mich eben so rasch, wie er mich hoch genommen hatte, wieder ab. Inzwischen hatten wir die Eingangstür zu Emily's Haus erreicht, womit uns auch nur noch wenige Meter von dem Rudel trennten. Lautes Gelächter und der starke Geruch nach Wolf umfing mich. Augenblicklich schüttelte ich mit dem Kopf und wollte zurück weichen. Ich konnte nicht, konnte da nicht hinein gehen - unmöglich!
Doch noch bevor ich überhaupt die Gelegenheit gehabt hätte einen Fuß zurückzusetzen, legten sich auch schon Liam's warme Hände auf meine Schultern und sein Blick traf den meinen. Bernstein begegnete Smaragd, Wolf traf auf Wölfin.
„Valerie." Mein Name kam ihm so sanft über die Lippen, sodass er beinahe wie eine Liebkosung klang. „Vertrau' mir."
Vertrauen. Unwillkürlich zuckte ein Lächeln über meine Lippen. Es gab nur eine Hand voll Menschen in meinem Leben, die wirklich behaupten konnten dieses Privileg zu besitzen. Und Liam gehörte nicht dazu, oder doch?
Noch bevor mein Kopf eine Lösung für diese Frage finden konnte, gab mein Herz darauf eine Antwort. Wie von allein hoben sich meine Finger und strichen kurz über seine Hand, dann nickte ich.
Augenblicklich erschien ein schiefes Grinsen auf den Lippen des Uley-Jungen. Seine Hand streifte für einen Moment meine Wange, bevor er mir wieder den Rücken zu wandte und sich vor mich stellte. „Bleib' hinter mir, okay?"
Das musste er mir nicht zweimal sagen. Ich stellte mich so dicht hinter ihn, dass er die leichte Bewegung meines Kopfes an seinem Rücken spüren konnte. Kaum, dass ich zugestimmt hatte, öffnete er auch schon die Tür und wir traten ein.
War der Geruch dieser männlichen Wölfe mir schon draußen stark vor gekommen, riss er mich nun beinahe von den Socken. In diesem kleinen Raum befanden sich mindestens sechs von ihnen, Liam ausgeschlossen.
Ohne es verhindern zu können, drängte ich meinen Körper noch stärker gegen den Rücken meines Wolfes. Moment. Ich erstarrte. Mein Wolf? Oh nein, nein, nein. Hastig verwarf ich den Gedanken wieder. Ich hatte keinerlei Körperprivilegien an ihm, ganz zu schweigen von etwas anderem.
Mir dieses Bild vor Augen haltend, wollte ich zurück weichen, aber da umschlossen mich bereits Liam's Arme und hielten mich an Ort und Stelle.
„Liam", meldete sich eine tiefe Stimme, die nur so vor Macht vibrierte zu Wort, gleichzeitig hörte man, wie Stuhlbeine über den dunklen Holzboden kratzen. „Wen hast du hierher mitgebracht?!" Direkt, herrisch, eindeutig der Alpha.
Ich spürte, wie sich der Uley-Junge vor mir anspannte und sich automatisch zu seiner vollen Größe aufrichtete, ehe er antwortete: „Sam, es freut mich auch dich zu sehen."
Ein Schnauben war zu vernehmen, gefolgt von weiteren Kratzgeräuschen. Darauf folgten Schritte, welche allerdings sogleich verstummten, als Liam ein bedrohliches Knurren von sich gab. „Bleibt, wo ihr seid!"
„Wow Li! Ganz ruhig!", meldete sich eine andere - jüngere Stimme - überrascht zu Wort. „Ich will doch nur sehen, wen du da mitgebracht hast."
„Es ist unser Recht", begann wieder der Alpha zu sprechen, wurde aber sofort von dem Uley-Jungen unterbrochen. „Nein, ist es nicht."
Überrascht schaute ich zu ihm auf. Wieso verhielt er sich so angriffslustig und tat so, als würde ich ihm gehören? Ich gehörte niemandem!
Mit einem Mal wich alle Furcht aus meinen Knochen und ich trat ohne weiter darüber nachzudenken aus Liam's Schatten hervor. „Oh man", stöhnte ich und warf sowohl Liam, als auch dem Mann, der ihm gegenüber stand und auf merkwürdige Art ähnelte, einen genervten Blick zu. „Könntet ihr mal eure Hunde zurück pfeifen und euch wie zwei normale Menschen benehmen?"
Ich hatte die Worte ausgesprochen, ohne noch einmal darüber nachzudenken. Aber nun, da ich sie nicht mehr zurücknehmen konnte, bemerkte ich meinen Fehler.
„Du hast ihr unser Geheimnis verraten?!", brüllte der Alpha plötzlich los, kurz davor sich auf Liam zu stürzen.
Ich zuckte zusammen und wich unwillkürlich einen Schritt zurück. Verflixt, was hatte ich denn jetzt schon wieder angestellt?! Bevor ich jedoch die Sache klarstellen konnte, spürte ich wie Liams Arm sich um meine Taille schloss und mich fast an seinen Körper presste. Verblüfft schaute ich zu ihm auf. Sein Blick war ernst, beinahe bedrohlich, doch er galt nicht mir. Er richtete sich auf den Mann uns gegenüber.
„Sam", erhob mein Wolf nach einem Moment angespannter Stille erneut das Wort und richtete es somit direkt an den Alpha. „Ich verstehe, dass du wütend bist, aber Valerie trifft keine Schuld."
Mir klappte die Kinnlade herunter. Was sagte er da? Wollte er tatsächlich, dass er dafür bestraft wurde mir sein wahres Ich offenbart zu haben? Dabei hatte er es doch noch nicht einmal beabsichtigt.
„Das ist nicht", setzte ich an, aber bevor ich auch nur einen Hauch der Aufmerksamkeit auf mich ziehen konnte, legte sich Liam's große Hand über meinen Mund und er sprach weiter: „Sie trifft keine Schuld. Im Gegenteil..." Für den Bruchteil einer Sekunde wurden die Züge in seinem Gesicht ganz weich. „ Sie hat mir geholfen unser Geheimnis zu wahren, als ich dazu nicht mehr in der Lage war. Und selbst nachdem sie die Gelegenheit hatte es weiter zu erzählen, hat sie geschwiegen. Wenn du also jemanden bestrafen willst, dann bin ich das und ich werde alles in Kauf nehmen. Solltest du ihr allerdings auch nur ein Haar krümmen, kann ich für nichts mehr garantieren."
Ich protestierte. Was zur Hölle gab Liam da von sich? Er untergrub die Autorität das Alpha vor dem gesamten Rudel? Für mich?!
„Du wagst es!", knurrte Sam und begann am ganzen Körper zu zittern. Innerlich schrie ich auf, denn ich wusste, was dies zu bedeuten hatte. Nicht mehr lange und er würde sich verwandeln und auf Liam stürzen.
Ich versuchte mich von dem Uley-Jungen loszureißen, mich vor ihn zu stellen, doch es war vollkommen zwecklos. Sein unerbittlicher Griff hielt mich gefangen, gab mir keine Möglichkeit ihn zu beschützen. Liam, du Idiot, fluchte ich, während mir unwillkürlich die Tränen in die Augen schossen.
„Vergiss nicht wer du bist Liam, oder...", fing der Alpha erneut an zu drohen und machte einen Schritt auf uns zu, als ihn plötzlich eine aufgebrachte weibliche Stimme unterbrach. „WAS VERDAMMT NOCHMAL IST HIER LOS?!"
Teils erschrocken, teils erleichtert suchte mein Blick nach der Frau, die soeben gesprochen hatte. Als mein Blick sie schließlich fand, hätten meine Beine beinahe nachgegeben. Emily stand breitbeinig, mit in die Hüften gestemmten Armen zwischen der Küche und dem Tisch, in ihrer Hand hielt sie eine silberne Suppenkelle.
Für einen Augenblick schossen ihre Augen zwischen Liam, Sam und mir hin und her, dann kehrten sie wieder zurück zu dem Alpha.
„Was hast du schon wieder angestellt?!", zischte sie erbost und ging langsam, die Suppenkelle schwingend, auf Sam zu, welcher schützend die Hände vor sich hielt. „Emily, ich...Liam..."
„Es ist mir vollkommen egal, was ihr Vollpfosten wieder verzapft habt!", fauchte sie ihn an und verpasste ihm einen Schlag gegen den Hinterkopf. „Was habt ihr euch nur dabei gedacht, das arme Mädchen da mit reinzuziehen." Sie schnaubte. „Schöne Hüter seid ihr mir ja."
„Genau, gib's ihnen Emily", rief plötzlich einer der anderen Wölfe in die Stille hinein und lenkte somit sofort die Wut der Schwarzhaarigen auf sich. Mit blitzenden Augen fuhr sie herum und deutete anklagend auf das Rudel. „Und ihr Vollidioten! Warum sitzt ihr nur da rum und tut nichts? Wirklich bin ich denn die einzig Vernünftige hier?!"
Offensichtlich besaß Emily, trotz der Tatsache, dass sie ein Mensch war, ein hohes Ansehen im Rudel, denn auf einmal wurde es ganz still um sie herum und alle beugten betreten den Kopf.
„Hach", stieß sie kurz darauf aus und der strenge Gesichtsausdruck wich einem zufriedenen Lächeln. „So gefällt mir das besser und jetzt..." Emily wandte sich nun mir zu und streckte die Hände nach mir aus. „Valerie, was hältst du von einer Tasse Tee, während die beiden Schwachköpfe ihre Differenzen draußen klären?"
Ich wollte ihr gerade antworten, als mir auffiel, dass Liam's Hand noch immer auf meinen Mund lag. Fragend schaute ich zu ihm auf und begegnete seinem nachdenklichen Blick. Er schien kurz darüber nachzudenken, kam schließlich jedoch zu einem Entschluss und ließ mich gehen. Bevor er allerdings gänzlich mit Sam den Raum verließ, beugte er sich noch einmal zu mir hinunter und flüsterte: „Ich bin gleich wieder bei dir, versprochen!"
Sein warmer Atem streifte ganz sanft mein Ohr und bereitete mir eine Gänsehaut, dennoch nickte ich die Lippen zu einem leichten Lächeln verzogen. Die erste Hürde hatten wir überstanden.
~
Huhu liebe Mondgeheul - Freunde,
hiermit melde ich mich mit einem neuen Kapitel bei euch. Ich bin ja gespannt, was ihr davon haltet - also scheut euch nicht einen kleinen Kommentar da zulassen.
Liebe Grüße
Zoey
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Mondgeheul
Người sóiValerie Moore hat schon vieles in ihrem Leben durchgemacht. Als ihre Eltern jedoch auf Grund der Versetzung ihres Vaters nach La Push ziehen, bricht für sie eine Welt zusammen, denn sie muss ihr bisheriges Leben hinter sich lassen. In La Push erwart...