Liam
Das Rudel war in Aufruhe. Irgendjemand Unbekanntes hatte es gewagt unser Gebiet zu betreten. Während Sam und die anderen bereits weitflächig die Spur verfolgten, lag ich entspannt an einem Baum gelehnt und döste vor mich hin.
Liam, hilf' uns gefälligst, knurrte mich mein großer Bruder an. Seine Alphastimme hallte dabei unangenehm laut durch meinen Kopf, sodass ich genervt die Zähne fletschte. Stress' mich nicht so.
Im Gegensatz zu meinem Bruder nahm ich unsere Aufgabe weniger ernst. Gut, ich bewachte ebenso wie alle anderen unsere Grenzen vor diesen Blutsaugern, aber sinnlos irgendetwas hinterher jagen? Nein.
Gähnend streckte ich mich und rappelte mich gemächlich auf. Dann verfiel ich in einen leichten Trab. Immerhin konnte sich Sam somit nicht beschweren, dass ich nichts tat, denn immerhin lief ich.
Wo er recht hat, hat er recht, stimmte mir Seth glucksend zu. Kurz darauf erschien der kleinere sandfarbene Wolf an meiner Seite und verfiel in ein ähnliches Tempo wie ich. Ich mochte den Jungen. Er verstand beinahe ebenso gut wie ich, dass man auch seinen Spaß, als Wolf haben musste.
Mit Ausnahme von Jake teilte niemand der anderen mit mir das Bedürfnis nach dieser Art von Freiheit. Vermutlich stellte Sam den Grund dar. Mein Bruder und sein Pflichtbewusstsein hatten uns schon ziemlich oft einen Strich durch die Rechnung gemacht. Kein Wunder, dass ich da hin und wieder fehlte. Zwar erntete ich mir dafür immer wieder eine Standpauke und eine endlos lange Predigt ein, doch aus dem Rudel verstoßen wurde ich keineswegs. Vermutlich lag die Geduld mit mir auch daran, dass wir verwand waren. Ein Grund mehr jede Möglichkeit auszukosten.
Was glaubst du, was es ist?, meldete sich Seth in meinem Kopf. Der große schwarze Wolf in den ich mich verwandelte, zuckte mit den Schultern. Keine Ahnung. Tatsächlich war es mir aber auch vollkommen egal, sofern niemand zu Schaden kam. Sollte sich das Wesen, welches diesen Geruch über all im Wald verbreitete, doch ruhig hier umschauen.
Trotzdem müssen wir wissen, um wen es sich handelt, verteidigte Paul mit ruhiger Stimme meinen Bruder. Seitdem er sich auf Lissa geprägt hatte, war sein Charakter um einiges ruhiger geworden. Das bedeutete zum einen weniger aufpassen, aber zum anderen auch weniger Spaß, den mir ein ordentlicher Kampf bereitete.
Wenn du unbedingt kämpfen willst, kannst du es gerne gegen mich versuchen, schaltete sich Lea, Seths Schwester ein. Sie hatte mich schon ein paar Mal herausgefordert, aber immer wieder verloren. Deshalb entgegnete ich: Wenn du eine weitere Niederlage verkraften kannst.
Ruhe jetzt! Konzentriert euch auf die Aufgabe!, durchschnitt die Stimme meine lieben Bruders unser Gespräch.
Schnaubend schüttelte ich den Kopf. Was für ein Spielverderber.Nach einer Stunde des erfolglosen Suchen verwand sich das Rudel schließlich wieder bei Emily ein. Meine zukünftige Schwägerin begrüßte uns wie jedes Mal nach einem Einsatz mit einer ordentlichen Portion Nahrung.
"Du bist die Beste", lobte ich sie und gab ihr zur Begrüßung einen kurzen Wangenkuss. Dann ließ ich mich auf den Platz neben Jacob fallen und schlang einen Arm um seine Schultern. Wie ich bereits erwähnt hatte, verstand Jake mich beinahe ebenso gut wie Seth.
Eigentlich sollte er als Beta am ehesten hinter meinem Bruder stehen, doch ich glaubte, dass seine Alphagene ihm dabei immer wieder in den Weg kamen.
"Mal schauen, ob sich der Eindringling ein zweites Mal in unser Gebiet traut – so schnell, wie die Spur verblasst ist", grinste Embry und packte sich gleich drei Portionen des Rühereis auf seinen Teller.
Seine Hand wanderte bereits weiter zu der Pfanne mit Speck, als Lea ihn auf die Hand schlug. Mit demselben genervten Tonfall, wie immer knurrte sie: „Andere wollen vielleicht auch noch etwas abhaben, du Vielfraß!"
Der darauf folgende Blick meines Rudelkameraden war einfach göttlich, sodass ich mir ein Lachen nicht verkneifen konnte. Nach und nach stiegen die anderen Wölfe mit ein.
Dieser Moment hätte vollkommen sein könnte, hätte ihn mein lieber Bruder nicht im nächsten Augenblick zerstört. "Liam, beim nächsten Mal strengst du dich gefälligst mehr an."
Genervt verdrehte ich die Augen, woraufhin Sam ein Knurren von sich ließ. Automatisch reagierte ich darauf nicht weniger bedrohlich. Mag sein, dass ich ihm untergeordnet war und mich hin und wieder von ihm rumschubsen ließ, aber irgendwann reichte es selbst mir.
Ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, stand ich auf und ging wieder nach Draußen. Dort verwandelte ich mich sogleich und ließ ihn hinter mir. Der kleine Snack für zwischen durch würde somit ausfallen.
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Mondgeheul
WerewolfValerie Moore hat schon vieles in ihrem Leben durchgemacht. Als ihre Eltern jedoch auf Grund der Versetzung ihres Vaters nach La Push ziehen, bricht für sie eine Welt zusammen, denn sie muss ihr bisheriges Leben hinter sich lassen. In La Push erwart...