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Nachdem ich den Weg in meiner Wolfsgestalt in erschreckender Geschwindigkeit hinter mich gebracht hatte, verbrachte ich den restlichen Sonntag damit im Bett herum zu liegen, Olivia anzurufen und mir selbst zu schwören fortan die Finger von Alkohol zu lassen.
Dieses Versprechen wurde nur bestärkt, als ich am darauffolgenden Montag auf den Schulhof fuhr. Auf der Stelle lag die gesammelte Aufmerksamkeit auf mir und gefühlt achtzig Augenpaare ruhten allein auf mir. Dann begann das Getuschel und Gekicher. Ich zog den Kopf ein und wollte einfach bloß in meine Klasse.
Warum musste der Weg dorthin bloß so lang sein? Gerade, als ich durch die große Flügeltür huschen wollte, hörte ich den Jungen neben mir laut sagen: „Schön getanzt, Moore. Machst du das eigentlich auch Privat und wenn ja, kann ich dich mieten?"
Erneut kam lautes Gelächelter auf und ich wollte ohne ein Wort und in meinem Scharm ertrinkend verschwinden, doch da bemerkte ich aus dem Augenwinkel heraus eine weitere Bewegung. Der blöde Kerl, der eben noch direkt neben mir an der Wand gelehnt hatte, war verschwunden. Stattdessen wurde er nun von zwei starken Armen in die Luft gehoben und hielt sich verzweifelt daran fest.
„Ey man, was soll das?", keuchte der Junge von eben und sah mit weit aufgerissenen Augen in das finstere Gesicht von Liam Uley. Auch ich konnte nicht anders als den Quileute-Jungen anzustarren. Was machte er da?
„Noch ein dummer Spruch zu Valerie und das war's für dich, kapiert?", flüsterte Liam dem Macho so leise zu, dass ich es beinahe kaum verstanden hätte. Überrascht zog ich eine Augenbraue hoch, während der andere Junge hastig nickte. Ohne ein weiteres Wort ließ Liam von ihm ab und wandte sich um, jedoch nicht ohne mir vorher noch einen Blick zuzuwerfen.
Noch immer verwirrt blieb ich vor der halboffenen Tür stehen und starrte ihm einen Augenblick lang hinterher, dann schüttelte ich allerdings mit dem Kopf und setzte meinen Weg fort. Es war ohnehin zwecklos zu versuchen diesen Jungen zu durchschauen.

Wie ich es inzwischen schon gewohnt war, verbrachte ich Biologie stumm damit die Tafelbilder abzuschreiben und auf die Uhr neben der Tür zu starren. Es war nicht so, dass der Unterricht von Mrs. Morgan total uninteressant war, aber dennoch reizte er mich nicht so, dass ich es als notwendig empfand aktiv mitzuarbeiten. Sollte sie mich allerdings doch einmal dran nehmen, achtete ich darauf möglichst richtig zu antworten.
Nach Biologie folgte für gewöhnlich Sport, weshalb ich mich zusammen mit Olivia, die ich auf dem Weg einsammelte, zur Turnhalle begab. Dort allerdings empfing uns nicht Coach Ross, sondern eine große Menschentraube, welche scheinbar bis ins Innere der Halle reichte.
Verwirrt wechselte ich einen Blick mit Olivia. „Was ist denn hier los?" Doch auch sie konnte nur ratlos mit den Schultern zucken. Klar, immerhin waren wir auch zusammen angekommen.
An ihrer Stelle drehte sich jedoch auf einmal ein Junge einige Meter vor uns um. Scheinbar hatte er meine Frage auch gehört, denn er meinte grinsend: „Drinnen sollen sich angeblich Liam Uley und irgendein andere Typ einen ziemlichen Kampf liefern. Könnte beide einen Schulverweis einbringen."
Geschockt klappte mir die Kinnlade herunter. Einen Schulverweis?! Und da grinste der Kerl?! Unwillkürlich begann mein Herz schneller zu schlagen. Ich wandte mich Olivia zu. „Liv, wir müssen irgendetwas tun!"
Überrascht warf mir meine Freundin einen Blick zu. „Aber ich dachte du hasst den Kerl?"
„Tu' ich ja auch, aber..." Ja, was eigentlich? Warum kribbelte mein ganzer Körper und trieb mich dazu an vorwärts zu gehen. „Liam hat mir immerhin schon zweimal geholfen und so langsam bin ich es leid ihm etwas schuldig zu sein."
Für einen Augenblick blieb Liv's Gesicht weiterhin argwöhnisch, doch dann entspannten sich ihre Züge allmählich. „Selbst wenn du ihm helfen willst, wie willst du da rein kommen? Ich meine schau dich doch einmal um!"
Damit hatte sie wieder einmal recht. Unser Weg wurde von unseren Mitschülern vollkommen blockiert. Sie standen sogar so dicht beieinander, dass noch nicht mal mehr mein Fuß zwischen sie gepasst hätte. Dennoch blieb ich zuversichtlich. „Ich schaffe das schon", nickte ich meiner besten Freundin zu, bevor ich mich daran machte mich nach vorn durchzukämpfen.
„Valerie, wie willst du die beiden überhaupt auseinander bekommen?!", rief mir Olivia noch hinterher, ehe ich aus ihrem Sichtfeld verschwand. Eine gute Frage, die sich hoffentlich beantworten würde, wenn ich erst einmal vor den Zweien stand.
Ich kämpfte mich also tapfer weiter, versuchte mir mithilfe meiner Ellenbogen Platz zu schaffen und meinen Weg zu ebenen. Gleichzeitig spürte ich jedoch auch, wie mein Wolf wieder an die Oberfläche trat. Ich befand mich schließlich inmitten von unzähligen Teenagern, die - jeder für sich - verschiedene Gerüche aussandten, welche meine geschärften Sinne angriffen. Auch die stickige Luft, welche mich im Inneren der Turnhalle erwartete, machte es mir nicht leichter.
Umso erleichterter war ich, als ich letztendlich den inneren Kreis erreichte, welcher sich um die beiden Kämpfenden gebildet hatte. Wie ein Haufen ausgehungerte Hunde jubelten und feuerten sie die Beiden dazu an weiter zu machen, bis der andere blutend am Boden lag.
„Liam", schrie ich, während ich weiterhin versuchte einen Blick auf ihn zu erhaschen. Keine Chance. Ich musste noch näher zu ihm gelangen. Ich musste in die Mitte.

MondgeheulWo Geschichten leben. Entdecke jetzt