„Komm, lass uns hoch. Ich habe dir Eis mitgebracht.", erwähnte sie und ich wusste nicht, womit ich so eine tolle Freundin verdient hatte. Wir standen beide auf und liefen die Treppen hoch. Oben angekommen legte ich mich wieder in mein Bett und machte für Cory meine andere Bettseite frei. Anschließend überreichte sie mir meinen Eisbecher und auch sie nahm sich einen. „Das wird deinen Magen heilen. Ich weiß ja du isst bei Herzschmerz nie. Wenn ich dein Herz schon nicht heilen kann, dann eben deinen Magen." Sie machte es sich unter meiner Decke gemütlich und rückte näher an mich, damit ich mich an sie lehnen konnte.„Also erzähl mir, hast du das Video gesehen?" fing sie an zu fragen. Ich nickte stumm. „Woher hattest du es?" Bevor ich ihr eine Antwort geben konnte, scheffelte ich einen großen Löffel mit Eis. „Cassie hatte es mir geschickt." „Oh man. Wär ich nur dort geblieben, dann hätte sie diese dummen Dinge nicht gemacht." flüsterte sie verärgert vor sich hin, als hätte sie nur ansatzweise was ändern können.
„Du hättest nichts ändern können. Sie hätte es trotzdem gemacht." Zumindest dachte sich das mein Kopf. Es war die einzig richtige und logische Auffassung, die ich mir herleiten kann. Vor nicht mal zwei Wochen hatten wir dieses Gespräch, wo sie so was ähnliches erwähnte. Was wäre wenn, meinte sie. Und jetzt waren wir da. An dem Punkt, wo was wäre wenn, wahr wurde.„Aber ich hätte ihr doch klar machen können, dass ihre Freundin schon seit Jahren was von dem Typen will, mit dem sie rum knutschen wollte." versuchte Cory sich weiter zu beschuldigen. „Hätte heißt nicht, dass du könntest. Sie war sie. Es war ihre Entscheidung und könnten wir jetzt bitte aufhören? Ich möchte nicht alles wiederholen, was ich gestern Nacht getan habt." Ich wollte diese Sache abhaken, zumindest für heute. „Hmm ja. Aber wie willst du ihr Morgen über den Weg laufen?" Cory sah mich von der Seite an und wartete auf eine Antwort von mir. „Gar nicht. Ich werde ihr aus dem Weg gehen. Ich glaube ihr wird meine Anwesenheit für eine lange Zeit erspart bleiben."
Ich war immer ein Mensch, dem die Ignoranz als Strafe reichte. Auch war ich ein Mensch, der das nicht so stehen ließ wie es war. Ich wusste, dass es irgendwann so weit war, dass ich mit ihr sprechen musste. Aber für diesen Moment bräuchte es noch Zeit. Ich würde ihr jedenfalls nicht die Haare rausziehen oder sie schlagen, dafür war das Niveau zu tief. „Also müssen wir uns neue Freunde suchen und einen anderen Platz finden?" „Nein. Du musst sie nicht ignorieren. Sie und ich haben ein Problem. Ich kann mir auch einen anderen Platz suchen." gab ich von mir.
„Nein, es wäre falsch! Wir müssen diese Sache gemeinsam durchstehen. Ich möchte meiner besten Freundin doch beistehen und ich war nie ein Fan von Marie.", teilte sie mir mit und verschränkte dabei die Arme. „Du bist die Beste." Ich stellte meinen halb leeren Eisbecher auf meinen Nachtisch und legte mich hin. „Weißt du noch, von Liam der Bruder, von Mias Freundin und der Typ, den ich halb nackt gesehen habe? Auch der, der meine ganzen Sachen auf den Boden gehauen hatte?" fragte ich, während ich an die Decke starrte.
„Hmm ja, was ist mit ihm?" „Er ist der neue Kapitän der Fußballmannschaft. Der Neuling." Ich hörte einen überraschenden Ton neben mir. „Willi ist Liam? Wieso kam ich da nicht schneller drauf! Aber, hat er dich erkannt?" erkundigte sie sich. „Nicht das ich wüsste. Er war wohl eher damit beschäftigt seinen Erfolg zu feiern.", antwortete ich. „Was für ein Zufall. Ihr lauft euch schon wieder über den Weg. Du und Willi." Ihr Lachen füllte den Raum mit etwas Lebensfreude. „Willi? Wirklich?" „Was, so nannten ihn seine Freunde. Dafür kann ich nichts." stellte sie fest und machte einen unschuldigen Blick.
„Nenn ihn bitte Liam. Willi klingt so kindisch. Du ruinierst mir noch mein Bild von seinen Muskeln." bemängelte ich und im nächsten Moment hatte ich für eine Sekunde den nackten Oberkörper von Liam vor mein Augen. „Ah ja, seine Muskeln? Muss ich da mehr erfragen?" „Nein bloß nicht." sagte ich und schloss meine Augen wieder in der Hoffnung das Bild wegzukriegen. Dann herrschte Stille und keiner von uns sagte mehr was. „Schläfst du jetzt deine Sorgen wieder weg?" Ich fühlte mich ertappt, irgendwie kannte sie mich einfach viel zu gut. Ich erwiderte mit einem Nicken. „Ich bleibe bis du eingeschlafen bist." versprach sie und das waren die letzten Worte, die ich hörte, bevor im Raum ruhe herrschte.
Montag
Ich hatte mich gestern genau drei Mal aus meinem Bett bewegt. Einmal für eine Dusche und das Bettfertig machen. Das 2. Mal, ging ich mir ein Sandwich und eine neue Wasserflasche holen und das 3. Mal, für das Ausschalten von meiner Lichtleuchte. Cory war schon gegangen, als ich wach wurde. Sie wusste, dass ich diesen Tag einfach brauchte. Meinen Ich-schlafe-alles-weg-Schlaf. Geweint hatte ich eigentlich nur, wenn ich wieder zu viel nachdachte. Also alles halb so wild. So verbrachte ich meinen Sonntag, bevor der Tag kam an dem ich mein Drama wieder richtig spüren sollte.
Montage waren schon immer schlimm gewesen, aber eine Schippe Herzschmerz drauf machte es unerträglich. Ich hatte keine Energie mehr, obwohl ich das nach meinem stündlichen Ich-schlafe-alles-weg-Schlaf eigentlich hätte haben sollen. Dank Cory, die mich heute abholte, konnte ich mir mehr Zeit lassen als gebraucht. Wir wollten erst knapp vor Unterrichtsbeginn ankommen. Emma hatte eine Erklärung von Cory bekommen, weil ich es nicht noch mal konnte. Sie versicherte mir, dass alles ok sei und ich ruhig diese Routine durchführen sollte, bis es mir besser geht. Ich war so dankbar dafür, dass ich so tolle Freunde hatte die mich überall unterstützten wo sie nur konnten.
Als Cory vor der Schule parkte, war es zehn vor acht. Es bestand immer noch die Gefahr, dass Marie mich aufsuchte aber das Gespräch hätte nicht weit führen können. Ich hatte mir ihre Nachrichten noch nicht durchgelesen, sondern nur den Chat stumm geschalten. „Wir können noch warten, wenn du willst." meinte Cory und sah mich von der Seite an. „Nein, es ist ok. Ich schaffe das schon. Aber sehe ich wirklich nicht so aus, als hätte ich die schlimmsten Tage hinter mir?", fragte ich noch mal sicherheitshalber nach. Heute Morgen sah ich im Spiegel schrecklicher aus als sonst. Meine Augen taten weh und waren ermüdet. Ich hatte trockene Lippen und meine Nase war von den ganzen Schnauben rot geworden. Und das als Endbild sah schrecklich aus.
„Nein. Ich denke, du hast es sehr gut kaschiert." Ich erkannte an ihrem Gesichtsausdruck, dass sie nicht log. „Ja das Make-up welches ich benutzt hatte, war nicht wenig." bemerkte ich kleinlaut. „Ok es ist Zeit rein zu gehen. Na dann, ab in deinen Kampf." sagte Cory, während sie sich abschnallte und ausstiegt. Einen Kampf, von dem ich hoffte, nicht zu verlieren.
Nach der Schule
Dieses ganze Versteckspiel kostete mich mehr Kraft, als ich dachte. Ich hatte meine Pausen an Orten verbracht, wo keiner sonst war. Cory war stets an meiner Seite. Marie lief ich nicht einmal über den Weg. Kein Wunder, denn ich hatte mich wie eine Verbrecherin auf der Flucht gefühlt und verhalten. Aber auch Ezra begegnete ich nicht. Ich hatte nicht die Energie dazu, ihn zu beobachten. Und die Sicht von ihm würde mir keine Schmetterlinge mehr schaffen, sondern nur unendlichen Herzschmerz. Den letzten Kurs für heute hatte ich leider nicht mit Cory gehabt. Auch war der Raum am anderen Ende der Schule gewesen. Mein einziger Weg hier raus war der Haupteingang und ich ahnte Böses.
Zum Glück wartete Cory auf dem Parkplatz auf mich und hatte eine gute Sicht auf den Haupteingang. Ich hatte sie darum gebeten mir zu schreiben falls mich unerwartete Gäste erwarteten. Ich dankte meiner Chemielehrerin innerlich dafür, dass sie die Stunde früher beendete als sonst. Ich hatte also 5 Minuten Vorsprung, um aus diesem Gebäude heile rauszukommen. Cory schrieb mir, dass so gut wie niemand da war, sondern nur verstreut ein paar Juniors. Auch ein Danke an die Lehrer, die pünktlich oder später Schluss machten.
Ich eilte wie ein Verbrecher auf der Flucht erneut durch die Schule. Es war nicht mehr weit und dann hätte ich diesen Tag überstanden, ohne Menschen zu begegnen die ich nicht sehen wollte. Ich lief mit schnellen Schritten zur Tür und blickte immer wieder auf mein Handy. Cory schrieb nichts. Das bedeutete Gutes. Noch ein paar Meter, dann würde ich diesen Tag überstanden haben. Als ich die Türklinke des Haupteingangs runterdrücken wollte, hielt mich jemand auf. „Bella warte, wir müssen reden." ertönte die Stimme, der ich schon den ganzen Tag aus dem Weg ging.
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Lend me your heart
Teen FictionJemanden zu lieben, der einem nicht zurückliebt, ist wahrscheinlich der größte Schmerz, den man je erfahren kann. Wahrscheinlich tut es mehr weh, wenn diese Person dich nicht mal kannte. Sie verliert ihr Herz an jemand, der sie nicht kennt. Ihre An...