Kapitel 30

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Unser Ziel war ein Hotel mitten im Nirgendwo. Wenn ich nirgendwo sage, dann meine ich nirgendwo. Hier war nichts, absolut nichts. Ab und an ein Baum, aber ansonsten gähnende Leere. Das hatte etwas Gruseliges. Noch absurder wurde es dadurch, dass das Hotel wunderschön und hochmodern war. Eine große Hotelanlage, welche wie ein Paradies aussah. Für die Tatsache, wo es lag, passte das nicht zusammen.

Wir betraten gerade das Hotelzimmer und ich konnte nur hoffen, dass mir endlich gesagt wurde, was los war. Ich wollte klare Antworten und wissen, was Sache war.

Als die Tür hinter uns zu fiel, konnte ich es nicht mehr halten. "Silas, was ist los?" Als ich diese Frage stellte, wurde mir mulmig zumute. Es gab so viele unterschiedliche Möglichkeiten. Und ich wünschte mir sehr, dass Luke nichts damit zu tun hatte.

Silas seufzte und ging hinüber zu einem der großen Fenster. Wollte er jetzt den nachdenklichen und verträumten Mann spielen? Es sah danach aus, wenn er aus dem Fenster sah. Wobei man diesen Gesichtsausdruck nicht sonderbar verträumt nennen konnte.

Ich blieb am selben Fleck stehen und wartete auf eine Antwort. Eine Antwort, die nicht kam. Warum machte er es mir so schwer? Silas sollte mir nur sagen, wer uns angegriffen hatte. Mehr verlangte ich im Moment nicht.

Ich seufzte und sah im Zimmer die Runde. Es war ein normales Hotelzimmer. Ein großes Doppelbett mit jeweils einem Nachtkästchen daneben. Ein Kleiderschrank und ein kleiner Tisch mit zwei Stühlen. Es war eher ein kleines Zimmer, aber hatte alles was man brauchte. Ein Badezimmer war natürlich auch dabei, aber das würde ich mir erst später ansehen.

Ich verschränkte meine Arme und fragte fordernd: "Wer hat uns angegriffen?" In meiner Stimme ließ ich genauso erkennen, dass ich genervt war. Vielleicht brachte ihn das zu einer Antwort.

Kurz wartete ich, bis mir der Geduldsfaden riss. Das konnte nicht sein verdammter Ernst sein.

Ich ging zu ihm hinüber und stellte mich neben ihn. Meine Arme waren weiterhin verschränkt und ich sah auf zu ihm. Sein Gesichtsausdruck war zu meiner Überraschung neutral. Eigentlich hätte ich eher mit eiskalt, ernst oder wütend gerechnet. Aber nein, dem war nicht so. Mein Blick wurde nicht erwidert, denn er sah stur aus dem Fenster.

Ich legte eine meiner Hände auf seinen Oberarm und drückte leicht zu. Vielleicht bekam ich damit seine Aufmerksamkeit. Den Versuch war es mir wert. "Silas, rede mit mir." Ich sagte es eindringlich, bei Glück bekam ich endlich eine Antwort.

Leise sagte er: "Die Antwort wird dir nicht gefallen." Ich könnte ihn erschlagen. Nur, weil mir eine Antwort nicht gefallen würde, konnte man doch nicht einfach den Mund halten. "Na und? Sagen kannst du es mir trotzdem. Vor allem, wenn ich danach frage und es wissen will."

Außerdem konnte ich es mir selbst denken. Wenn mir die Antwort nicht gefallen würde, dann ging es sicher um Luke. Etwas anderes konnte es nicht sein.

"Meine russischen Freunde." Das Wort Freunde sagte er mit einem gewissen Unterton. Offensichtlich waren sie keine Freunde und es hätte mich auch gewundert, wenn Silas Freunde gehabt hätte. Das mit Ryder schockierte mich schon genug.

Moment. Russische Freunde? Also hatte es doch nichts mit meinem Bruder zu tun. Aber was dann?

Ein kleines Wunder passierte, denn Silas fuhr von sich aus fort: "Mir wurde sehr deutlich gemacht, dass sie dich haben wollen. Du kennst mich, darauf zeige ich ausgesprochen negative Reaktionen." Vermutlich hieß das, dass er sie alle umgebracht hatte. Zumindest war das meine Vorstellung.

Damit er weiter sprach, blieb ich still und wartete es ab. "Den Boten der Gruppe ließ ich selbstverständlich überleben, immerhin muss er seinem Boss etwas ausrichten. Aber der Bote hatte genauso eine Nachricht für mich."

Silas machte eine Pause und damit machte er mich wahnsinnig. Im Grunde war das Folter. Ich wollte alle Informationen auf einmal und nicht nur mit Abstand.

"Hinter deinem Vater sind sie genauso her." Das überraschte mich nicht wirklich. Die Mafiakreise waren untereinander nur sehr selten befreundet. Das Silas und mein Dad dieselben Feinde hatten, war kein Wunder.

Was dachte er, dass mir daran sehr missfallen würde? Das andere Leute hinter mir her wären, da ich mit Silas verheiratet war, war mir klar. Das war nichts Neues.

Das Silas die Leute ermordet hatte, war auch zu erwarten gewesen. Vor allem, wenn es um mich ging. Auf solche Drohungen reagierte er allergisch.

Das mit meinem Vater war im Grunde nicht mein Problem. Der Mann hatte nie etwas für mich über gehabt und hasste mich. Warum sollte ich mich um seine Gesundheit sorgen? Schon mal davon angesehen, dass Silas ihn gefangen hielt.

Silas erwiderte jetzt meinen Blick und meinte: "Und der Urlaub muss verschoben werden." Das war jetzt nicht sein Ernst. Der Urlaub war gerade das unwichtigste. Wenn wir in Gefahr waren, konnte man auch keinen Urlaub machen oder diesen genießen.

Ich zog meine Augenbrauen zusammen und fragte: "Was daran sollte jetzt derart negativ sein, dass du es mir nicht sofort sagen wolltest? Klar, gute Nachrichten sind etwas anderes, aber das war alles keine Überraschung. Mein Mann ist ein Mafiaboss. Theoretisch könnte man das als Alltag bezeichnen."

Ich sah ihm an, dass er überlegte etwas zu sagen. Bevor er sich für Schweigen entschied, sagte ich: "Raus damit und das jetzt."

"Ich denke noch darüber nach und es steht nicht fest. Aber mit hoher Wahrscheinlichkeit opfere ich deinen Vater für dich." Es wäre auch beleidigend gewesen, wenn er mich statt ihm opfern würde. Meinen Vater wäre es genauso egal, wenn ich tot wäre. Also würde ich keine großartigen Kämpfe für sein Überleben starten.

Ich fühlte das es etwas weiteres gab, weshalb ich ihn fragend ansah. Die Frage dürfte er verstehen. "Wenn sie hinter dir und deinem Vater her sind..." Er sah mich vielsagend an.

Kurz dauerte es, bis mein Hirn den Satz richtig beenden konnte. Das möge man mir verzeihen, bei dem ganzen Mafiazeug war ich kein Profi.

Mein Bruder und meine Mum...

My unwanted husband 2 | ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt