Kapitel 71

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"Silas, wie schön dich zu sehen." Die Stimme war mir viel zu vertraut und mein Herz zog sich zusammen. Es fühlte sich an als hätte ich ihn eine Ewigkeit nicht gesehen, was teilweise der Wahrheit entsprach.

Silas Antwort kühl: "Ich würde es gerne zurückgeben, aber es wäre eine Lüge." Mein Mann war ehrlich, wie man ihn kannte.

Ein abfälliges Lachen war zu hören und so kannte ich Luke eigentlich nicht. Ich wagte einen Blick hinter Silas hervor und es wurde mir bestätigt. Er hatte sich verändert und sah sehr ernst aus. Seine Augen hatten nichts Liebevolles in sich und diese eiskalte Maske hatte er früher nie auf. Vielleicht geschäftlich sehr wohl, aber nie in meiner Nähe.

Daran konnte man gut erkennen, wie sehr sich die Dinge geändert hatten. Meinen Bruder konnte man kaum wiedererkennen.

Natürlich schob Silas mich sofort wieder hinter sich. Ich konnte ihn verstehen, aber mich musste man auch verstehen. Luke war mein Bruder und mein Bedürfnis ihn anzusehen war nachvollziehbar.

Luke sagte belustigt, aber auf keine freundliche Art: "Ich habe etwas, das du haben möchtest und du hast etwas, das ich haben möchte."

Warum hatte ich das Gefühl, dass er mich meinte?

Genau, weil er sicherlich mich meinte. Er hatte oft genug bekannt gegeben, dass er seine Schwester wiederhaben wollte und ich war diese besagte Frau.

Silas antwortete gelassen: "Du kannst nichts haben, dass mir wichtiger ist als meine Frau."

Wenn die Lage nicht ungünstig wäre, würde ich mich über diese Worte freuen.

"Das werden wir ja sehen." Luke klang siegessicher, was mir eine Gänsehaut aufzog. Es war offensichtlich, dass es für uns schlechte Nachrichten gab.

Mein Bruder fuhr fort: "Ich habe deine geliebte Schwester. Es wäre ein fairer Tausch, wenn ich meine zurückbekomme."

Silas spannte sich an und mir blieb das Herz stehen.

Hatte er ernsthaft Lena? Wie konnte das sein?

Zuhause waren wir stets sicher. Dort konnte niemand einbrechen. Es war ein Hochsicherheitstrakt. Außerdem war man lebensmüde, wenn man das versuchte.

Der nächste Punkt war, dass man uns informiert hätte, wenn jemand unser Grundstück betreten würde.

Luke war so frei und erzählte es uns: "Deine Schwester war dumm genug und war alleine unterwegs. Es war ein Kinderspiel sie zu schnappen."

Mein Herz fing zu rasen an. Eigentlich traute ich es Luke nicht zu, dass er ihr weh tat. Aber man musste bedenken, dass sie Feinde waren und der Mann der vor uns stand, war ein anderer als den, welchen ich kannte. Mit dem ich aufgewachsen war und meine Kindheit geteilt hatte.

Ich konnte es nicht halten und sagte: "Wage es ja nicht Lena wehzutun. Sie hat nichts damit zu tun."

Das war die pure Wahrheit. Sie konnte als letztes etwas für all die Dinge, die passiert waren, weshalb ich bei Silas gelandet war.

Silas sagte mahnend: "Ivy." Mir war selbst klar gewesen, dass er wollte, dass ich meinen Mund hielt. Aber manchmal konnte man es nicht zurückhalten.

Noch weniger, wenn es um Lena ging. Mich quälten tausend Sorgen um sie.

Silas meinte: "Ich habe keinen Beweis, dass du wirklich meine Schwester hast." Ja, da hatte er ein gutes Argument. Es könnte genauso gut ein Trick sein, um mich zu bekommen.

Luke zögerte nicht bei einer Antwort. "Dann rufen wir sie doch an."

Einen Moment war es still und ich ging davon aus, dass Luke sein Handy in die Hand nahm.

Die beiden Gorillas und Alejandro waren hinter uns. Eigentlich war es gewagt von meinem Bruder hier aufzutauchen. Vermutlich hatte er genauso irgendwo seine Männer, die das Ganze beobachteten. Irgendeine Schutzvorkehrung hatte er sicher getroffen.

Es war das Tuten zu hören, wenn man jemanden anrief. Kurz darauf fragte jemand: "Ja, Boss?"

Irgendwie war es seltsam, wenn jemand Luke seinen Boss nannte. Früher kannte ich das nur bei meinem Vater. Dabei war es schon immer geplant gewesen, dass mein Bruder das übernahm.

"Schalte auf Lautsprecher und bring sie zum Reden." Diese bedrohliche Stimme konnte sogar mir Angst machen. Obwohl dieser Mann eigentlich mein Bruder war.

Mein Herz setzte einen Schlag aus als ich ihre vertraute Stimme hörte: "Arschloch, fass mich nicht an." Sie klang bissig, aber nicht ängstlich oder verzweifelt. Lena war tapfer, das musste man ihr lassen.

Ich bekam Tränen in meinen Augen und musste mich zusammenreißen. Sie hatten wirklich Lena.

Wie traurig war das bitte? Ich hatte Angst, wenn mein eigener Bruder jemanden hatte, den ich liebte. Ich traute es ihm zu, dass er ihr etwas antat.

Was war nur alles passiert?

Es war alles derart aus dem Ruder gelaufen. Mein Kopf hielt das nicht aus, dennoch war es die Realität.

Luke fragte: "Ist dir das Beweis genug?"

Silas sagte kein Wort und ich war sowieso zu nichts fähig. Mein Schwangerschaftshirn machte das nicht mit.

Mein Bruder fuhr fort: "Deine Schwester gegen meine Schwester. Ansonsten siehst du die deine nie wieder." Seiner Tonlage entnahm man, wie ernst ihm das war.

Lena war noch am Telefon und sagte unfassbar wütend: "Silas! Tausche mich gegen deine schwangere Frau ein und ich bring dich um!"

Richtig darüber nachdenken konnte ich nicht, da Luke außer sich rief: "Ivy ist schwanger?! Du hast meine Schwester vergewaltigt?!"

Dem Geräusch nach fiel das Handy zu Boden und die nächsten Schritte gingen sehr schnell.

Silas drängte mich ein paar Schritte zurück und Alejandro stellte sich vor uns mit seiner Waffe auf Luke gerichtet. Das Klicken, wenn jemand eine Waffe entsicherte, war zweimal zu hören. Also hatte auch Luke eine Pistole gezogen.

In einem ruhigen Ton antwortete Silas: "Ich habe deine Schwester nie vergewaltigt und behandle sie gut. Sie will nicht mal zu dir zurück, sofern du Mordgedanken gegen mich hegst."

Ich tickte vollkommen aus, das war nicht mehr zu halten. "Tue meiner Familie weh und ich bin es höchstpersönlich, die dich umbringt, Luke!"

Diese Worte waren so gemeint und die Angst nagte an mir. Ich traute ihm gerade alles zu.

Kurz war Ruhe und die war sehr unangenehm.

Schließlich fragte Luke: "Deine Familie? Wir sind deine Familie und nicht diese Monster."

Es reichte, weshalb ich Silas beiseite schieben wollte, aber selbstverständlich bekam ich das nicht hin. Ich durfte weiterhin seinen Rücken anstarren, obwohl ich ein Gespräch führte.

"Luke, man kann auch eine große Familie haben, aber wenn du Menschen weh tust, die ich liebe. Dann kann ich dich nicht mehr zu meiner Familie zählen."

Etwas lauter fuhr ich fort: "Sieh endlich ein, dass es mir bei Silas gut geht und er mein Mann ist! Ich liebe ihn und dabei bleibt es!"

"Diesen Mann kann man nicht lieben. Du wirst gezwungen das zu behaupten und ich verspreche dir, dass ich dich retten werde."

Wie realitätsfern war er? Langsam sollte er kapieren, dass ich glücklich war. Noch mehr sollte er erkennen, dass ich die Wahrheit sagte. Luke kannte mich und das sehr gut. Es sollte ihm glasklar sein, dass ich nicht log. Scheinbar war er von seiner Wut geblendet.

Luke meinte kalt: "Silas, ich gebe dir 24 Stunden Zeit darüber nachzudenken. Überleg dir gut für wen du dich entscheidest. Du kannst dir denken, wen ich gut und wen ich schlecht behandeln werde."

My unwanted husband 2 | ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt