chapter 73

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P.o.V. Andreas

"Er ist seit einer Woche negativ! Er hat keine Symptome mehr, sondern ist nur noch angeschlagen! Jetzt lassen Sie ihn verdammt nochmal da raus!". Aufgebracht schlug ich auf die Arbeitsplatte unserer Küche. "Ich diskutiere da gar nicht mit Ihnen! Ist er negativ?!". "Ja, aber-". "Geht es ihm gut?!". "Ja schon, allerdi-". "Nix aber! Ich komme ihn um 12 Uhr abholen. Machen Sie ihn bereit und geben Sie ihm Medikamente für seine Lunge mit!". Schnaufend wartete ich auf die Antwort. "Sie können zu um 12 Uhr kommen und wir schauen dann.". "Wir werden ja sehen, wer hier schauen wird.". Ich legte auf und schmiss mein Handy auf den Esstisch. "Sowas inkompetentes!". "Hey Schatz, komm mal wieder runter.". Liebevoll strich Steffi mir durchs Haar und anschließend über die Wange. "Ich will doch auch, dass er endlich nach Hause kommen kann aber du musst nicht das arme Personal anbrüllen.".

Leicht schüttelte ich den Kopf. "Du verstehst das nicht Steffi. Er hat nur noch die Nachwirkungen von der Erkrankung, bisschen mit der Atmung und so. Ansonsten geht es ihm gut. Dieses Krankenhauszimmer bringt ihn doch um.". Verzweifelt strich ich mir durchs Gesicht. Ich hatte meinen 43. Geburtstag vor wenigen Tagen ohne ihn feiern müssen, was nicht nur Chris sondern auch mir schwer im Magen lag. "Ich will nicht, dass er wieder so tief abrutscht Schatz.". Besorgt legte sie ihre Arme um meinen Hals und sah mich an. "Andy", flüsterte sie liebevoll. "Chris ist diesmal nicht alleine, er weiß, dass du und Manuel auf ihn warten-". "Und trotzdem muss er da alleine im Zimmer hocken und sich Gedanken machen.". Schwer atmend schloss ich die Augen und versuchte ein wenig zur Ruhe zu kommen. "Ihr wisst alle nicht, wie er damals drauf war.". "Dann sprich doch mit mir.".

Ich sah sie an. "Er war verzweifelt. Er dachte, er sei der Einzige in seiner kleinen Welt und dass niemand mehr da war, um ihn zu retten. Es gab nur noch ihn, die Arbeit und die Angst.". Ich spürte die ersten Tränen aufsteigen und musste kurz durchatmen. "Als er da saß-", schluchzend schüttelte ich den Kopf. "Ist gut.". Meine Frau nahm mich augenblicklich in den Arm und drückte mich fest an sich. "Ganz langsam Honey", flüsterte sie und strich liebevoll über meinen Hinterkopf. "Er war komplett am Ende, ich will das einfach nicht noch einmal erleben.". "Dann geh fix hoch dich umziehen und dann fahren wir.". Dankbar sah ich sie an. "Und wir gehen da nicht raus, ehe sie ihn uns nich mitgeben.". "Ich liebe dich Steffi, danke sehr", murmelte ich und gab ihr einen liebevollen Kuss. Eilig lief ich nach oben ins Schlafzimmer und zog mich um.

"Wir können los!". Ich zog meine Winterschuhe an und legte mir den Mantel um. "Bist du soweit?". Mit den Autoschlüsseln in der Hand kam Steffi mir entgegen. "Los geht's.". Gemeinsam fuhren wir ins Krankenhaus und gingen zur Rezeption. "Ich hatte mich angemeldet für Christian Josting.". Der junge Mann sah auf seinen Bildschirm. "Einmal bitte a-". "Auf Station 4 und dort melden, ich weiß.". Ungeduldig griff ich die Hand meiner Frau und ging mit ihr zur Station. "Guten Tag, Christian Josting bitte.". Die Schwester am Tresen sah mich perplex an. "Herr Reinelt, richtig?". Ich nickte. "Ihr Bruder befindet sich gerade in der Untersuchung, danach können wir sagen, ob er mit Ihnen nach Hause darf.". Die Wut in meinem Inneren bahnte sich wieder auf, allerdings nickte Steffi der Dame zu und zog mich bestimmt zum Wartebereich. "Ich weiß, dass du ungeduldig bist aber bitte Andy. Ganz ruhig.". Ergeben nickte ich und sah mich nervös um.

Nach knapp fünfzehn Minuten hörte ich eine bekannte Stimme, Frau Doktor Hagen. Augenblicklich sah ich auf und zu dem Zimmer. Sie kam raus, gefolgt von einem jungen brünetten Mann. Unsere Blicke trafen sich. "Chris", hauchte ich und dann hielt mich nichts mehr. Ich ließ Steffis Hand los und lief ihm entgegen. Seine Augen begannen zu leuchten, als er mich erkannte und sich sofort in meine geöffneten Arme warf. "Andy", murmelte er nur und presste sich förmlich an mich. Ich nahm gar nichts mehr um mich herum war und legte meine Arme noch einmal fester um ihn. Schweigend hielten wir uns, gaben uns Halt und lediglich das leise Schluchzen meines kleinen Bruders vernahm ich. "Ich hab dich so vermisst Chrissy", hauchte ich an sein Ohr und strich für einen Moment durch sein verwuscheltes Haar. "Ich dich auch", brachte er leise hervor und vergrub seinen Kopf ein wenig weiter an meinem Hals.

Leicht sah ich auf zu seiner Ärztin, die sich nun mit Steffi unterhielt. Beide Frauen sahen uns zu, lächelnd. Ich fing den Blick von Frau Hagen auf, die mir sachte zunickte. "Du kommst wieder mit nach Hause", flüsterte ich zu Chris, der sich augenblicklich ein wenig von mir löste und mich ansah. "Wirklich?". Er drehte sich zu den beiden Frauen um. "Sie dürfen heim, aber bitte noch nicht übertreiben und ganz viel liegen und ausruhen.". "Das bekommen wir schon hin hm", meinte ich lächelnd und beobachtete Chris. Seine rehbraunen Augen strahlten und seine zuvor eingefallenen, fahlen Gesichtszüge wirkten wieder belebt. "Lass uns deine Sachen holen und dann wartet da noch jemand auf dich.". Lächelnd sah Chris mich an und fiel mich gleich darauf erneut in den Arm. "Danke Andy, einfach danke", hörte ich ihn leise an mein Ohr flüstern. "Alles für dich, Chris. Alles.".

Straight Against The Feelings - Of Suffering and Joy [Part Two]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt