chapter 116

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P. o. V. Chris

"Na komm mit rein. Steffi hat Abendbrot vorbereitet.". Seelenruhig legte mein Bruder seinen Arm um mich und begleitete mich in die Küche. "Versuchst du für mich ruhig zu bleiben?". Schmunzelnd registrierte ich, dass er ertappt grinste. "Ich versuchs für dich, ja. Papa war damals völlig nervös am Abend vorher und hat mich damit kirre gemacht. Ich möchte für dich da sein und dich nicht unnötig fertig machen.". Ich lächelte etwas und setzte mich an den Esstisch. "Danke dir. Ich würde ja am liebsten auch durchdrehen. Letztes Jahr hatte ich keine Zeit, um mir Gedanken zu machen aber diesmal-". Seufzend brach ich ab und legte den Kopf auf dem Tisch ab. "Was wenn er Nein sagt?". "Christian.". Der scharfe Unterton in der Stimme meiner Schwägerin erinnerte mich zutiefst an meine Mom. "Ja Stefanie?". Frech grinste ich sie an und seufzte. "Wir hatten so viel Stress in diesem Jahr, ich meins ernst.". "Ich auch. Er liebt dich, los erzähls ihm Andy.".

Mein großer Bruder stand an der Spüle und trank etwas, uns im Auge behaltend. "Ich hab ihn dabei erwischt, wie er in der Halle seine Rede geprobt hat. Dieser Mann liebt dich wie keinen anderen, vertrau uns. Morgen wird keiner Nein sagen und wenn, bringe ich ihn persönlich aus dieser Kirche.". Sein Blick blieb todernst und erst als Steffi ihm die Wange streichelte, formte sich ein leichtes Lächeln auf seinen Lippen. "Wir wuppen das schon morgen.". "Apropos-". Ich spielte nervös an meinem Ehering herum und sah zu den Beiden vor mir. "Wer bringt mich eigentlich in die Kirche? Ich- meine, also wir sind zwar nicht Mann und Frau aber-". Tief atmete ich durch und sah auf meine Hände. "Papa ist ja nicht da, also-". Ich spürte den zaghaften Griff zweier Hände an meinen Schultern. "Ich weiß, dass ich Papa nie ersetzen kann und das will ich auch nicht", flüsterte er mit belegter Stimme und fuhr leise fort: "Aber es wäre mir eine Ehre dich zu Manu begleiten zu dürfen.". Ehrfürchtig sah ich zu meinem Bruder auf. "Du würdest- wirklich?". Er nickte und lächelte mich ehrlich an. "Du bist mein kleiner Bruder, sehr gerne.".

Augenblicklich stand ich auf und umarmte ihn fest. "Danke Andy, das bedeutet mir so viel. Danke.". Seine Arme legten sich fest um ihn und ich hörte ihn leise an meinem Ohr: "Ich bin so stolz auf dich Chris.". Nur langsam lösten wir uns. "Wir verbringen noch einen ruhigen Abend mit den Kids, Lotta möchte unbedingt einen Film noch schauen. Wir fangen etwas früher an, damit wir alle pünktlich schlafen gehen können.". Steffi stimmte ihm gleich zu. "Und morgen früh gibt es noch ein großes Frühstück zur Stärkung. Vertrau mir, auch wenn dir brechend übel sein sollte, iss etwas.". Ich nickte und atmete tief durch. "Gott, bin ich aufgeregt.". Um mich abzulenken, half ich Steffi und Andreas bei den letzten Vorbereitungen fürs Abendessen und auch noch bei zwei Salaten für die Feier am morgigen Tag. Wir hatten zwar Buffet bestellt, allerdings liebten sowohl Manu als auch ich Steffis Salate. Wir hatten eine bunte Mischung, sodass für jeden etwas dabei sein wird. "Wie sieht das eigentlich mit Tischen und Stühlen aus morgen?". Ich sah hinaus in den Garten, wo bis dato noch keine Vorbereitungen getroffen waren. "Ach, das machen die Jungs während wir in der Kirche sind.". Die Blicke von Andy und seiner Frau trafen sich für einen Moment und ließen mich innehalten. "Was wisst ihr, was ich nicht weiß?". "Alles gut Chris. Du kennst uns, wir haben da lediglich die ein oder andere Überraschung vorbereitet.". Lächelnd strich er mir kurz über den Arm und ging seinen Vorbereitungen weiter nach.

Erst kurz nach 22 Uhr hatte ich nun die Möglichkeit mich ins Bett fallen zu lassen. Mich kribbelte es in den Fingern Manu noch einmal anzurufen nach seiner Nachricht und ich konnte nicht verhindern auf seinen Kontakt zu gehen. "Ach scheiß drauf", murmelte ich und wählte seine Nummer. "Hey, auch noch wach?". Lachend rutschte ich ans Bettende und schloß für einen Moment die Augen. "Ich bin gerade erst hoch ins Gästezimmer und wollte einfach noch kurz mal deine Stimme hören, bevor ich schlafen gehe.". "Mach mal Video an.". Ich nahm das Handy vom Ohr und kam seinem Wunsch sofort nach. "Na Schönheit.". Verlegen hielt ich mir die Hand vors Gesicht und lachte. "Manuel!". "Ich sag nur die Wahrheit.". Mit einem Mal stiegen mir Tränen in die Augen und ich strich mir mit dem Ärmel einmal drüber. "Schatz, ist alles gut?". Ich hörte das Rascheln seiner Bettdecke und wie er sich aufsetzte. "Soll ich Andy anrufen, brauchst du etwas?". Ich konnte nur den Kopf schütteln und sah in die Kamera, in das besorgte Gesicht meines Mannes. "Babe, was hast du?". "I-ich- es tut mir so leid. Es überkommt mich gerade alles. Die- Erinnerungen der letzten Jahre, deine Liebe und- es ist einfach alles.".

Überwältigt schloss ich die Augen. "Die Gefühle blühen gerade alle wieder auf Manu. Ich würde gerade einfach gerne in deine Arme.". "Morgen Mittag.". Sanft erklang seine Stimme und doch hörte ich auch bei ihm die Freudentränen heraus. "Ich liebe dich Chris. Ich kanns gar nicht beschreiben wie sehr. Du bist mein Ein und Alles.". Unsere Blicke trafen sich durch den Bildschirm hindurch und ich hörte förmlich das Knistern zwischen uns. "Das hab ich heute Abend nochmal gebraucht", gab ich leise zu. "Und ich auch. Ich freu mich dich nochmal gesehen zu haben und bin so gespannt, wie du morgen aussiehst.". "Oh ja, ich bin so gespannt auf Dich. Wie dieses Gefühl wohl sein wird- Die Türen gehen auf, du stehst am Altar in einem unglaublich schönen Anzug-". "Wow", hauchte er leise und konnte nicht verhindern aufzuschluchzen.

"Ich liebe dich Christian, ich zähle die Stunden.". Er schickte mir einen Handkuss und lächelte sanft. "Ich liebe dich auch Manuel, ich kanns kaum erwarten.". Ich erwiderte seine Geste und winkte noch bevor wir auflegten. Ich ging noch kurz ins Bad, kämmte meine Haare und putzte Zähne. Erschöpft schmiss ich mich wieder ins Bett und zog die Decke hoch. "Dann wollen wir mal probieren zu schlafen", murmelte ich und drehte mich gerade zur Seite, als es leise klopfte. "Ja?". Die Tür öffnete sich einen spaltbreit und Andreas schaute hinein. "Kann ich kurz rein, oder möchtest du schlafen?". "Komm ruhig rein.". Ich knipste die kleine Nachttischlampe an und setzte mich auf. "Was gibt's Andy?". Er setzte sich neben mich aufs Bett und nahm sachte meine Hand.

"Ich wollte dir nur kurz etwas mitgeben, für morgen.". Sein Blick traf meinen. "Papa hat mir damals einige Worte mit auf den Weg gegeben und auch wenn ich sie nicht mehr- Wort für Wort weiß, will ich sie dir nicht vorenthalten.". Ich nickte leicht und schluckte. Auch Andreas musste einmal schlucken und sich sammeln. "Eine Ehe bedeutet- sich einander zu lieben, sich zu ehren und sich gegenseitig immer wieder auf die Beine zu helfen. Es wird nicht immer alles perfekt sein, auch ein Streit ist normal und aus jedem Streit geht man stärker hinaus.". Zaghaft ließ er meine Hände wieder los und griff in die Tasche seines Hoodies. "Das ist etwas, was Papa mir den Abend zuvor geschenkt hat und er sagte mir, dass er dir gehören sollte sobald du die wahre Liebe gefunden hast. Er ist stolz auf dich Chris und er wird immer bei dir sein, genau wie ich. Du hast dich so positiv entwickelt, bist über dich hinaus gewachsen und hast gelernt zu dir zu stehen.". Er öffnete sanft meine Hand und legte einen kleinen kühlen Gegenstand hinein. "Die ganze Familie steht immer hinter dir und vor allem hinter euch beiden.". Ich sah auf meine Hand und blickte auf eine kleine Brosche. Silbern, poliert und mit einer wunderschönen goldnen Sonne. "Sie ist seit mehreren Generationen in unserer Familie und ich bin mehr als glücklich, dass sie nun dir gehört.". Ich legte sie ehrfürchtig auf meinen Nachttisch und umarmte Andreas fest. "Danke, es ist unglaublich-". Ich drückte ihn eng an mich und flüsterte: "Ohne dich wäre ich längst untergegangen, du hast mich so oft wieder auf die Beine geholt und mich unterstützt. Ich lieb' dich so Andy, das glaubst du mir gar nicht.". Sein Druck verstärkte sich erneut und ich hörte nur noch sein leises Murmeln. "Ich dich auch Chris. Egal, was alles passiert, Du bist und bleibst mein kleiner Bruder und ich tue alles für dich. Immer.".

Straight Against The Feelings - Of Suffering and Joy [Part Two]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt