chapter 91

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Am späten Abend öffnete ich die Tür zu unserem behaglichen Iglu-ähnlichen Häuschen. "Nehmen wir gleich noch ein Bad zum Aufwärmen?". Lächelnd nickte ich. "Dann geh ich schonmal rüber und bereite alles vor.". "Danke dir", murmelte ich und gab ihm einen Kuss. Mit unseren Handtüchern ging er hinüber ins zweite Häuschen, ließ mich alleine zurück. Lächelnd seufzte ich auf und trat an das große Fenster heran. Meinen Blick ließ ich über die weite Landschaft schweifen und verfiel dabei in die Erinnerungen an den heutigen Tag.

"Manu!". Lachend duckte ich mich weg und fand mich keine Sekunde später in seinen Armen wieder. "Manu nicht!". Lachend warf er sich mit mir im Arm in den kalten Schnee. Quiekend sprang ich auf und lachte. "Manuel!". "Christian", lachte er zurück und klopfte sich den Schnee vom Mantel. "Na warte nur ab", murmelte ich und griff zwei Hände voll Schnee. "Christian, vergiss es.". Grinsend ging ich auf meinen Mann zu, dann schneller und letztlich warf ich mich auf ihn und verpasste ihm die Portion Schnee. "Das hast du davon!". Ruckartig zog er mich in seine Arme und lachte glücklich. "Quitt?", raunte er grinsend an meine Lippen. "Hmm.". Lächelnd vereinte ich unsere Lippen und hauchte: "Quitt.".

Ich ging zu unserem Bett und öffnete den Nachtschrank. Mein kleines schwarzes Notizbuch, welches ich spontan noch eingepackt hatte, lag dort und ließ augenblicklich eine Gänsehaut über meinen Körper ziehen. Ich nahm es und setzte mich aufs Bett. Den Stift, der ebenfalls noch da lag, nahm ich dazu und schlug langsam das Buch auf. Es waren Seiten über Seiten mit kleineren Texten, mit Erinnerungen und Ideen und seit wenigen Wochen wuchs in diesem Heft die Grundlage für die wohl schwerste Rede meines Lebens:
Meinem Ehegelübde.

Manuel und ich wurden beide evangelisch erzogen, allerdings nicht wirklich streng oder besonders intensiv. Der Glaube war bei uns eher ein kleinerer Teil im Leben, auch wenn ich mich seit Beginn der Pandemie immer mal erwischte, wie ich in Gedanken Gespräche führte, um Hilfe bat oder um Rat. Auch dies war ein Grund für uns zu sagen, dass wir eine kirchliche Trauung wollten. Das Ehegelübde sollte daher ganz besonders werden, die innersten Gedanken und Emotionen auffangen, die mir ausgesprochen schwerfielen aufzuschreiben. Seufzend schlug ich meine aktuelle Seite auf und musste augenblicklich wieder lächeln.

"Manuel. Mein bester Freund, mein Retter, mein Partner und mein Mann. Aber am meisten bist du, Manuel, der Mann, der mir nach schier endloser Suche zeigen konnte, was es bedeutet jemanden bedingungslos zu lieben. Du hast mir gezeigt, wie wichtig ein Seelenverwandter sein kann. Jemand, der auf mich aufpasst und mir aufhilft, falls ich falle."

Leichte Gänsehaut zierte meine Arme und ich musste mich beherrschen bei den aufkommenden Gefühlen nicht erneut in Tränen auszubrechen. Diese Hochzeit würde mir alles abverlangen und vermutlich würde es mir so ergehen, wie mein großer Bruder es vor wenigen Tagen noch ausgesprochen hatte: "Chris, du wirst morgens aufstehen in dem Wissen diesen Mann zu heiraten. Und du wirst ins Bett gehen, nach einem tränenreichen Tag, mit dem Wissen, dass ihr Zwei nun für immer einander versprochen seid. Lass an diesem Tag alle Emotionen zu, zeige sie und schäme dich nicht deiner Tränen kleiner Bruder. Deine Familie ist bei dir und insbesondere dein 'Forever Home', dein Mann.". Ich musste lächeln und erwischte nun doch die kleine Träne auf meiner Wange.

Den Stift in der Hand, begann ich aufzuschreiben, was ich heute gefühlt und erlebt habe:
"Ich möchte mit Dir fremde Welten erkunden, fremde Kulturen und Landschaften. Die ganze Welt will ich bereisen mit Dir an meiner Seite, will in die tiefsten Dschungel Südafrikas, in die kältesten Regionen Kanadas, in die heißesten Wüsten Afrikas und zu den wunderschönsten Stränden in Australien. Ich brauche nur Dich an meiner Seite und weiß, dass alles gut ist. Entführ mich in deine Welt, wo es nur uns Beide gibt. Ich möchte Dich für immer an meiner Seite. Ich möchte dich küssen, wie an unserem ersten Tag. Ich möchte dich umarmen und nie wieder loslassen. Ich möchte nach Hause kommen und mich freuen, wenn du voller Vorfreude in meine Arme fällst. Ich-"

"Schatz?". Wie in Trance hob ich den Kopf und sah in diese wunderschönen blau-grauen Augen, die mich jedes Mal aufs Neue in eine andere Welt brachten. "Ich hab mir schon Sorgen gemacht, weil du nich zu mir gekommen bist honey. Was machst du da?". Langsam folgte ich seinem Blick auf mein Notizbuch und schloss es völlig perplex. "Ich war noch kurz beschäftigt, eine Idee für die Bühne. Entschuldige bitte.". Sanft ergiff ich seine Hand und stand auf. "Ich liebe es, wenn dich plötzlich die Kreativität überkommt", schmunzelte er und gab mir einen sanften Kuss. "Komm mit, das Wasser ist gerade noch schön heiß.". Hand in Hand gingen wir hinüber und in das kleine, gemütliche Sanitärhaus. Auch hier gab es eine atemberaubende Sicht über die Landschaft, die Fenster waren von außen verspiegelt, dass man sich auch hier drinnen wohlfühlen konnte. "Ein Wein?". Lächelnd drehte ich mich zu Manu, der eine Flasche meines Lieblingsweins hochhielt. "Sehr gerne.". Ich zog mir das Shirt über den Kopf und ging zu ihm. "Danke für diesen wunderschönen Tag", raunte ich liebevoll und versiegelte seine Lippen mit meinen.

Straight Against The Feelings - Of Suffering and Joy [Part Two]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt