chapter 93

177 15 2
                                    

"Das ist schon der dritte Anzug Caro", seufzte ich und betrachtete mich im Spiegel. Natürlich war die Auswahl nicht einfach und natürlich hatte ich an allen Anzügen etwas auszusetzen. Gerade zog ich einen hellgrauen Anzug über und ging aus der Umkleide zu meinem Bruder und unserer Beraterin. "Das sieht so bescheiden aus.". Ich stellte mich vor den großen Spiegel und drehte mich ein wenig. "Hüfte breiter als sie es so schon ist, Bauchspeck betont wie nichts gutes und-". Lachend unterbrach Andy mich. "Geh den nächsten anziehen Christian und hör auf so an dir zu zweifeln.". Schnaubend ging ich zurück und bekam noch mit, wie Andy Carolin noch einmal losschickte zum Suchen. "Du bist auch sehr- nun ja fordernd?". "Andy, du siehst doch selbst, dass diese Anzüge mir nicht stehen.". Ich zog den nächsten, einen dunkleren blauen Anzug an. "Mir stehen einfach keine Anzüge.". "Was willst du machen Chris? In Jogginghosen heiraten?".

Ich rollte die Augen und ging wieder in den Vorraum. "Und wieder einer, der aussieht wie Schlumpf.". Mein großer Bruder trat neben mich und legte seine Hand auf meine Schulter. "Was wenn Manu mich nich heiraten will, wenn er mich so sieht?". "Er hat dich doch schon geheiratet.". "Da hat er die Outfits auch ausgesucht Schlaumeier", erwiderte ich bissig. Sofort tat es mir leid und ich strich mir durchs Gesicht. "Sorry, das war nicht-". "Ist in Ordnung. Na komm, den nächsten.". Mit hängenden Schultern ging ich in die Garderobe, zog Hose und Jackett aus und wollte gerade das Hemd aufknöpfen, als ich meinen Klingelton vernahm. "Ich kann doch jetzt nich Mensch", murmelte ich und zog mein Handy hervor. "Fuck!". Aufgeregt riss ich den Vorhang auf, unbedacht dessen dass ich halbnackt war. "Manu ruft an! Per Video, was mach ich denn jetzt?!". "Rangehen?". "Hier?! Halbnackt?!". "Kennt dich doch nich anders. Gib mal her.".

Andreas nahm mir das Handy ab und ging ran. "Hey Manuel, was gibt's?". "Eigentlich wollte ich meinen Mann sprechen und auch wenn du ihm sehr ähnlich siehst, du bist nicht Chris.". Schmunzelnd verfolgte ich das Gespräch und lehnte mich an die Garderobe. "Wir haben gerade ehm zu tun?". Er hob das Handy etwas höher und tippte drauf rum. Augenblicklich erklang Manus herzliches Lachen. "Schatz, warum bist du halbnackt?". Erschrocken riss ich die Augen auf und sah an mir hinab. "Wieso siehst du m- Andreas!". Ich nahm ihm mein Handy ab und drehte die Kamera wieder auf mich. "Ja hey. Sorry.". "Wieso bist du halbnackt? Mit Andreas, der angezogen ist?". Noch völlig überrumpelt sah ich zu Andy, der sich zu mir stellte. "Ich pass schon auf, dass ihm keiner was wegguckt, bleibt noch genug für dich übrig.". "Halts Maul Reinelt", raunte ich und sah ihn an. Amüsiert zog er die Augenbrauen hoch.

"Du sei mal lieber gleich still, sonst muss ich Manu erzählen, was sein Mann heimlich alleine macht.". "Was?". Wie aus einem Mund fragten Manu und ich und sahen uns gleichzeitig fragend an. "Wenn man im Büro pennt und morgens nicht an sich halten kann", erwiderte Andreas und sprang lachend weg als ich ihm eine geben wollte. "Andreas Reinelt!". "Schatz? Is das etwa wahr?". "Ich- also ich vermiss dich halt schon und-". Andreas unterbrach mich und raunte an mein Ohr: "Hmm Manu.". "Alter!". Ich schlug ihm auf die Brust und strich mir durchs Gesicht. "Hol mich ab Schatz, ich dreh durch mit dem. Zu viel Kaffee oder so gehabt.". Lachend schüttelte mein Mann den Kopf. "Sei es dir verziehen honey. Ich wollte eigentlich nur kurz deiner Stimme lauschen, wir machen gleich weiter. Rufst du heute abend nochmal an?". "Natürlich, passt dir 22 Uhr?". "Perfekt.". Für einen Moment lächelten wir uns einfach an. "So legt auf ihr Turteltauben, wir haben zu tun. Manuel, ich muss deinen Mann für die Hochzeit hübsch machen.". Schmunzelnd nahm Manu das zur Kenntnis. "Egal, was er trägt ich werde Ja sagen. Ich liebe dich Chris!". Ich erwiderte dies lächelnd und legte auf. "Du bist so peinlich!".

Lachend setzte Andreas sich wieder während ich in den nächsten Anzug schlüpfte. Dies zog sich noch ganze sechzig Minuten und mit jedem Anzug verzweifelte ich zunehmend. "Ich finde doch nie etwas!". Frustriert warf ich mein aktuelles Hemd über den Haken. "Chris, ich hab hier einen für dich. Schau mal.". Nur in Boxershorts öffnete ich den Vorhang, war es mir doch mittlerweile egal, dass Carolin mich so sah. "Hab den gerade ganz hinten gefunden, deine Größe und passt zu deiner Haar- und Augenfarbe. Probiers mal.". Ohne wirklich hinzusehen, nahm ich ihm den Anzug ab und zog mich um. Kaum dass ich ihn anhatte, ging ich hinaus zu Andy und Caro, die gespannt warteten. "Und? Die nächste Enttäuschung?".

Keiner sagte auch nur ein Wort. Leicht legte ich meinen Kopf schief. "So schlecht?". Andreas stand langsam auf und warf Caro einen vielsagenden Blick zu. "Schließ deine Augen Chris", flüsterte Andy. "Andreas, was ist-". "Vertrau mir.". Resigniert seufzend schloss ich die Augen und spürte seine Hände sogleich auf meinen Schultern. "Ein paar Schritt vorgehen", murmelte er und ich konnte seine belegte Stimme wahrnehmen. "Öffne deine Augen.". Vorsichtig öffnete ich meine Augen und blickte in den großen Spiegel vor mir. "Wow", hauchte ich und spürte die heißen Tränen in meine Augen steigen. Durch den Spiegel hindurch sah ich meinen Bruder leicht hinter mir stehen, den Blick auf mich gerichtet und mit feuchten Augen. Auch Caro trat zu uns heran. "Man müsste nicht einmal etwas ändern, er passt dir wie angegossen Christian. Was denkst du?". Leicht schüttelte ich den Kopf und musste mich fangen. "Ich glaube- ich glaube in dem Anzug will ich Manu heiraten.". Die ersten Tränen liefen als ich mich zu den Beiden umdrehte und ein glückliches Lächeln meine Lippen erreichte. "Ich fühl mich so unglaublich wohl", murmelte ich und fand mich augenblicklich in Andys Armen wieder. "Du siehst wunderschön aus Chris", hörte ich ihn an meinem Ohr und selbst die eine Träne, die er heute zuließ, blieb mir nicht unbemerkt.

Straight Against The Feelings - Of Suffering and Joy [Part Two]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt