Als mir auffiel, wie offensichtlich ich mich verhielt, senkte ich den Blick zu Boden und atmete kontrolliert ein und aus.
Wieso ausgerechnet Timba?!
Nur, weil er mich nicht beleidigte? Ich verstand mich nicht.
Echt nicht...
Als die Frau endlich weiter zu Karim wanderte, atmete ich erleichtert aus und hob wieder mein Gesicht.
Erschrocken zuckte ich zusammen, als mein Blick sich mit seinen dunkelgrünen Augen kreuzte.Marek schaute mich nachdenken an, dann, als hätte er etwas herausgefunden, begann er zu grinsen, sodass mich eine Gänsehaut befiel.
Hatte er etwa gesehen, wie ich Timba angeschmachtet hatte?! Gott, ich bin so peinlich!
Wieder musste ich meine Übelkeit herunter schlucken. Und, wenn er eins und eins zusammen zählte? Mich machte keine Frau an und ich starrte seinen Kumpel an, als wäre er ein Stück Schokolade.
Scheiße... Marek war zwar blöd, aber so dumm konnte nicht mal er sein.
Nein, er konnte es nicht wissen, durfte es einfach nicht.
Mein Leben wäre vorbei.Schnell unterbrach ich unseren Blickkontakt und nun konnte ich die Übelkeit nicht weiter herunter spielen. „Ches", nuschelte ich in seine Richtung. „Ich muss kotz'n". Chesters Augen weiteten sich und, nach einem sehnsüchtigen Blick in Richtung der Frau, packte er meinen Arm, um mich hinter sich her zu ziehen. Ich sah nichts mehr, konzentrierte mich einzig und allein darauf, nicht sofort hier und jetzt auf den Boden zu reiern.
Die Musik wurde wieder lauter, wir hatten wohl das Zimmer verlassen. Dann wurde sie wieder gedämpft, nachdem Chester eine Tür hinter uns schloss und, als ich die Toilette in der hinteren Ecke erblickte, war ich nicht mehr aufzuhalten.
Panisch rannte ich zur Schüssel und fast zeitgleich erbrach ich mich in einem Strahl. Ich würgte und kotzte, Tränen liefen mir über die Wangen und noch nie fühlte ich mich so scheiße. Keine Alkohol mehr, nie wieder!
Sanft strich mir mein bester Freund über den Rücken und drückte mir, nachdem ich alles losgeworden war, Toilettenpapier in die Hand, bevor er selbst Tücher nahm und mir über den Mund fuhr, als wäre ich ein Kleinkind. Zu erschöpft, um mich darüber aufzuregen, ließ ich mich einfach auf den Boden sinken und wartete, bis Ches fertig war, mich sauber zu machen. Meine Augen presste ich zusammen und fluchte leise vor mich hin.
Scheiße.„Geht's wieder?", fragte mich mein bester Freund und klopfte mir leicht auf die linke Schulter. Vorsichtig nickte ich. „Glaub schon. Danke". Es entstand eine kurze, seltsame Stille, in der ich dann meine Augen öffnete, um Chester wieder anzusehen. „Du kannst ruhig zurück gehen, Ches", sagte ich nun, da ich fühlte, wie er nervös mit den Fingern spielte. Er hatte das Gefühl, etwas zu verpassen und mir tat es leid, weil es meine Schuld war. Als Chester meine Blicke bemerkte, grinste er mich an, fuhr sich durch seine braunen Haare und erwiderte: „Bist du verrückt? Ich kann dich doch nicht alleine lassen, du Baby".
Ich wusste, er meinte es nicht böse, trotzdem brannte in mir ein Hass auf, kurz und heftig, bevor ich ihn mit kühlen Gefühlen eindämmen konnte. „Quatsch, alles okay. Im Kopf bin ich doch viel älter, als ihr alle zusammen", grinste ich ihn an. „Jetzt geh schon, du angegeilter Sack".
Er boxte mir leicht an die Schulter und wir lachten beide laut auf. „Nein, ich bleib bei dir, du asexueller Bock", erwiderte mein bester Freund und bedachte mich dann mit einem seltsamen Blick, bevor er sich vor mich hinkniete. „Du, Quinn?". Fragend sah ich wieder auf. „Hmm?". Kurz knetete er seine Finger und seine Augen zuckten nervös umher. „Du würdest mir doch sagen, wenn du... Naja, du weißt schon", murmelte er nun und sah beschämt weg.
Mein Herz rutschte mir in die Hose.
Das konnte nicht sein. Das kann er nicht wissen.
Unmöglich.Nun war es an mir nervös meine Finger zu kneten und ihn nicht ansehen zu können. „Was meinst du?", fragte ich scheinheilig und spürte mein Herz panisch in der Brust klopfen. „Na, du weißt schon. Naja, wenn du wirklich asexuell wärst. Noch nie hast du mit einem Girl gevögelt, oder hast du es mir nicht gesagt? Und gerade bei der Nutte, das hat dich auch nicht angemacht. Du kannst ruhig ehrlich sein, ich verhau dich deswegen nicht", sprudelten die Worte aus ihm heraus und verwirrt schaute ich ihn mit großen Augen an.
Phu und ich dachte schon, er meinte...
Ich wusste nicht, ob ich ihm die Wahrheit sagen könnte. Ich wollte meinen besten Freund nicht verlieren und das würde ich sicherlich. Niemals durfte er es erfahren, niemand durfte es jemals erfahren!„Red keinen Unsinn, Chesi", antwortete ich ihm dann mit etwas Pause und wieder verfielen wir in einen Lachanfall. „Los jetzt. Verschwinde", sagte ich dann zu ihm, als wir uns wieder beruhigt hatten und drückte ihn in Richtung Türe. „Meinst du echt?", zweifelte mein Freund und schnell nickte ich. „Jaha! Ich komm schon zurecht, mir geht's schon viel besser. Auf!", lachte ich und Chester fuhr mir durch meine Locken. „Du bist der Beste", meinte er dann, stand auf und verließ zwinkernd das Bad.
Seufzend hievte ich mich vom Boden hoch und klammerte mich am Waschbecken fest. Müde starrte ich mein Spiegelbild an und musterte den Typen darin. Wer war das? Wer war dieser Junge mit den tiefen Augenringen und dem ungepflegten Gesicht?
Ächzend schüttete ich mir eiskaltes Wasser ins Gesicht und fühlte mich sofort etwas wacher.
Vielleicht war ja Joy jetzt da?Mit neu gewonnenen Hoffnung raffte ich mich auf und ging mit wackelnden Beinen zur Tür, öffnete diese und trat in den Gang hinaus. Schnellen Schrittes lief ich zu der Treppe, an welcher ich mich hinunter hangelte und dann den vollen und stinkenden Raum scannte.
Endlich!Überglücklich entdeckte ich ihren blonden Haarschopf und kämpfte mich zu ihr durch. „Joy!", schrie ich ihr zur Begrüßung ins Ohr und umarmte sie von hinten, sodass sie erschrocken zusammen zuckte. „Quincy!", rief sie zurück, ließ sich etwas in meine Arme fallen und lehnte sich gegen mich, als sie mich erkannte. „Wo warst'n du?". Ein ekelhafter Alkoholgeruch wehte mir entgegen und verwundert beäugte ich das Getränk in ihrer Hand. Seit wann trank Joy denn Alkohol? Sie hasste es doch...
„Das Gleiche könnte ich dich fragen, Verräterin", entgegnete ich ihr und packte sie etwas fester, als sie zu stolpern drohte. Was ist denn mit ihr los? „Zorry", lalte sie. „Mir is was dazwisch'n gekomm'. Sa' mal, Quinn, was findet Anna eigentlich an Hannes?". Überrascht hob ich meine Augenbrauen an und starrte in ihre blauen Augen. „Ähm, keine Ahnung", erwiderte ich unbehaglich und fragte mich nicht zum ersten Mal, ob Joy Anna nicht doch mehr mochte, als sie zugab. „Ich versteh's einfach nich'! Der nutzt sie doch nur aus!", schrie sie nun und mitfühlend nickte ich ihr zu.
Langsam und vorsichtig bugsierte ich sie in die Richtung einer Couch, da ich bemerkte, dass sie immer schlimmer wankte und ich mir nicht zutraute, sie auffangen zu können, falls sie fiel. Sie fluchte und schrie weiter, wie scheiße Hannes doch sei und ich nickte, wie es ein guter Freund tun musste. Als wir endlich bei der Couch waren, ließ sich Joy, mit einem lauten Seufzen, auf das weiche Polster fallen und sah zu mir auf.
„Hey, Jo", wurde meine Freundin plötzlich von Fiona, unserer Klassenkameradin, begrüßt, welche sich neben Joy auf die Couch sinken ließ. Fionas lange, blonde Haare hingen ihr offen über die Schulter und ihre braunen Augen glänzten verdächtig. „Hey Quinn", schien sich nun auch mich zu entdecken und winkte mir zu. „Hey, Fio, könntest du kurz auf Joy aufpassen? Bin gleich wieder da", bat ich sie und Fiona nickte schnell, sodass ich ihr dankbar zugrinste. „Gib mir das, ich hol dir etwas Wasser", lächelte ich Joy zu, nahm ihr den Becher ab und strich ihr sanft über die Haare, bevor ich mich auf den Weg zum Wasserhahn machte.
Die Küche, die ich mittlerweile in und auswendig kannte, sah noch dreckiger aus, als vorhin. Überall lagen leere Plastikbecher, der Boden klebte und unendlich viele Flaschen und Mischgetränkte standen auf den Arbeitsplatten herum. Ein kurzer Blick auf mein altes Handy bestätigte meine Befürchtung: Schon 1:48 Uhr. Schnell entsorgte ich Joys Getränk, griff nach dem Wasserhahn, um diesen aufzudrehen, und füllte den Becher mit dem kühlen Nass. Gerade, als das Trinkgefäß voll war, spürte ich einen warmen Atem in meinem Nacken und erschrocken wirbelte ich herum.
Dunkelgrüne Augen sahen in meine.
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Fragile - Falling like the stars || boyxboy
Teen FictionSind wir nicht alle etwas kaputt? Etwas defekt? Etwas zerbrechlich? Gebrochen vom Leben, sodass wir irgendwie in diese Gesellschaft passen? Quinn hasst Marek. Marek hasst Quinn. Dabei sind sie sich gar nicht so unähnlich: Sie sind beide kaputt...