| Chapter One-Hundred-Thirteen |

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Lesenacht (4/7)
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Ich kotzte.
Mitten in den Garten.
Das leckere Essen verzog sich durch den direkten Weg aus meinem Magen und blieb neben Anas Tomatenpflanzen liegen.

„Oje", murmelte Erik, während er mir über den Rücken Strich. „Geht ihr schon mal vor, wir kommen nach", meinte er dann zu Ana und Ches gewannt, da wir doch schon recht spät dran waren und Ches pünktlich zu der Zeugnisausgabe kommen sollte.

Ich wusste nicht woher diese plötzliche Übelkeit gekommen war, doch ich hatte es nicht aufhalten können.
Die Nervosität hatte meinen Körper völlig in Beschlag genommen und mich außer Gefecht gesetzt.
„Na komm, machen wir dich erst mal sauber", murmelte Erik, als er mich in das große Haus zurück begleitete. „Du hast echt den gleichen nervösen Magen wie dein Vater, Quinn", überraschte er mich mit der Aussage und ich blieb wankend mit ihm am Waschbecken stehen.

Eriks langsam grauer werdende Haare schimmerten leicht im Schein des Badezimmerlichts, als er den Wasserhahn aufdrehte und mir half, mein Gesicht zu waschen. „Ja, ich erinnere mich noch gut an unseren ersten Auftritt mit der Band. Verdammt, ich hab ihn kaum vom Klo bekommen. Ich wusste gar nicht woher das ganze Essen kam, er hatte vor Aufregung nicht mal was gegessen!".

Erik grinste bei der Erinnerung und auch ich lächelte.
Ich war so unendlich dankbar nach meinem Dad zu kommen.

Zum Glück war nichts an meine Kleidung oder sonst wo hin gekommen, sodass es reichte, mir noch die Zähne zu putzen und meine Haare noch mal zu gelen.
Erik setzte sich noch kurz mit mir in die Küche und gab mir einen Tee zu trinken, während er noch ein paar lustige Geschichten von früher auspackte.
Ein warmes Gefühl, das ich immer dabei hatte, wenn Erik von meinem Dad sprach, breitete sich nun, zusammen mit dem Tee, in meinem Bauch aus und mit der Zeit ging es mir wieder gut.

Ich hatte ein schlechtes Gewissen, dass Erik nun die Zeugnisvergabe von Chester verpasst haben musste, doch er versicherte mir, dass das nicht schlimm war, solange wir rechtzeitig zur Bareröffnung kommen würden.
Auf dem Weg zur Schule redeten wir über Musik und darüber, dass wir bald mal wieder zusammen spielen mussten.
Auch den Gedanken daran und das mit sich bringende Gefühl, meinem Dad dadurch ganz nah zu sein, beruhigte meine Nerven.

Erst, als wir vor dem hohen Gebäude standen, spürte ich die Unruhe wieder in mir.
Sorgen und Ängste kehrten zurück und ich atmete tief durch.
Bevor wir rein gingen hielt mich Erik auf, indem er eine Hand auf meine Schulter legte. Verwirrt und fragen sah ich zu ihm auf. „Du weißt, dass dein Dad unglaublich stolz auf dich wäre, Buddy. Verdammt, und wie er das wäre! Und ich hoffe, dass du weißt, dass ich es auch bin. Ich bin stolz auf dich, Quinn".

Tränen standen in meinen Augen, während mein Ziehvater mich in den Arm nahm und mich fest drückte.
„Danke", schaffte ich es gepresst von mir zu geben, zu mehr war ich nicht in der Lage, sonst würde ich auf der Stelle anfangen zu weinen, wie ein Wasserfall.

Drinnen war es heiß, laut und voll.
Viele tanzten bereits, wir hatten wohl die Bareröffnung verpasst.
„Ich such mal Ana", meinte Erik und war schon zwischen den ganzen Leuten verschwunden.

Shit.

Nervös sah ich mich um, auf der Suche nach einem mir bekannten Gesicht.
Zittrig ging ich weiter und versuchte alles andere um mich herum auszublenden.
Leider sah ich viel zu viele Schüler, die Mitten in ihrer Bewegung einfrohren, auf mich zeigten und miteinander tuschelten, nachdem sie mich gesehen hatten.

Scheiße.
Scheiße.
Scheiße.

Meine Hände zitterten, weshalb ich sie tief in meinen Hosentaschen vergrub.
Am liebsten wäre ich umgedreht und davongelaufen, doch ich hatte mir geschworen, dass nie wieder zu tun.
Schluss damit.
Ich würde mich dem stellen.

Während mein Magen wieder begann sich zu drehen und zusammen zu ziehen, wurde ich an der Schulter gepackt und herum gedreht.
Dann stand ich zwei großgewachsenen Jungen gegenüber, die ich lieber nie wieder hätte sehen wollen.

„Na, sieh mal wer da ist", sagte der Blondhaarige der beiden und ließ weiterhin seine Pranke auf meiner Schulter ruhen. „Hey, Quinny", meinte der andere, während seine schwarzen Haare voller Gel im Diskolicht schimmerten, seine braunen Augen glitzerten dabei böse.

„Was wollt ihr?", ging ich auf Abstand und schüttelte Killians schwere Hand von mir ab.
Die hatten mir ja gerade noch gefehlt...

„Warum direkt so unhöflich? Lernt man bei der Therapie keine Manieren?", grinste Karim und kam wieder einen Schritt näher. „Sehr mutig von dir hier aufzutauchen. Du weißt schon. So, als Schwuchtel".
Ich schluckte und ging noch einen Schritt zurück.
Fuck.

„Ja, erzähl mal. Wie ist es eigentlich so, in den Arsch gefickt zu werden. Also, das wirst du doch, hm?", provozierte Killian weiter, während er meinen Anzug packte, um mich so festzuhalten.
„Lasst mich einfach in Ruhe", versuchte ich weiterhin ruhig zu bleiben und sah mich um.

Wir waren umzingelt von deren Schülern, die uns entweder nicht betrachteten oder einfach nur feige zuschauten.
Killian packte fester zu, zog mich näher zu sich und funkelte mich hasserfüllt an.

Mit einem mal verschwamm alles um mich herum.
Ich stand wieder in der Gasse, während Schnee auf mich herunter fiel.
Ich spürte die Tritte, die Schläge, die Beleidigungen, als wäre es erst gestern gewesen.
Dann kam die Kälte.

Ich zitterte am ganzen Körper und ich war mir sicher, dass, wenn Killian mich nicht so fest gepackt hätte, ich umfallen würde.
Karim grinste, als er sah, wieviel Angst sie mir einjagten und witterte seine Chance, dass noch zu verschlimmern.
„Lass uns das doch draußen klären, Quinny".

Nein.
Mein Kopf schrie es so laut er konnte, doch mein Körper wollte mir nicht gehorchen.
Es war zu laut und zu voll, sodass niemand bemerkte, wie die zwei Jungs mich nach draußen schleiften.
Ich war wie Gefangen in meinen Gedanken, konnte mich nicht bewegen, war wie festgefroren.

Erst, als ich den kalten Boden unter mir spürte, bemerkte ich die frische Luft und die Dunkelheit.
Bitte, nicht schon wieder!

„Könnt ihr mich denn nicht einfach in Ruhe lassen!", versuchte ich mich zu retten und rappelte mich auf, stand ihnen gegenüber.
Mein Herz pochte laut, hart und schnell.
Sofort hatte ich ein Deja-vú.

Die zwei Jungs lachten und sahen mich an, als wäre ich eine Kakerlake, die sie einfach so unter ihren Schuhsolen zerdrücken konnten.
Und genau das wollten sie nun auch tun.

Fragile - Falling like the stars || boyxboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt