| Chapter Twenty-Nine |

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„Danke, dass du es mir erzählt hast", erwiderte er, ungewöhnlich ehrlich und ich zog die Augenbrauen nach oben. „Okay, können wir jetzt wieder gemein zueinander sein? Das hier fühlt sich nicht richtig an", murrte ich unbehaglich und er lachte auf. „Seh ich auch so", stimmte er mir zu und wieder verfielen wir in ein unangenehmes Schweigen.

Die Musik spielte sanfte Klänge und etwas schläfrig schloss ich meine Augen.
„Wie ist dein Dad gestorben?", fragte mich der Dunkelhaarige plötzlich und ich zuckte zusammen, öffnete meine Augen wieder und warf ihm einen schnellen Seitenblick zu. „Autounfall", gab ich nur einsilbig zurück und wollte nicht an diese Erinnerung zurück denken.

Ungewollt traten verschüttete Bilder an die Oberfläche. Karina, wie sie zusammen brach, Abend um Abend nur noch trank und mich und Sienna völlig vergaß. Mich selbst, vor dem großen Grab meines Vaters.
Theodor Jamie Dekker stand auf dem kalten, abweisenden Stein und das lächelnde Gesicht meines Vaters strahlte mir auf einem Foto entgegen. Ich sah aus, wie er, mit den blonden Locken und den blauen Augen. Ich wünschte, ich hätte noch mehr von ihm... Seine Freundlichkeit, seinen Mut, seine Stärke...

„Tut mir leid", riss mich Marek aus meinen Erinnerungen und ich winkte schnell ab, während ich ein paar Tränen weg blinzeln musste. „Und Sienna ist deine Halbschwester?", bohrte er weiter, ohne zu bemerken, wie mich die Erinnerungen zu erdrücken drohten. Eigentlich wollte ich zu ihm sagen, dass ihn das alles nichts anging, doch irgendwas hielt mich zurück. Ich wollte es ihm nicht erzählen, doch die Worte fanden ganz automatisch ihren Weg aus meinem Mund: „Ja. Karina, meine Mutter, hatte meinen Vater betrogen", erklärte ich und schluckte meine Wut herunter. „Das wusste mein Dad aber zum Glück nicht, dass hätte ihm das Herz gebrochen...".

Kurz blieb Marek still. „Und wieso wohnt deine Halbschwester jetzt bei ihrem Vater?", fragte er weiter und ich seufzte. „Nach Dads Tod ist Karina in ein Loch gefallen. Sie hat uns... Einfach vergessen. Meine Schwester war am verhungern und ich wusste nicht, was ich tun sollte. Wir haben viel geklaut, aber es hat nicht gereicht, also hatte ich Sebastian, Siennas Vater, um Hilfe gebeten. Ich war Elf, ich konnte die Konsequenzen meines Handelns nicht einschätzen. Basti hat meine Schwester zu sich geholt und meiner Mutter war es egal. Ich hab gebeten und gebettelt, weil wir nicht getrennt werden wollten, doch es war beiden egal, solange sie sich nicht sprechen mussten. Im Nachhinein bin ich froh, dass Sienna nicht Zuhause geblieben ist. Bei Basti bekommt sie wenigstens regelmäßig Essen, er kümmert sich um sie und...", stockte ich, als mir auffiel, wie ich gerade Marek mein Herz ausschüttete. War ich bescheuert?! Wieso zum Teufel tat ich das?

Dann fiel mir etwas ein, womit ich gleichzeitig von mir ablenken konnte: „Wieso warst du eigentlich nicht auf Yoldas Weihnachtsfeier? Chester hatte erzählt, dass etwas mit deiner Mom war?", war es nun an mir eine Frage zu stellen und ich beobachtete Marek dabei, wie er das Lenkrad wieder viel zu fest packte. „Geht dich nichts an", knurrte er plötzlich und wütend drehte ich meinen ganzen Körper zu ihm.

„Ist das dein Ernst?! Ich erzähl dir gerade meine ganze Lebensgeschichte und du willst mir nicht mal eine Kleinigkeit verraten?", rief ich wütend und ignorierte, wie Marek immer schneller fuhr. „Du hättest ja nicht erzählen müssen", gab er zurück und voller Hass drehte ich mich wieder von ihm weg, während ich die Arme vor der Brust verschränkte.

Völlig bloßgestellt und nackt, so fühlte ich mich. Ich war einfach nur dumm, dumm und blöd, wie ein Kleinkind. Kein wundern, dass man mich wie eins behandelte!

Verärgert nahm ich mir vor, Marek nichts mehr zu erzählen, am besten gar nicht mehr mit ihm zu reden und drehte mich so weit zur Türe, wie es ging. Gedankenverloren starrte ich aus dem Fenster, sah den Bäumen beim Vorbeifliegen zu und versuchte den inneren Sturm in mir zu besänftigen.
Die Stille war mir egal und dieses Mal blieb diese auch, bis das Navi sich meldete, dass man von der Autobahn abfahren musste. Zum Glück hatte ich ihm am Anfang der Fahrt gesagt, wo er hin musste, denn ich wollte ja nicht mehr mit ihm reden.

Nur noch Fünf Minuten und ich würde Sienna wieder sehen... Unglaublich Freude durchflutete mich und für einen Moment verrauchte meine Wut. Schon lange war ich nicht mehr so glücklich gewesen und das wollte ich mir von so einem Arschloch nicht kaputt machen lassen.
Als das weiße Landhaus in Sicht kam musste ich die Luft anhalten, so aufgeregt war ich.

„In circa einer Stunde hol ich dich wieder", murrte Marek, nachdem ich ausgestiegen war und ich knallte die Autotüre etwas zu aggressiv zu, doch es war mir egal. Ja, er hatte mich zu meiner Schwester gefahren und dafür sollte ich ihm dankbar sein, doch meine Wut war im Augenblick einfach größer.
Mareks Auto dampfte vom Hof und kurz fragte ich mich, ob er mich nicht einfach hier lassen würde. Wahrscheinlich würde seine Mutter aber dann mit ihm schimpfen, sodass diese Hoffnung gleich wieder verpuffte.

Nervös trat ich von einem Fuß auf den anderen und mit zittrigen Fingern betätigte ich schnell die Klingel, bevor ich es mir hätte anders überlegen können.
Federer stand auf dem Schild und ich schluckte. Hoffentlich war Basti nicht da, ihm wollte ich eigentlich nicht begegnen...

Nachdem ich drei Mal vergeblich geklingelt hatte wurde mir schlecht. Was, wenn Sienna gar nicht Zuhause war? Shit, ich hätte ihr doch Bescheid sagen sollen, aber ich wollte sie ja unbedingt überraschen!

Enttäuscht zog ich mein Handy aus der Hosentasche hervor und wählte ihre Nummer. „Quinny?", hörte ich ihre aufgeregte Stimme von der anderen Seite und sofort schlich sich ein Lächeln auf mein Gesicht. „Hey Nana, wo bist du denn?", fragte ich aufgeregt zurück und hörte, wie sie aufstand. „Zuhause, wo soll ich denn sein? Wo bist du denn?", kam es zurück und ich grinste. „Warum machst du dann nicht auf, wenn man klingelt?".

Stille.

Ewig war es ruhig auf der anderen Seite des Anrufes und kurz dachte ich, dass sie aufgelegt hatte. Dann hörte ich ein lautes Rumpeln, dann Getrampel, welche sich vom Handy entfernte.

Keine Zehn Sekunden später öffnete sich die Türe und ich stand meiner Halbschwester gegenüber.

Fragile - Falling like the stars || boyxboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt