| Chapter Thirteen |

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„... Und dann hat sie gesagt, dass sie nur Pink mag, kannst du dir das vorstellen, Quinny?! Pink! Ich versteh diese Bitch nicht!", schrie sie in den Hörer und grinsend musste ich mein Handy etwas von meinem Ohr weghalten, so laut war sie.
„Ey, keine Kraftausdrücke!", gab ich den anständigen, großen Bruder und hörte Sienne auf der anderen Seite des Anrufes laut schnaufen. „Klar, weil du ja ein Heiliger bist", erwiderte sie und mein Lächeln vertiefte sich. „Gut erkannt, Nana", lachte ich und hörte sie seufzen.

„Wann kommst du mich endlich wieder besuchen, Quinny?", fragte sie und mein Herz zog sich zusammen. Meine Sehnsucht, sie in meine Arme zu nehmen und sie nie wieder loszulassen, wurde immer größer und ich musste tief durchatmen, um nicht in Tränen auszubrechen. „Bald. Ich hab fast das Geld für das Zugticket zusammen und dann komm ich zu dir", sagte ich überzeugt in mein altes Handy mit dem kaputten Display und musste den Drang, zu seufzen, unterdrücken.

„Ich frag Papa, ob er dir das Geld leihen könnte?", bot sie mir an und sofort schüttelte ich meinen Kopf. Auf keinen Fall! „Nein, Nana. Das geht schon so, mach dir keine Gedanken", versuchte ich sie zu beruhigen und bohrte gedankenverloren meinen Fingernagel in meinen Fuß.

Sebastian, Siennas Vater, würde ausrasten, wenn sie ihn nach Geld für mich fragen würde und mir würde er verbieten zu Besuch zu kommen. Nein, er durfte davon nichts wissen, wenn ich aber einfach so vor der Türe stehen würde, könnte er nichts sagen. Zumindest hoffte ich das.

Meine Halbschwester erzählte schon wieder weiter von ihren blöden Klassenkameradinnen und geduldig hörte ich ihr zu. Immer wieder musste ich mir ins Gedächtnis rufen, dass sie schon Vierzehn Jahre alt war und dabei bemerkte ich, wieviel Zeit uns geraubt wurde.

Seit Vier Tagen lag ich nun in meinem Bett und stand nur auf, um ins Bad, in die Küche oder zur Arbeit zu gehen und schleppte mich einfach von Stunde zu Stunde. Meine Mutter und Ben waren nicht nach Hause gekommen und das war mir auch Recht. Bei der Schule hatte ich mich entschuldigt, wie ich an ein ärztliches Attest rankommen sollte, wusste ich jedoch noch nicht.
Aber es war mich auch egal. Ich wollte da eh nicht mehr hingehen, nie wieder.

Auf meinem Handy waren um die fünfzig verpassten Anrufe und SMSen von Chester, Joy, Isa und Griff, doch ich ignorierte alle, wollte keinen sprechen. Am Mittwoch stand Ches sogar vor der Haustüre, aber ich hatte so getan, als wäre niemand Zuhause. Ich konnte ihm nicht unter die Augen treten. Aus den SMSen konnte ich zwar schlussfolgern, dass Marek seine Drohung noch nicht wahr gemacht hatte, aber ich war mir sicher, dass er damit wartete, bis ich wieder zur Schule kam. Also werde ich einfach nie wieder hingehen. Problem gelöst.

Als ich heute nicht wusste, was ich mit mir anfangen sollte, hatte ich kurzerhand zu meinem Handy gegriffen und meine Halbschwester angerufen, mit der ich nun schon seit über drei Stunden telefonierte und es zeigte mir mal wieder, wie sehr sie mir fehlte. Mit jedem weiterem Wort von ihr ging es mir besser und nach kürzester Zeit hatte ich alles schlechte in meinem Leben vergessen. Am liebsten würde ich jeden Tag mit ihr telefonieren, doch das konnten wir nur, wenn Basti nicht da war, so wie heute.

„Wie geht es Mama?", fragte Sienna nun und ich schluckte. Ich hatte keine Ahnung, wie es Karina ging. Immerhin hatte ich sie beinah vor einer Woche das letzte Mal gesehen... „Gut", antwortete ich deswegen kurz angebunden und hoffte, dass ihr diese Antwort genügen würde. „Und ist sie immer noch mit diesem Benjamin zusammen?". Genervt, weil wir unsere wertvolle Zeit vergeudeten, in dem wir über sie redeten antwortete ich einfach nur: „Ja".

Sienna seufzte tief. „Oh, schade. Und, wie geht es Chester?". Ein Stich fuhr durch mein Herz, als ich mich daran erinnerte, dass mich mein bester Freund wohl bald hasste. „Auch gut. Was ist denn eigentlich mit Murmel?", lenkte ich das Gesprächsthema weiter auf ihr Meerschweinchen und Sienna knurrte in den Hörer: „Der ist schon lange gestorben. Mindestens schon seit einem Jahr", erinnerte sie mich und enttäuscht von mir selbst schlug ich mir gegen die Stirn. Wie konnte ich das vergessen?! „Ach, stimmt ja. Tut mir leid, Nana, bin heute ein bisschen durcheinander...", murmelte ich entschuldigend und hoffte, dass meine Schwester nicht sauer war.

„Warum? Was ist denn los, Quinny? Wen muss ich verhauen?", fragte sie angriffslustig und ich musste lachen. „Sein Name ist Marek, ist über 1,90 Meter groß und breit, wie ein Schrank", beantwortete ich ihre Frage. „Oh. Vielleicht solltest doch du ihn verhauen", kicherte sie nun und am liebsten würde ich das auch tun, aber natürlich sagte ich ihr das nicht.

„Aber was hat dieser Marek denn getan?", wiederholte sie nun und kurz überlegte ich sie anzulügen, doch verwarf ich diesen Gedanken schnell wieder. Sienna war die einzige Person, die ich nie großartig angelogen hatte, außer um sie zu schützen, und damit wollte ich nun nicht anfangen. „Er hat mein Leben kaputt gemacht", knurrte ich wütend in den Hörer. „Der Typ tyrannisiert mich schon, seit ich an dieser Schule bin. Lässt ständig dumme Sprüche ab und hat mir sogar mal so stark in den Bauch geboxt, dass ich mich übergeben musste", erzählte ich ihr und bemerkte, wie bei jedem Wort meine Wut auf dieses Arschloch weiter wuchs.

„Das klingt ja schrecklich, Quinny! Wieso sagst du mir das jetzt erst?!", rief Sienna verärgert und ich musste ein Grinsen unterdrücken. Sie war wirklich ein kleiner Vulkan. „Ich wollte dich damit nicht belasten Nana, du bist doch meine kleine Schwester", sagte ich und entrüstet atmete sie aus. „Du belastest mich doch nicht mit sowas, denk das doch nicht! Außerdem bin ich schon Vierzehn und im Kopf viel erwachsener, als du", belehrte sie mich und lachend schüttelte ich den Kopf.

„Wenn du das denkst, dann lass ich dich mal lieber in diesem Glauben", grinste ich und auch Sienna musste lachen. „Du bist doof, Quinny. Was hat der Typ jetzt noch gemacht?", bohrte meine Halbschwester weiter und seufzend gab ich nach. „Er hat herausgefunden, dass ich schwul bin und will mich damit erpressen", gab ich kleinlaut zu und wartete auf eine Reaktion von ihr.

Sie wusste, dass ich Homosexuell war, weshalb mir der Satz doch leichter von den Lippen kam, als gedacht. Sagen wollte ich ihr das nicht, tatsächlich hatte sie es selbst herausgefunden, doch war es gut, dass sie es wusste. So hatte ich wenigstens eine Person, die mich wirklich kannte, so wie ich nun mal war.

„Der Typ will was?!", schrie sie aufgebracht und wieder musste ich das Telefon weiter weg halten. „Ich glaub, der hat sie nicht mehr alle! Was für ein blödes Arschloch!". Da sie ja Recht hatte, wies ich sie nicht daraufhin, dass sie keine Beleidigungen verwenden sollte und schnaufte einfach nur zustimmend. „Weißt du was? Lass dich davon auf keinen Fall beeindrucken, versprichst du mir das, Quinny? Du musst... Shit, Papa kommt nach Hause, ich muss Schluss machen! Wir telefonieren noch mal. Hab dich lieb, Bruderherz!", sagte sie noch in den Hörer, bevor sie auflegte und das Freizeichen ertönte.

„Hab ich auch lieb, Nana...", flüsterte ich in den leeren Raum und schloß wieder meine schmerzenden Augen.

Fragile - Falling like the stars || boyxboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt