| Chapter Ninety-Two |

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Ich sah die Buchstaben, doch die Worte flogen durch mich hindurch, als hätte ich ihre Bedeutungen vergessen.

Die ganze Unterrichtsstunde lang konnte ich mich nicht konzentrieren und ständig schweifte ich mit den Gedanken ab.
Das war neu für mich, denn eigentlich konnte ich mich ganz gut auf etwas Neues stürzen, sobald ich Ablenkung brauchte, doch nun schob sich immer wieder ein Gesicht in meinen Kopf.

Ein leider sehr hübsches Gesicht mit dunklen Haaren und moosgrünen Augen. Marek verfolgte mich, wo auch immer ich war. Ein kurzer Blick aus dem Fenster und ich bildete mir ein, dass er dort stand und zu mir sah.

Wenn wir das Zimmer wechselten ging ich meistens hinter meinen Freunden, um mich hinter ihnen zu verstecken.
Wie ein Feigling.

Meine Nerven waren zum Zerreißen gespannt und das ganze Versteckspielen machte mich völlig fertig.

In unserer Freistunde saßen wir wie immer in unserem Glaskasten und machten zusammen unsere Aufgaben.
Sowohl Joy, als auch Isa und Griff sprachen mich nicht auf Marek an und ich beließ es dabei.
Wir taten alle einfach so, als hätte es die Ferien nie gegeben und ich war froh über diese Gnadenfrist.

Der Tag verging und ich schaffte es tatsächlich ihm aus dem Weg zu gehen.
Nach der letzten Stunde eilte ich zu Chesters Zuhause und da noch niemand da war, beschloss ich kurzerhand ein Bad zu nehmen.

Früher hatte ich ziemlich oft hier gebadet, aber trotzdem hatte ich dabei immer dieses schlechte Gewissen.
Baden benötigte einfach zu viel Wasser.

Da ich aber nicht wusste, was ich sonst tun sollte, ließ ich das heiße Nass einlaufen und ließ mich dann seufzend in die Wanne gleiten.
So, dass, bis auf mein Kopf, mein ganzer Körper unter Wasser war.

Die Wärme beruhigte meine angespannten Glieder und ich entspannt schloss meine Augen.

Warum?

Diese Frage spukte durch meinen Kopf.

Warum...?

Warum hat er das getan?
Warum so?
Warum ich?

Ich wusste nicht, wie lange ich schon im Wasser lag.
Es war mir auch egal.

Warum passierte mir das alles?
Warum jetzt?

Warum war Sienna in letzter Zeit so komisch?
Warum hasste meine Mutter mich so?

Warum war mein Vater nur gestorben?

Um mich herum verblasste die Welt.

Warum... fühlte ich mich so allein?

Die Tränen brannten auf meinen Wangen und ich tauchte nun auch meinen Kopf unter Wasser.

Der leichte Druck in der Nase und in den Ohren fühlte sich seltsam an, doch ich tauchte nicht auf.

Immer länger hielt ich die Luft an.

Das brennen in meiner Brust und in meiner Lunge wuchs und dieses Gefühl half mir.

Der Schmerz half mir, mich nicht zu verlieren.

Langsam ging mir nun doch die Luft aus.
Gerade, als ich auftauchen wollte, kam mir ein komischer Gedanke.

Was, wenn ich nicht auftauchte?
Was, wenn das alles einfach vorbei sein könnte?
Was, wenn...

Nägel krallten sich in meine Haut und zogen mich nach oben.
Nach Luft krächzend durchbrach ich die Wasseroberfläche und griff nach dem Arm, der meine Schulter gepackt hatte.

„Spinnst du?! Was soll das denn? Willst du gleich mit einem Toaster schwimmen gehen, du Vollidiot?!", schrie mich eine Stimme voller Panik an und immer noch verwirrt und schwer atmend fuhr ich mir mit der Hand über das Gesicht.

Fragile - Falling like the stars || boyxboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt