| Chapter Eighty-Four |

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TRIGGER WARNING!

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Chester kam auf mich zu und setzte sich auf den Stuhl neben mich.
In meinem Kopf drehte es sich leicht und unauffällig krallte ich mich an der Lehne des Stuhles fest.

Das Adrenalin, die Gefühle, das Pochen steckten mir noch in den Gliedern und verzweifelt versuchte ich all das einfach zu verdrängen.
Jetzt ging es um unsere Freundschaft, darauf sollte ich mich nun konzentrieren.

„Quinn, es tut mir so wahnsinnig leid, bitte glaub mir! Direkt am nächsten Tag, als ich endlich wieder nüchtern war, hab ich auch verstanden, wie dumm meine Reaktion war. Du hattest Recht, mit allem. Der Typ hätte mehr verdient, als nur ein paar Schläge ins Gesicht. Ich hab mich auch sofort bei Joy entschuldigt. Ich weiß, dass macht das alles nicht besser. Alkohol ist keine Ausrede. Aber bitte, bitte glaub mir, dass ich eingesehen habe, dass es ein Fehler war und es tut mir von Herzen leid", erklärte Chester mir und klang von Wort zu Wort verzweifelter.

Ich sagte nichts, sah ihn nur an und versuchte meine Maske aufrecht zu halten.
Ich würde einknicken, wie ein Grashalm im Wind und das wusste ich. Er sollte nur noch ein bisschen mehr leiden.

Chester kratzte sich an Hinterkopf und wartete nun ungeduldig auf eine Reaktion von mir, die er nicht bekam.
„Fuck. Ich weiß, ich kann ein Idiot sein, aber eigentlich versuche ich doch alles nur richtig zu machen, verstehst du. Mit Mama und Papa, in der Schule, mit dir", erzählte er weiter und natürlich hatte er mich längst überzeugte, trotzdem blieb ich still und sah ihn einfach nur reglos an.

Wieder Stille.
Hatte ich ihn genug gequält?
„Man... Bitte sag etwas", rief Chester nun packte meine Schultern und schüttelte mich kurz. Dann ließ er mich wieder los und raufte sich seine Haare.

„Ich konnte dir noch nie lange böse sein, du Arsch", grinste ich nun und ich sah, wie sich Erleichterung in Chesters Gesicht ausbreitete.
„Du verdammter Idiot!", rief mein bester Freund, packte mich, zog mich somit auf die Beine und drückte mich an sich.

Ich röchelte gespielt, presste ihn dann aber genauso fest an mich.
Chesters Geruch nach Apfel und Kindheit erreichte meine Nase und unbewusst kuschelte ich mich noch ein Stückchen enger an ihn.
Erst jetzt, wo dieser Schatten endlich wieder vertrieben war, bemerkte ich, wie sehr mir mein bester Freund gefehlt hatte.

Ein genauso dunkler, noch größerer Schatten vertrieb die frischen Sonnenstrahlen jedoch wieder, als ich daran dachte, dass ich ihn nicht mehr lange haben werde.
Er wird mich hassen.
Er wird mich verstoßen.
Er...
Scheiße.
Eine kleine Träne, gefolgt von einem winzigen Schluchzer, stahl sich aus meinem Augenwinkel und so unauffällig wie möglich, versuchte ich sie wegzuwischen.

„Alles ok? Heulst du etwa?", hatte Chester es bemerkt und drückte mich etwas von sich, um mir ins Gesicht sehen zu können.
„Halt einfach die Klappe", grummelte ich beschämt und versuchte nun mein Gesicht hinter meinen Händen zu verstecken, doch Ches schnappte sie und drückte mich dann wieder an sich. „Hab dich auch vermisst, Kleiner".

Noch mehr Tränen flossen mir übers Gesicht und malten Spuren auf meine kalten Wangen.
Es war befreiend zu weinen und mitlerweile schluchzend hielt ich mich an meinem besten Freund fest.
Nun, da der Damm gebrochen war, konnte ich die Fluten nicht mehr aufhalten.

„Wir bekommen das alles wieder hin, versprochen, Quinn", murmelte Chester, der mitlerweile verstanden hatte, dass es wohl mehr gab, weswegen ich so heulte, und strich mir beruhigend über den Rücken. „Egal was es ist, ich bin für dich da, okay? Das darfst du nie vergessen".

Ich wusste, dass seine Worte mir helfen sollten, doch sie machten alles nur noch schlimmer.
„Ich bin so stolz auf dich, weißt du das eigentlich? Ich könnte nie so stark sein wie du, Quinny", erzählte mein bester Freund nun und mich schüttelte es vor Trauer und schlechtem Gewissen.

Er war ein guter Freund.
Ein toller Freund.
Der beste...
Und wie dankte ich es ihm?!
Ich hasste mich so sehr.

„Willst du darüber reden?", hörte ich ihn nun fragen und ich vergrub meine Finger in seinem Shirt, um mich an ihm festzukrallen.
Schnell schüttelte ich den Kopf.

Träne, nach Träne, nach Träne.

Ich konnte nicht mit ihm darüber reden, über nichts davon, was in meinem Kopf Amok lief.
Und ich wusste ganz genau, dass es falsch war.
„Ich liebe dich, ich hoffe, dass du das weißt", flüsterte er nun und das brachte das Fass zum Überlaufen.

Ich bekam keine Luft mehr, schnappte verzweifelt nach Sauerstoff und sank auf die Knie.
„Quinn?", hörte ich Chesters Stimme an meinem Ohr, doch irgendwie war sie auch verdammt weit weg.

Mein Kopf schmerzte, alles drehte sich, meine Sicht verschwamm.
„Atmen, Quinn. Atme!".

Ich war ein scheiß Freund.
Alles machte ich kaputt!

Luft, ich brauchte Luft.
„Ein, aus. Atme mit mir, komm schon. Beruhig dich, Quinn! Alles wird gut! Marek! Marek, hilf mir!".

Es überraschte mich, dass ich die Worte überhaupt noch hörte, überhaupt noch verstand.

Wo war ich überhaupt?
Stand ich noch?
Ich glaube, ich sitze auf dem Boden, oder?

Es ist alles einfach nur meine verdammte Schuld.
Wieso wurde ich einfach nur nicht geboren...

„Was ist passiert?!", hörte ich seine tiefe Stimme aus dem Off und ich griff mir an die Brust, da diese brannte.
Weitere Stimmen, weitere Worte, weitere Berührungen.

Doch es drang nichts mehr zu mir durch.

Alles meine Schuld.
Alles.
Und ich wusste es.
Ich war ein verdammter Fehler, Karina hatte Recht.

Ich wünschte, ich wäre tot.

Ich wünschte, ich würde einfach aufhören zu existieren...
Einfach...
Einfach weg sein.
Mir egal, wie feige das wäre.
Mir egal, welche Folgen es hätte.
Einfach.
Weg.

Wir waren doch nur Kinder...
Ich war doch... nur ein Kind...

Langsam bekam die Welt wieder Konturen und ich hörte ihre beruhigenden Worte.
Ich spürte meinen viel zu schnellen Herzschlag.
Ich spürte ihn deutlich an meinem Hals, meiner Brust und meinem Bauch.

Und ich wünschte, ich würde ihn nicht fühlen...

Dann spürte ich die Tüte an meinem Gesicht, ihre Anweisungen, ihr Beten und Betteln und zusammen schafften wir es, dass ich langsam wieder Luft bekam.

Erschöpft sank ich in mich zusammen und hielt mich an einem der beiden fest.
Tief ein, tief aus.
Schritt für Schritt wurde ich wieder klar und sah mich verwundert um.

„Was ist passiert?", hörte ich mich krächzen und sah dann dem Grauäugigen ins Gesicht.
Ich sah Schrecken und Angst, aber auch Erleichterung in Chesters Gesicht und konnte es mir nicht erklären.

„Du hattest eine Panikattacke", erklärte die Person neben Ches und erschrocken ließ ich meinen Blick zu Marek wandern.

Beide saßen sie vor mir, auf dem Boden.
Beide sahen ziemlich mitgenommen und schockiert aus und sofort bekam ich ein schlechtes Gewissen, da ich sie in diese Situation gebracht hatte.
„Oh...", flüsterte ich, unsicher, ob meine Stimme stark genug war.

„Tut mir leid".

Fragile - Falling like the stars || boyxboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt