„Du musst nicht erzählen, wenn du nicht willst", flüsterte er dann, nach dem ich immer noch nichts gesagt hatte.
Natürlich wollte ich nicht, was dachte sich dieser Arsch denn?! Dass er mir nur etwas den Rücken tätscheln musste und ich vertraue ihm dann alles an? Das konnte er vergessen!„Ich war Elf...", murmelte ich und meine Stimme war so rau, dass ich mich kurz räuspern musste.
Halt die Klappe, Quinn!Meinen Kopf drehte ich auf die Seite, sodass er mich auch verstehen konnte, doch ließ ich meine Augen zu, um nicht seinem Blick zu begegnen.
„Mein Vater war schon seit vier Jahre tot und meine Mutter war an ihrem Tiefpunkt", begann ich leise zu erzählen und versuchte immer wieder mich selbst aufzuhalten, ohne Erfolg.„Als sie gar nicht mehr nach Hause kam oder sich nur in ihrem Zimmer einsperrte, mussten Sienna und ich uns selbst um unser Essen kümmern. Wir haben viel gestohlen, von den Nachbarn Reste bekommen und ich habe manchmal etwas aus der Grundschule mitgehen lassen, aber ich konnte dabei zusehen, wie meine Schwester immer weniger wurde. Es hat mir so weh getan sie leiden zu sehen und ich war so verzweifelt... Ich wusste, dass Karina die Telefonnummer von Siennas Vater, Sebastian, besaß und hab einfach kurzerhand ihr Handy geklaut, als sie mal wieder in ihrer eigenen Kotze lag. Ich hab Basti angerufen und gesagt, dass Sienna und ich Hilfe brauchen. Er wusste nicht mal, dass meine Halbwester exestiert und ist völlig ausgerastet. Am nächsten Tag stand er vor der Türe und hat gesagt, dass er sie mitnimmt. Meine Schwester hat sich an mir fest geklammert, aber er hat sie einfach weggerissen und ist verschwunden... Ich hab geschrien und geweint, aber Karina war es egal. Ihr war alles egal", purzelten die Worte einfach aus meinem Mund, ohne dass ich es hätte aufhalten können.
Ich konnte nicht verstehen, dass ich es ausgerechnet Marek anvertraute, nicht einmal Chester wusste alles davon!
Was zum Teufel tat ich hier nur?!„Ich hab versucht, Sienna zurück zu holen, sie zu erreichen, aber mit Elf waren meine Möglichkeiten einfach zu begrenzt. Ich glaube, es war der fünfte Tag danach, da hatte Karina einen totalen Lichtblick. Man konnte mit ihr reden und kurz war es, als wäre meine Mutter wieder die alte. Sie hat mir versprochen, Sienna zurück zu holen, aber dafür müsste ich arbeiten gehen, weil das Geld für die Miete knapp wurde. Natürlich wurde es knapp, ihre Drogen und der Alkohol waren eben auch nicht um sonst! Wie hatte ich mich so von ihr täuschen lassen können!", rief ich nun sauer und wischte die aufkommenden Tränen aus meinem Auge.
„Was ist dann passiert?", fragte Marek vorsichtig nach und ich schwieg kurz.
Nein, ich wollte es ihm nicht sagen. Auf keinen Fall!„Sie wollte, dass ich das gleiche tat, wie sie", murmelte ich beschämt und atmete flach. „Mich zu prostituieren", gestand ich ihm und spürte, wie er sich unter mir versteifte. „Ernsthaft jetzt?!", keuchte er erschrocken und noch immer ließ ich meine Augen geschlossen. „Ich hätte alles getan, um Sienna wieder zurück zu holen...", bekam er die Antwort und ruckartig richtete Marek sich auf.
Erschrocken rutschte ich von seiner Schulter und knallte mit dem Kopf auf das Kissen. Grummelnd wehrte ich mich, als der Dunkelhaarige meine Schultern packte und mich ebenso aufrichtete, sodass wir uns nun gegenüber saßen. „Quinn...", begann er, doch ihm schienen die Wort zu fehlen. „Was? Der große Marek ist mal sprachlos?", feixte ich, weil ich nicht wusste, was ich sonst hätte sagen sollte. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen und beinah wütend starrte er zurück. „Lass das... Ich...", suchte er nach den passenden Worten, aber ich winkte ab.
„Lass gut sein, Marek, alles nicht so schlimm. Ich habe es nicht getan", offenbarte ich ihm dann und er stieß erleichtert die Luft aus. „Nicht?", wollte er sich vergewissern und ich schüttelte den Kopf. „Nicht wirklich...", antwortete ich und erhielt einen fragenden Blick darauf. „Da war so ein alter Sack. Er hat Karina viel Geld gegeben, dass er mit mir... Du weißt schon. Naja, und ich wollte Sienna einfach wieder haben, deshalb hatte ich mich zunächst nicht gewehrt. Erst, als er meine Hose ausziehen wollte, bin ich aufgesprungen und weggelaufen. Ich hatte einfach so eine Angst, meine Schwester nie wieder zu sehen, ich hätte das alles nicht zulassen dürfen. Ich spüre seine ekligen Hände immer noch auf meinem Körper...", gestand ich ihm die Wahrheit und konnte mich noch genau an diesen Moment erinnern:
Langsam wandern seine Hände tiefer, sein Keuchen dröhnt in meinen Ohren.
Ich bekomme eine Gänsehaut, mein Bauch zieht sich zusammen.
Am liebsten würde ich schreien, aber ich traue mich nicht.
Ich fühle seine ekelige Hand...
Ich muss hier weg, sofort!
Noch bevor der Alte hätte reagieren können springe ich auf und laufe so schnell ich kann aus dem düsteren Raum.
Karina wird sauer sein, doch das war mir gerade egal.
Niemals werde ich das für Geld mit mir machen lassen!Natürlich gab es Ärger, doch das war mir einerlei. In diesem Moment beschloss ich, dass ich Karina nicht brauchte und ich mich selbst darum kümmern werde, dass Sienna und ich wieder zusammen leben können.
„Ich hab mich dann an diesem Tag Ches anvertraut, naja zum Teil zumindest, und seine Eltern haben mich zu sich geholt, bis ich fünfzehn war und ich keine Last mehr für sie sein wollte. Irgendwann muss man sein Leben doch selbst auf die Reihe bekommen, oder nicht?", beendete ich meine Erzählung und wartete auf eine Reaktion von ihm.Noch immer starrte er mich aus seinen dunkelgrünen Augen an, überfordert und eingeschüchtert und ließ nun langsam seine Hände, welche an meinen Schultern gelegen hatten, sinken.
„Scheiße, Quinn... Ich wusste ja nicht-", begann er sich bedröppelt bei mir zu entschuldigen, doch ich winkte ab. „Schon gut, Marek. Lass uns das einfach alles vergessen und so tun, als wäre das gerade alles nie passiert, ja?", erwiderte ich unwohl und wurde mir der Tragweite meiner Worte erst jetzt bewusst.Marek wusste nun mehr, als mein bester Freund! Was war nur los mit mir, verdammte Scheiße?!
Ausgerechnet Marek! Dieses blöde Arschloch, dem alle anderen doch völlig egal waren!
Scheiße, Shit, Kacke!„Ich... Ich weiß nicht, was ich sagen soll", gab Marek zu und ich entfernte mich etwas von seinem warmen Körper, woraufhin mir sofort kälter wurde. „Gar nichts, ich hätte dir das gar nicht erzählen dürfen! Bitte, vergiss es einfach, ja?", erwiderte ich nervös und rutschte unbehaglich weiter von ihm weg und ließ mich seufzend dann auf den Rücken fallen. Die Kissen empfingen mich und hüllten mich flauschig ein.
Ich liebte diese Kissen. Sie stellten keine Fragen und ließen es nicht komisch zwischen uns werden. Sie waren einfach Kissen.
Ich wünschte, Marek wäre auch ein Kissen, dann wäre diese ganze Situation nicht so unangenehm! Dass ich dann mit einem Gegenstand reden würde, ließ ich einfach mal außer Acht.Scheiße, ich glaube, ich werde verrückt!
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Fragile - Falling like the stars || boyxboy
Teen FictionSind wir nicht alle etwas kaputt? Etwas defekt? Etwas zerbrechlich? Gebrochen vom Leben, sodass wir irgendwie in diese Gesellschaft passen? Quinn hasst Marek. Marek hasst Quinn. Dabei sind sie sich gar nicht so unähnlich: Sie sind beide kaputt...