| Chapter Ninety-Four |

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„...Hörst du mich? Hallo?! Quinn!".
Eine dumpfe Stimme dran an mein Ohr und erschrocken riss ich die Augen auf.

Dunkle Augen blitzen mir entgegen und nach Luft schnappend zappelte ich herum. „Was... Was ist passiert?", murmelte ich und sah zu dem Jungen, der mich an den Schultern fest hielt.

„Keine Ahnung. Ich hab dich gerade hier am Boden gefunden? Alles ok?", antwortete Timba und sah mich nachdenklich und schockiert an.
Mein Kopf brummte, doch ich holte tief Luft und richtete mich dann auf.
„Ja... Ja. Bin wohl hingefallen. Sorry, ähm...", murmelte ich hilflos, während sich alles wieder zu drehen began.

„Soll ich einen Sanitäter holen?", hörte ich den Jungen fragen und erschrocken packte ich seinen Arm. „Nein. Nein, mir geht's gut, ehrlich. Sag bitte niemanden etwas davon, okay? Und vor allem nicht Ches", bat ich ihn und sah ihm in die Augen.
Scheiße, auf keinen Fall durfte Chester das wissen. Er würde durchdrehen.
Ich durfte ihn nicht vom Abi ablenken. Er hat gerade wichtigeres zu tun.

„Ok, wenn du meinst", antwortete Timba stockend und half mir dann beim Aufstehen.
Seine dunklen Dreadlocks wippten dabei und seine Haut schimmerte, als wäre sie mit Schokolade überzogen worden.

Es war mir peinlich, doch es war gut zu wissen, dass ich mit Timba reden konnte, ohne nervös zu werden.
Wenigstens dieses Problem war ich los geworden.

Kurz peinlich berührt standen wir uns in der Toilette gegenüber und unruhig begann ich an meinem Shirt herum zu zupfen. „Ähm, also... Danke. Ich geh dann mal", murmelte ich und fühlte mich unwohl und dumm. „Ja... Ich geh dann mal... Aufs Klo", antwortete der Größere genauso eingeschüchtert, doch wir blieben beide einfach stocksteif stehen.

„Wirklich alles okay?", fragte Timba nach einem langen Blick in mein Gesicht und legte dann eine Hand auf meine Schulter. Sie lag schwer auf dem Stoff meines Oberteiles und am liebsten wäre ich in die Knie gegangen. Die Last, die seine Worte und seine mitleidigen Blicke auslöste, brachte meine Beine zum zittern.

Noch während ich schwer schluckte, ging die Türe auf.
Ein Geruch nach Wald und Meer erreichte meine Nase und sofort versteifte ich mich und trat einen Schritt von Timba zurück.

Seine grünen Augen funkelten mich an und meine Welt begann zu wackeln.
Mein Herz war stehen geblieben, die Luft wurde zu dünn.
Mein Puls schoß in die Höhe, mein Magen drehte sich um.

Ein Teil meiner Seele wollte zu ihm laufen, ihn umarmen, ihn küssen...
Ihm sagen, wie sehr ich ihn vermisste, ihn brauchte, ihn liebte.

Der andere Teil wollte ihn anschreien, ihn schlagen, ihn erwürgen.
Ihm sagen, wie sehr er mich verletzt hat, gebrochen hat, wie sehr ich ihn hasste.

„Was... Was zum Teufel? Was tut ihr da?", durchbrach Mareks wütende Worte die Stille und das brachte mich aus meiner Starre. Ich tat das, wass ich am besten konnte.
So schnell ich konnte drückte ich mich an dem Dunkelhaarigen vorbei und lief davon.

Die Erinnerungen der Toilette überschwemmten mich und verzweifelt versuchte ich die Tränen zurück zu halten.
Nicht weinen, nicht weinen, nicht weinen.
Nicht denken, nicht denken, nicht denken.
Einfach weiter laufen.

Ich erinnerte mich an den Tag, an dem Marek mich erpressen wollte und mich in der Kabine bedroht hatte.
Es fühlte sich an, als wäre das Jahre her, dabei waren es nur einige Monate.
Was zum Teufel war nur passiert?!

Vor dem Glaskasten sah ich meine Freunde stehen und mit schnellen Schritten näherte ich mich ihnen. Eigentlich wollte ich lieber allein sein, doch ich sammelte meine Gefühle und Gedanken und verschloss sie tief in mir.
Nicht jetzt, nicht hier.
Später.
Ich musste nur noch etwas durchhalten.

Gerade, als ich fast bei ihnen war, blieb ich erschrocken stehen.
Geschockt sah ich, wie Griff Isas Hand nahm und die beiden sich kurz küssten.

Mein Herz sank in meinen Magen.
Zuerst war mein Kopf leer.
Völlig leer.
Da war kein einziger Gedanke.

Dann durchströmte mich unglaubliche Eifersucht.
Sie sickerte durch mich hindurch, überflutete jede Zelle meines Körpers und vergiftete mich.
Es brannte alles gleichzeitig und ich schluckte, bekam das ekelhafte Gefühl und den Geschmack auf meiner Zunge nicht weg.
Es musste raus.

„Ist das gerade euer Ernst?!", keifte ich los und lief die letzten paar Meter zu meinen Freunden.
Sofort schreckten Griffin und Isabell auseinander, Joy richtete ihren überraschten Blick auf mich.
„Was meinst du?", wollte die Blonde wissen und verschränkte ihre Arme vor der Brust.

Wütend schnaufte ich und zeigte auf die beiden anderen.
Ich wusste ganz genau, dass es falsch war, was ich tat.
Unglaublich falsch sogar.
Sie waren meine Freunde und hatten es verdient, glücklich zu sein.

Ich war schrecklich...
Mein Inneres zog sich zusammen.
Ich konnte es nicht zurück halten.

„Wollt ihr mich verarschen?", knurrte ich und zog meine Augenbrauen wütend zusammen.
Wieso waren sie glücklich, während ich leidete?!

Ich wollte mich zurück halten, aber konnte nicht mehr.
Wieso konnten sie zusammen sein, wenn ich nicht das bekam, was ich wollte?!

„Wir wollten es dir sagen, ehrlich", begann Isa leise zu erklären, doch als mein böser Blick auf sie traf, verstummte sie.
Sofort tat es mir leid, doch ich konnte nicht stoppen.
Plötzlich krachte alles über mir zusammen, brach aus mir heraus.
Die Flutwelle überrollte mich und ich hatte keine Chance sie zu stoppen.
Ich ertrank in ihr.

Griff nahm Isas Hand beruhigend in seine und nun funkelte ich ihn sauer an.
„Wir haben es dir nicht erzählt, weil wir dich nicht aufregen wollten. Weißt du, mit dir ist irgendwas und wir-", wollte Griffin mich beruhigen, doch ich schnitt ihm das Wort ab. „Ihr wolltet mich nicht aufregen? Ist das euer verdammter Ernst?! Ihr riskiert hier unsere ganze Freundschaft!".

Heißes Blut kochte in mir, wie Lava, verbrannte mich, lähmte mich. Die Wut verflüssigte und erhitztes mein Inneres. Die Eifersucht jedoch ließ mein Herz zu Eis erstarren.

„Jetzt beruhig dich, Quinn. Du macht hier eine Szene, wegen nichts", mischte sich Joy ein und zeigte auf die Leute um uns herum.
Tatsächlich hatte sich wegen meinem Geschrei eine kleine Menschenmenge um uns herum versammelt.
„Eine Szene wegen nichts?!", rief ich und ballte meine Hände zu Fäuste.

Meine Freunde waren nicht mehr meine Freunde.
Dieser Gedanke riss mir den Boden unter den Füßen weg und kurz schwankte ich.
Sie vertrauten mir nicht mehr, erzählten mir nichts mehr, fühlten nicht mehr mit mir.
„Ihr vertraut mir nicht mehr...", murmelte ich nun etwas leiser und Griff schnaufte laut aus.

Die Drei standen mir gegenüber, zusammen, vereint.
Ich stand ihnen gegenüber, allein, einsam.

Fragile - Falling like the stars || boyxboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt