| Chapter Twenty-Seven |

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Marek stand im Türrahmen und sah mich finster an, in seiner Hand hielt er das Glas Wasser. Als er bemerkte, dass wir uns einfach nur anstarrten kam er auf mich zu und drückte mir den Becher in die Hand.

„Danke", murmelte ich und nahm einen großen Schluck des kühlen Getränkes. Das kalte Nass floß meine Kehle hinunter und sofort fühlte ich mich besser, während sich Marek wieder irgendwo hinter mich setzte. „Wer war es, Quinn?", wiederholte der Dunkelhaarige die Frage und auch seine Mutter sah mich erwartungsvoll an.

„Karim und Killian", gab ich nach kurzer Überlegung zu und hörte Marek hinter mir schnaufen. „Deine Freunde, Marinek?", fragte die Ärztin schockiert und ich vermied es nun sie anzuschauen, sah einfach nur auf den Boden. Ich wollte nicht petzen, doch sie anzulügen wollte ich auch nicht.

Wortlos half sie mir aus meinem Pulli und sah sich nun die vielen weiter Flecken an. Danach betrachtete sie mein Gesicht genauer. Insgeheim fragte ich mich, wie schrecklich ich wohl aussehen musste...

„Woher kommt das?", fragte sie nun und betrachtete mein linkes Auge genauer. Zwar war es nicht mehr geschwollen, trotzdem erkannte man noch deutlich den älteren grünblauen Fleck. Nervös knetet ich meine Finger und antworte nicht. Ich wollte ihnen nicht die Wahrheit sagen, aber...

„Von deinem Vater?", erkundigte sich nun Marek vorsichtig und stand von seinem Stuhl auf, um näher zu uns zu kommen und mich direkt anzusehen. Ich schüttelte den Kopf. Also wusste Marek doch nicht so viel, wie ich dachte.

„Nein, der ist gestorben, als ich Sieben war", erklärte ich und sah Mitleid in Minellas Augen aufblitzen. „Das tut mir leid, Quinn", sagte sie ernst und ich winkte ab. Ich wusste nicht, wieso ich ihnen das erzählte. Vielleicht, weil mich Minella mit so einem liebevollen Mutterblick betrachtete? Bei sowas wurde ich immer sofort schwach...

„Das war der Freund meiner Mutter. Er wird immer etwas handgreiflich, wenn er betrunken ist", gab ich zu und verschränkte meine Finger ineinander. „Was?! Der Freund? Mein Gott, du musst sie anzeigen, sie alle!", rief die Ärztin außer sich und nahm meine Hände in ihre, während ich mit dem Kopf schüttelte. „Das geht nicht. Ich habe Angst, dass das Jugendamt dann darauf aufmerksam wird und ich in ein Heim muss, oder so...".

Die Worte fielen aus meinem Mund, als hätten sie nur darauf gewarteten endlich raus zu kommen. Ich wollte es gar nicht sagen und doch konnte ich mich nicht dagegen wehren. Ich wollte mich vor ihnen rechtfertigen und irgendwie wollte ich auch, dass sie mich verstehen konnten. Nachdenklich nickte Minella nun und richtete sich wieder etwas auf, nachdem sie mich losgelassen hatte.

„Na gut, Quinn. Ich werde mich nicht einmischen und deinen Wunsch respektieren. Für einen Streuner, wie dich, haben wir sicher noch einen Platz. So kann ich dich auf jeden Fall nicht gehen lassen", erklärte mir die hübsche Frau und mir fiel die Kinnlade herunter.
Wie meinte sie das? Ich sollte hier bleiben?! Auf gar keinen Fall!

Schnell sammelte ich mich und antwortete: „Das ist wirklich sehr lieb von Ihnen, Frau Pawlow, aber mir geht es wirklich gut". Den leichten Schwindel blendete ich einfach aus und setzte ein falsches Lächeln auf. „Bitte, sag Minella zu mir, ja? Naja, du hast die Wahl: Mit deiner Gehirnerschütterung lasse ich dich entweder ins Krankenhaus einliefern", begann sie so sachlich zu erklären, wie es nur ein Arzt konnte. „Oder du bleibst hier". Fragend sah sie mich an und völlig überfordert starrte ich sie an. Ich wollte mich wehren, wollte aufspringen und davon laufen, doch der Blick ihrer dunkelgrünen Augen fesselte mich auf den Stuhl. Genau, wie die ihres Sohnes.

„Na gut", murmelte ich also und gab mich geschlagen. Die Frau lächelte mich an und legte eine Hand auf meine Schulter. „Gut. Marinek, zeigst du Quinn dein Zimmer und, dass du ein bisschen nach ihm schaust, Schatz?", fragte sie ihren Sohn und ich sah etwas in ihrem Blick aufblitzen, doch, bevor ich es hätte benennen könne, war es auch schon wieder verschwunden.

Marek knurrte etwas und ging dann zur Tür, ohne sich zu vergewissern, ob ich ihm folgte. Schnell stand ich auf und fasste mir dabei kurz an den Kopf, als dieser wieder schmerzhaft zu pochen begann. Ich folgte Marek einige Gänge entlang und hatte große Probleme dabei ihm zu folgen, da er beinah rannte.
Das tut der doch extra!, dachte ich sauer und presste meine Lippen aufeinander, um keinen dummen Kommentar abzugeben.

Vor einer großen Holztür blieb er stehen und öffnete sie. Mit großen Augen betrachtete ich die Einrichtung und fühlte mich wie in einem Elektronikparadies. Ein riesiger TV hing an der Wand, das große Bett stand dorthin ausgerichtet. Ein Holzschrank und ein Schreibtisch befanden sich links, rechts noch eine große Couch. Alles sah so aus, als könnte man es elektronisch steuern und so war es sicherlich auch.

„Du pennst auf dem Sofa, will nicht von dir betatscht werden", grummelte Marek in meine Richtung und ich warf ihm einen bösen Blick zu. „Keine Angst. Selbst ich hab einen gewissen Anspruch", giftete ich zurück und konnte es nicht glauben, was hier passierte. Wie sollte ich das bitte überleben?!

Stöhnend ließ ich mich auf der Couch nieder und nahm wieder meinen schmerzenden Kopf in die Hände. „Haben dich echt Karim und Killian verprügelt?", fragte Marek nach und ich schnaufte genervt aus. „Ja, oder denkst du, ich lüge?", giftete ich zurück und der Schwarzhaarige zuckte nur mit den Schultern. „Wäre ja nicht das erste Mal, dass du lügst", erwiderte er und ich hob meinen Blick, um ihn böse anzufunkeln.

„Habt ihr kein Besucherzimmer in dieser riesigen Villa?", erkundigte mich wütend und verschränkte meine Arme vor der Brust. „Doch", erwiderte er und kickte einen Pulli, welcher auf dem Boden lag, in eine Ecke. „Aber meine Oma wird da über Weihnachten bleiben".

Meine Wut verpuffte, als mich das an meinen gescheiterten Besuch erinnerte. Traurig ließ ich den Kopf hängen, bis ich mich daran erinnerte, dass Marek auch noch im Raum war. Als ich wieder aufsah, beobachtete er mich von seinem Bett aus. „Wann holst du deine Oma denn ab?", fragte ich leise und fuhr mir hilflos durch die Haare. „Ich würde jetzt dann losfahren, damit wir wieder Daheim sind, bevor es dunkel wird", erwiderte und stand schon auf.

„Oh, okay", antwortete ich und blieb sitzen. „Was ist? Kommst du?", fragte er mich daraufhin, doch ich winkte ab. „Ne, fahr ruhig", gab ich zurück und legte meinen Rücken auf dem bequemen Polster ab, so dass meine Füße aber weiterhin den Boden berührten. Ich hörte Schritte und dann kam Mareks Gesicht in meinen Blickwinkel, sodass ich laut aufseufzte.

„Wie, ne? Ich dachte, du willst deine Schwester unbedingt wieder sehen?", bohrte er verwirrt nach und eine dumpfe Leere breitete sich in mir aus. „Will ich doch auch, aber... Was wär ich denn für ein Vorbild für sie, wenn ich so auftauchen würde?", gab ich ihm zu bedenken und atmete überrascht durch, als sich Marek neben mich setzte. „Ist das nicht egal? Lieber einen verprügelten Bruder sehen, als gar keinen", erwiderte der Schwarzhaarige und ich stockte. Es zerriss mich, sie nicht besuchen zu können, jetzt hatte ich die Chance dazu und was tat ich? Verdammt, der Arsch hatte Recht!

„Na los, komm", forderte mich Marek auf und zusammen erhoben wir uns. Von einer plötzlichen Freude gepackt vergaß ich all die Schmerzen und hüpfte schon beinah umher.

Endlich, endlich würde ich meine Schwester wieder sehen, wieder in die Arme nehmen können! Es fühlte sich an, als würde mein Herz, nach einer lagen Zeit, wieder anzufangen zu schlagen.

Fragile - Falling like the stars || boyxboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt