| Chapter Sixty-Three |

268 31 1
                                    

„Okay, ich bin dran", lachte der Dunkelhaarige und schob sich noch eine grüne Traube in den Mund.
Ich beobachtete ihn dabei und drehte mich von meiner Rückenlage auf die Seite, um ihm besser ins Gesicht sehen zu können.
Seine Lippen waren geschwollen, seine Haare zerzaust und seine Wangen leicht gerötet und ich war mir sicher, dass ich nicht besser aussah.

„Lieblingsfarbe?", war es nun an ihm zu fragen und ich schnappte mir auch eine Traube, in welche ich dann genüsslich biss.
Der süße und leicht säuerliche Geschmack verbreitete sich in meinem Mund und vertrieb somit kurz den von Marek.
„Grün. Aber nicht so ein Neonzeugs, sondern so ein schönes Waldgrün. Deine?", antwortete ich ehrlich und fuhr mir über die Locken, um wenigstens etwas Ordnung hinein zu bringen.
Kurz linste ich zu dem Handy, welches zwischen uns lag, 10:12 Minuten lief der Countdown noch.

„Dunkelblau", antwortete er knapp und sah mich dann mit seinen dunkelgrünen Augen fragend an, da es nun an mir war, eine neue Frage zu stellen.
Ich überlegte kurz.
„Was ist deine Lieblingsjahreszeit?", kam ich auf die Idee und beobachtete ihn, wie er nachdenklich die Stirn kräuselte.
„Sommer. Da kann man bis spät Abends draußen sein und es ist schön warm. Deine?", erkundigte er sich bei mir. „Herbst. Da ist es meistens nicht zu warm oder zu kalt und es sieht draußen immer so schön aus", beantwortete ich die Frage.

„Lieblingsessen?", war er dran und streckte sich kurz.
„Pizza würde ich sagen. Einfach und lecker. Deins?", gab ich die Frage an ihn ab. „Hähnchen, Reis und Gemüse", antwortete er und ich zog die Augenbrauen hoch.
„Angeber", murmelte ich und er grinste.
Wieder musste ich überlegen.

Langsam gingen mir die oberflächlichen Fragen aus und ich wusste nicht, wie tief wir uns unterhalten sollten, wenn wir danach immer hemmungslos knutschten.
Das ganze ging bestimmt schon seit zwei Stunden so, aber ich wurde nicht müde davon.
Irgendwie war es...
Ziemlich schön.

„Okay, mal eine Frage mit etwas mehr Tiefe", warnte ich ihn und sah, dass sich Marek erwartungsvoll etwas weiter auf dem Bett zu mir drehte.
„Was würdest du anders machen, wenn du wüsstest, dass dich niemand deswegen verurteilen würde?", ergänzte ich und Marek seufzte. „Ganz klar, ich würde mich nicht so verstellen, wäre mehr ich", gab er ziemlich schnell zu und ich nahm mir noch eine Traube. „Wie genau meinst du das? Bist du bei deinen Freunden nicht du selbst?", hackte ich nach, da es mich wirklich interessierte.

Marek drehte sich wieder auf den Rücken und sah an die Decke. „Ich glaube nicht. Ich bin mir nicht sicher... Ich weiß ja nicht mal, wer ich bin, deshalb... Ist das schwer zu sagen. Aber manchmal fühlt es sich so an", erklärte er und ich nickte einfach nur.
Ich hatte ja auch keine Ahnung wer Marek war, das musste er wohl oder übel selbst herausfinden.
„Und du?", gab er meine Frage an mich zurück.
„Ähnlich wie du, denke ich. Also, ich glaube schon, dass ich ich bin, aber... Ich würde manche Seiten an mir mehr ausleben. Die Homosexualität zum Beispiel. Oder ich würde offener mit meiner Vergangenheit umgehen, dass die Leute verstehen, wieso ich manchmal so reagiere, wie ich es tue", gab ich zu und er krazte sich nickend am Kopf.
8:37 Minuten.

„Wenn du unterrichten müsstest, welches Fach würdest du dann wählen?", ging es weiter.
Das war leicht.
„Musik. Und dann vielleicht mit Klavier oder Gitarre. Oder singen", überlegte ich laut und fragte dann nach ihm.
„Ich würde sagen Sport, beziehungsweise Schwimmen. Früher war ich einer Schwimmmannschaft, aber das hat sich irgendwie verlaufen, ich kann dir nicht mal sagen, wieso... Dabei habe ich das wirklich gern gemacht", erwiderte er und nachdenklich tippte ich mir ans Kinn.
„Vielleicht kannst du ja nach dem Abi noch mal nach einer Mannschaft schauen", gab ich zu bedenken und er nickte gedankenverloren. „Ja, vielleicht".

„Ich kann nicht mal schwimmen", gab ich dann noch zu und erntete einen fassungslos Blick seinerseits. „Was?!", bohrte er nach und ich kicherte etwas über seinen entgleisten Gesichtsausdruck. „Ja. Naja... Ich habe es nie gelernt bekommen und als ich dann bei Chester war, da... Hab ich mich zu sehr geschämt, nach einem Schwimmkurs zu fragen...", erklärte ich und spürte noch das gleiche Unbehagen dabei, wie früher.

„Für was bist du in deinem Leben besonders dankbar?", fuhr ich schnell fort und nahm mir noch eine Traube.
„Für meine Familie und für meine Freunde", antwortete er sofort. Dann betrachtete er mich mit einem kurzen Seitenblick. „Und für meine Lebensumstände. Du?", fügte er dann noch hinzu und etwas unbehaglich sah ich kurz weg.
Wir hatten geschworen die Wahrheit zu sagen, auch, wenn das manchmal unangenehm war.
„Für meine Schwester und für meine Freunde. Für Joy, Isa, Griff und vorallem für Ches", führte ich etwas weiter aus.
5:41 Minuten übrig.

„Okay, also über den Smalltalk sind wir hinaus", überlegte er und zog dabei seine Augenbrauen zusammen.
„Was würdest du tun, wenn du das Geld und die Zeit hättest?", fügte er hinzu und ich musste wieder nicht lange überlegen. „Ich würde mit Sienna zusammen ziehen. Mit ihr in den Urlaub fahren, mit ihr ihren Hobbys nachgehen. Sie tanzt wirklich gut! Vielleicht auch meinen Hobbys nachgehen. Ich würde gerne öfter Musik machen, aber ohne ein Instrument ist das eh nicht so möglich... Naja. Und du?", beendete ich meine Antwort und Marek kaute etwas schneller, da er sich gerade erst eine Traube genommen hatte. „Bei mir so ähnlich, einfach mehr den Hobbys nachgehen. Mehr Zeit mit meinen Brüdern verbringen, mehr Sport machen. Das alles eben", gab er zu und mir fiel etwas ein.

„Moe meinte, dass du die meiste Zeit in deinem Zimmer sitzt, falls du überhaupt mal da wärst. Du widersprichst dir bisschen selbst", grinste ich ihn besserwisserisch an und Marek verdrehte genervt seine Augen.
„Ja, schon, ich... Ach, ich weiß doch auch nicht. Kennst du das nicht? Ich werde so schnell erschöpft... Man kann das mit einem Akku vergleichen. Wenn ich unter Leute bin, dann entleert der sich und, wenn ich alleine bin, dann füllt er sich wieder, verstehst du? Mich macht es müde und fertig lange bei anderen zu sein. Vielleicht, weil ich immer aufpassen muss, wie ich mich verhalte und was ich sage...", dachte er laut nach und interessiert drehte ich mich noch weiter in seine Richtung.

„Naja, müssen tust du das ja nicht", gab ich ihm zu bedenken, doch Marek warf mir nur einen bösen Blick zu. „Natürlich muss ich das. Ich werde mich niemals outen, Quinn, nie! Ich werde irgendwann eine Frau heiraten, mit ihr Kinder bekommen und das war's, verstehst du? Deshalb möchte ich das alles einfach nur ausprobieren, mehr nicht. Ich glaub, ich könnte niemals in eine Beziehung mit einem Jungen sein. Sex, ja, aber mehr nicht. Ich bin allgemein nicht so der Beziehungstyp", vertraute er mir seine Gedanken an und irgendwas zog mein Herz zusammen. Bestimmt hatte ich in letzter Zeit zu wenig Sport gemacht und ich erlitt nun einen Herzinfarkt.

„Das mit dem Akku kenne ich, nicht so sehr, aber manchmal habe ich auch solche Tage... Hast du schon mal mit deinem Dad darüber geredet?", erkundigte ich mich und langsam fühlte ich mich schlecht, so über Marek gedacht zu haben.
„Ja. Hin und wieder zwingt er mich ein bisschen dazu, aber ich bin froh, dass er das tut. Es ist mir unangenehm, aber es bringt etwas. Es gab noch schlimmere Zeiten, weißt du... Ich...", stockte der Dunkelhaarige und sah unsicher umher. „Ich würde ja sagen, du musst nicht erzählen, aber ich darf ja nicht mehr lügen", spielte ich auf seine Kitzelattacke an und entlockte Marek somit ein kurzes Lächeln.

Dann wurde er wieder ernst. „Es ist mir wirklich unangenehm...", murmelte und ich wartete geduldig, dass er weiter redete.
„Naja... Ich hatte-", wollte er sich mir schon anvertrauen, doch schreckten wir beide zusammen, als das Handy zu klingeln began.
0:00 Minuten übrig.
Sofort änderte sich Mareks Gesichtsausdruck und ohne Vorwarnung packte er in meinen Nacken und drückte gierig seine Lippen auf meine.

Fragile - Falling like the stars || boyxboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt