Lesetag Teil 1/6
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„Ich wollte mich bei dir entschuldigen...", begann er nach einer kurzen, unangenehmen Stille und verwundert drehte ich ihm meinen Kopf zu. „Das war blöd von mir. Du wolltest nicht und ich habe es nicht respektiert. Es tut mir leid", gab er leise zu, drehte aber nicht den Kopf zu mir, sondern starrte einfach nur an die Decke.
Ich betrachtete sein Seitenprofil, seinen ausgeprägten Kiefer, seine markanten Augenbrauen, seine weichen Lippen.
Es juckte mir in den Fingern ihm seine dunklen Haare aus der Stirn zu streichen, aber ich konnte mich zurückhalten.
„Ich wollte immer, dass die ersten Male besonder sind", murmelte ich beschämt und musste mich kurz räuspern, da meine Stimme vom vielen Singen etwas rau war.„Ist es doch, ich bin besonders!", blitzte kurz der alte Marek durch, während er mich tückisch von der Seite angrinste. Ich verdrehte meine Augen und sah dann unbehaglich nach oben.
Seine Körperwärme strömte auf mich über und meine Glieder entspannten sich, obwohl in meinem Kopf ehr das Gegenteil der Fall war. Gedanken rauschten durch ihn hindurch, eckten an, stoßten sich gegenseitig umher.
Alles flog und rauschte und piepte in meinem Kopf und genervt drückte ich meine kühle Hand an meine Stirn.„Du singst wirklich gut", flüsterte Marek, nachdem ich auf seine dumme Bemerkung nicht eingegangen war und ich spürte, wie mein Kopf mal wieder heiß wurde.
„Danke", murmelte ich schüchtern und fixierte einen Punkte an der weißen Decke.
Dann wieder diese unangenehme Stille.„Ich fand es einfach schön und wollte nicht aufhören. Es tut mir wirklich leid, Quinn", schoßen die Worte aus ihm heraus und mit klopfenden Herzen drehte ich ihm meinen Kopf zu.
Seine dunkelgrünen Augen fesselten mich und ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte.
„Ich fand es auch schön", gestand ich und erschrocken riss ich die Augen auf. Hatte ich das gerade ernsthaft laut gesagt?!
Verdammt nochmal, Quinn!Marek musterte mich überrascht und verzog dann seine Lippen zu einem leichten Lächeln.
Es war aber anders, als sonst.
Dieses Lächeln war weder gehässig, noch sarkastisch, oder selbstverliebt, nein.
Es war ehrlich und offen und es verwirrte mich so sehr, wieder diesen anderen, diesen netten Marek vor mir zu haben, dass mein Mund staubtrocken wurde und ich verzweifelt versuchte zu schlucken.„Hier, ich hab etwas für dich", sagte er dann leise, richtete sich auf und drückte mir etwas in die Hand.
Verwundert sah ich auf den Gegenstand hinunter und schloß kurz meine Finger darum.
„Frohe Weihnachten, Quinn", fügte er noch hinzu und meine Gedanken rasten umher. Meine Finger zitterten und mein Kopf schaltete sich ab, weil er es nicht verstehen konnte, nicht verstehen wollte.Es war eine kleine Schachtel und fragend sah ich zwischen der Box und Marek hin und her.
„Jetzt guck nicht so und mach es auf!", beschwor er mich und schaute mich auffordernd an.
Was passierte hier?! Hatte Marek ernsthaft ein Weihnachtsgeschenk?
Für mich?!
Ich glaube, ich träume!Überfordert schlug ich mich in Gedanken selbst, schüttelte den Kopf und wollte ihm die kleine, viereckige Schachtel schon wieder in die Hand drücken. „Das kann ich nicht annehmen, Marek", wiedersprach ich, während meine Gefühle wild umher flogen. „Ich schlafe und esse hier schon kostenlos".
Ohne auf meine Worte einzugehen drückte er mir die graue Schachtel zurück in die Hände und sah mich auffordernd an. „Na los", drängte er mich und seufzend gab ich nach, hatte ich doch eh keine Chance gegen ihn.Ich spürte Mareks Blick auf mir, als würde ich unter Strom stehen, während ich die Box mit zittrigen Fingern nahm und sie öffnete.
Perplex und überfordert starrte ich auf den Inhalt und konnte es nicht fassen.
„Ist ein Schlüsselanhänger", kommentierte Marek das Geschenk, während mein Mund trocken wurde.Der Anhänger war als Musiknote geformt und fast hätte ich vergessen zu atmen.
Wo hatte er den denn her?
Und...
Wieso schenkte er ihn mir?!
Scheiße, was sollte das denn?
Wollte er mich bestechen?!„Hast du den geklaut?", fragte ich leicht säuerlich und erntete einen verwirrten Blick aus seinen dunkelgrünen Augen.
„Ich heiß doch nicht Quinn", kam es zurück geschoßen und nervös nahm ich den Anhänger aus der Box, um ihn näher zu betrachten.„Danke, Marek", murmelte ich dann beschämt und schaute kurz zu ihm auf. „Ich hab aber nichts für dich".
Ich hasste es, wenn ich jemandem etwas schuldig blieb und ich hasste ihn dafür, dass er mich ständig in diese Situation brachte!
„Wir finden dafür schon noch eine Lösung", grinste er mich süffisant an und ich schlug ihm gespielt eingeschnappt an die Schulter.
Er lachte und wollte aufstehen. „Komm, die anderen wundern sich bestimmt schon, was wir hier treiben", erklärte er dann, während ich den Anhänger fest in meiner Hand hielt.Er war kalt und glatt, doch je länger ich ihn hielt, desto mehr taute er auf.
Wie Marek, schoss es mir durch den Kopf und hätte am liebsten über meine dummen Gedanken gelacht.Der Dunkelhaarige stand auf und hielt mir eine Hand hin, die ich ergriff. Geschickt zog mich Marek auf die Beine und ließ mich dann los, als ich neben ihm stand.
Meine Hand kribbelte und mein Herz begann schon wieder viel zu schnell zu schlagen, als er mir gegenüber stand. Sein Duft lähmte mich und sein warmer Atem strich über meine Wange.Ohne nachzudenken und, als wäre ich jemand anders, beugte ich mich flink nach vorne und presste meine Lippen auf seine.
Ich wusste nicht, was ich da tat, aber der Schlüsselanhänger in meinen Fingern schien zu glühen, als ich meine freie Hand in seine Haare krallte und ihn so etwas zu mir runter zog.
Wellen der Lust überschwammen mich, als Marek seinerseits seine Finger an meinen Hinterkopf legte und stürmisch den Kuss erwiderte. Ich schmeckte die Ente von vorhin, ich spürte seine Hitze auf meiner Haut.
Alles kribbelte, alles explodierte und am liebsten würde ich genau das den restlichen Abend tun.Erst, als wir beinah erstickten trennten wir unsere Münder und erschrocken trat ich ein paar Schritte von ihm weg. „Ich denke, jetzt sind wir quitt, oder?", atmete ich schnell und versuchte zu verstehen was und vorallem wieso das gerade passiert war.
Marek schien genauso überrascht und sah mich dann nach meinen erklärenden Worten böse an. „Verdammt noch mal, Quinn! Ich will nicht, dass du denkst, dass du mir was schuldig bist, okay! Ich hab dir den Anhänger geschenkt, weil ich es so wollte, ohne Hintergedanken. Als ich ihn gesehen habe, musste ich eben an dich denken und ich dachte, er gefällt dir, mehr nicht. Also hör auf aus allem immer so ein Drama zu machen!", knurrte er mich wütend an und hatte mich an den Schultern gepackt, um mich etwas zu schütteln.
Ruckartig ließ er mich dann wieder los und schien auf eine Reaktion zu waren, doch ich blieb einfach stocksteif stehen.
„Wer bist du und was hast du mit Marek gemacht?", fragte ich ihn mit großen Augen und atmete erleichtert aus, als er anfing zu lachen. Meine Lippen zogen sich automatisch auch nach oben und meine Finger, die den Anhänger weiterhin umklammert hielten, begannen zu zucken.„Na los, gehen wir", sagte Marek, aber ging, anstatt zur Türe, zurück zu mir und strich sich dabei über den Kopf. Dann streckte er seine Hände aus und fuhr mir, beinah sanft, über meine Haare, um auch diese zu glätten. Ich fühlte, wie mein Kopf rot wurde und mein Atem wieder schneller ging.
Marek grinste und drehte sich dann um.
Mit einem kribbeligen Gefühl ihm Bauch folgte ich ihm nach unten.
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Fragile - Falling like the stars || boyxboy
Teen FictionSind wir nicht alle etwas kaputt? Etwas defekt? Etwas zerbrechlich? Gebrochen vom Leben, sodass wir irgendwie in diese Gesellschaft passen? Quinn hasst Marek. Marek hasst Quinn. Dabei sind sie sich gar nicht so unähnlich: Sie sind beide kaputt...