| Chapter Fifty-Eight |

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Mir war kalt.
Mir war kalt, als ich aufstand.
Mir war kalt, als ich zu ihm hinüber schaute und sah, dass er noch schlief.
Mir war kalt, als ich mich anzog und mich fertig machte.

Mein Inneres zog sich zusammen und mit eingefrorenen Gliedern ging ich die Treppen hinunter.
Wieso fühlte ich mich so?
Wieso war ich so?
Wieso war ich enttäuscht?

Ewig hatte ich gekrübelt, war aber zu keinem guten Ergebnis gekommen.
Ich wusste, wie Marek war und ich wusste es bevor das alles passiert war.
Wieso hatte ich dann trotzdem mitgemacht?
War ich wirklich so verzweifelt?
Hätte ich das mit jedem anderen Typen gemacht?
War ich so eine Schlampe?

Meine Gedanken machten mich fertig und müde rieb ich meine Augen, als ich am Tisch saß.
Mein Appetit war mir vergangen, lustlos stocherte ich in dem Rührei herum und lauschte Dains Erzählungen über seine Arbeit.
Ich fand es wirklich spannend, aber ich konnte mich nicht darauf konzentrieren. Meine Gedanken wanderten immer wieder zu Marek und seinen Worten zurück und ich konnte mir einfach nicht erklären, wieso mich das so fertig machte.

Ich hasste ihn.
Wieso sollte mich sein Korb so treffen?!
Immer und immer wieder kam mir diese Frage auf und trotzdem schob ich sie weit von mir weg.
Ich hatte echt andere Probleme, um die ich mich kümmern musste, da musste er nicht noch ein größeres werden.

Nach dem Essen, wobei Marek zum Glück nicht auftauchte, checkt mich die Ärztin nochmals durch.
Ich beobachtete sie verstohlen und fühlte mich von Minute zu Minute schlechter. Am liebsten würde ich sie darauf ansprechen, doch schien es nicht richtig zu sein.
Es ging mich nichts an.

Minella befand, dass alles in Ordnung war und ich bedankte mich bei ihr.
Meine Entscheidung stand fast.
„Könnte ich dann wieder nach Hause?", fragte ich sie, während Minella ihre Utensilien wegpackte und ihr Blick lag kurz auf mir. Sie schien nachzudenken und ich fragte mich worüber.

„Wenn du das unbedingt willst? Aus medizinischen Sicht spricht nichts dagegen", antwortete sie sachlich und kam zurück zu mir. Sofort fiel mir ihr etwas verletzter Unterton auf, sodass ich mich schnell rechtfertigte: „Ich bin so dankbar für alles, was ihr für mich getan habt, ehrlich! Ich finde es hier klasse, eure Familie ist toll und ich wünschte auch, dass ich länger bleiben könnte, aber... Es geht nicht".
Sie lächelte und legte eine Hand auf meine Schulter. „Es ist in Ordnung, Quinn. Das haben wir alle sehr gerne getan. Vergiss nicht, dass du hier immer willkommen bist!", sagte sie und nahm mich kurzerhand in den Arm.

Etwas überrumpelt, aber gerührt, erwiderte ich die Umarmung und drückte die zierliche Frau an mich. Dabei kam mir ein komischer Geruch in die Nase, welcher wohl von ihren Haaren aus ging. Verwirrt betrachtete ich diese genauer und dann schoß es mir durch den Kopf: Es war eine Perücke...
Das sah man gar nicht...

Unsicher und traurig verringerte ich meinen Druck um sie, woraufhin die Ärztin mich los ließ. Mit einem Lächeln begleitete sie mich noch zum Wohnzimmer, wo die Familie Pawlow Platz genommen hatte.
Dain saß in einem Sessel und las Zeitung, während seine Mutter strickte und seine zwei Söhne Moe und Ivar am Handy spielten.
Zwar wunderte ich mich, dass Marek immer noch schlief, doch war ich auch froh darum.

Ich räusperte mich, sodass alle ihren Blick zu mir wandern ließen und nervös spielte ich mit meinen Fingern. „Ich wollte euch Bescheid sagen, dass ich jetzt nach Hause gehe. Das war echt ein tolles Weihnachten und ich danke euch allen wirklich sehr. Bis bald", versuchte ich mit möglichst fester Stimme von mir zu geben und erschrak, als Moe plötzlich aufsprang und zu mir rannte. Keine Sekunde später fand ich mich erneut in einer Umarmung und versuchte all die schlechten Gefühle von mir wegzuschieben.

Ich wollte nicht gehen.
Wollte ich wirklich nicht.
Mir gefiel es hier verdammt gut, aber es hatte keinen Sinn.
Ich musste weg von Marek und mein Leben wieder in den Griff bekommen und das schaffte ich nicht, solange ich hier blieb und das wusste ich.

„Warum musst du schon gehen? Wir müssen noch so viele Lieder spielen!", zupfte Moe an meiner Jacke und sah mich enttäuscht an. Niedergeschlagen versuchte ich mich an einem Lächeln, scheiterte jedoch. „Ich kann doch mal wieder kommen und dann spielen wir so viel du willst", versprach ich dem Kleinen, der daraufhin wieder etwas glücklicher nickte.

Auch Ivar, Henriette und Dain nahmen mich zur Verabschiedung kurz in den Arm. Ihre Angebote, mich nach Hause zu fahren, lehnte ich dankend ab. Ich wusste ja nicht, ob ich wirklich da hin gehen wollte...
Geschweige denn, wo ich sonst hin sollte.

„Lass dich ruhig wieder verprügeln", grinste Ivarin mich an, nachdem ich aus der Tür getreten war und lächelnd drehte ich mich noch mal um. „Ich überleg es mir", grinste ich zurück und winkte der Familie, die an der Türe stand.
„Tschüss!", rief ich, drehte mich um und setzte mechanisch einen Fuß vor den anderen.

Ich musste jetzt gehen.
Ich musste und das wusste ich.
Wieso zog es so in meiner Brust?
Wieso zitterte ich so?
Bestimmt nur, weil es so verdammt kalt war!

Der Schnee knirschte unter meinen alten Schuhen und einer seltsamen Eingebung folgend drehte ich mich am Ende der Straße noch mal kurz zu dem riesigen Haus um.
Es schien mich zu rufen, zu locken, doch ich widerstand dem Drang zurück zurennen.
Dort drin war Marek und diesem musste ich wirklich aus dem Weg gehen.
Es konnte nicht gut enden und das wusste ich.
Ich wusste es und wünschte mir, es wäre anders.

In Gedanken versunken lief ich die Straßen entlang, durch den Schnee und die Kälte und fühlte mich leer.
Leer, allein und verlassen.
Ich sehnte mich nach etwas, aber ich wusste nicht was.
Es zerriss mich und meine Augen brannten, während ich mich auf den Weg vor mir konzentrierte.

Ich lief und lief, achtete nicht auf meine Umgebung.
Meine Handy vibrierte, doch ich ignorierte es.
Meine Gedanken flogen wild umher und verzweifelt versuchte ich einfach alle zu sortieren, was mir nicht gelang.
Ohne, dass ich es wollte, stand ich vor dem Mehrfamilienhaus und sah an der kaputten Fasade nach oben.
Mein ganzer Körper zitterte vor Kälte und missmutig schloß ich die Türe auf, um ins Treppenhaus zu gelangen.

Ängstlich atmete ich tief durch, lief hinauf und schloß auch hier die Eingangstüre auf.
Panik durchzuckte mich, doch, als ich sah, dass niemand da war, entspannte ich mich etwas.
Überfordert betrachtete ich das Chaos zu meinen Füß und stolperte über alles mögliche, während ich zu meinem Zimmer ging.
Dort ließ ich mich niedergeschlagen auf mein altes Bett sinken und schloß meine Augen.

Mir fiel auf, wie kalt und wie hart der Untergrund war.
Zu sehr hatte ich mich an etwas anderes gewöhnt und schnaufend zog ich an meinen Haaren.
Ich musste aufhören damit und zwar sofort!
Es wird kein Gedanke mehr verschwendet!
Nicht an sein Zimmer, nicht an sein Haus, nicht an ihn!
Mein Magen knurrte und hilflos murmelte ich mich zusammen. Ich hatte mich wohl auch an regelmäßiges Essen gewöhnt.
Na toll.

Nachdem ich noch etwas nachgedacht hatte stand ich dann auf, um zu duschen.
Natürlich war auch hier das Wasser arschkalt, doch ich störte mich nicht länger daran, passte es doch zu meiner Gefühlslage.
Danach machte ich mich fertig und beschloss mal wieder das Chaos zu beseitigen.
Wenig begeistert machte ich mich an die Arbeit, verzog hin und wieder das Gesicht, bei dem Müll, schaffte es schlussendlich aber doch und betrachtete dann stolz mein Werk.

Nun, da ich wieder nichts zutun hatte begann ich schon wieder zu grübeln.
Ich wollte es nicht und verzweifelt suchte ich nach einer neuen Ablenkung.
Somit griff ich schnell zu meinem Handy, um bei Lenny anzurufen und Bescheid zu sagen, dass ich doch wieder arbeiten konnte, stuzte aber, als ich die Nachrichten darauf sah.

Wo bist du?'
Hatte eine Unbekannte Nummer geschrieben und mein Herz blieb stehen. Ich ging drauf und las den ganzen Chat durch.

Quinn?'

‚Quintus Jamie Dekker, wo bist du?!'

‚Alter, dein Scheiß Ernst?!'

‚Fick dich, Quinn. Wie kindisch kann man sein?!'

Erschrocken ließ ich das Handy fallen, als sich der Display änderte, da mich diese Nummer anrief.
Mein Herz polterte in meiner Brust und meine Finger zitterten, während ich einfach nur auf das Handy starrte und mich nicht rührte.
Dann endete der Anruf und überfordert fuhr ich mir kurz durch die Haare, um danach das Handy wieder in die Hand zu nehmen.

Panisch ging ich auf die Anruferliste und sah, dass diese Nummer schon öfter angerufen hatte.
Ich drückte die Tasten nach unten, zu dem Abend, als ich verprügelt wurde.
Es war die gleiche Nummer, die ich damals ausversehen gewählt hatte.

Fragile - Falling like the stars || boyxboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt