| Chapter Ninety-Five |

223 19 24
                                    

Mein gefrorenes Herz schrie, wollte aus meiner Brust brechen, sich in Wärme retten.
Doch da war nichts, dass noch warm gewesen wäre, nichts, dass mich noch retten konnte.

„Ganz ehrlich Quinn, du wunderst dich gerade nicht wirklich, oder? Du hast in den letzten Wochen nicht gerade Positives dazu beigetragen, oder?", motzte Griff nun sichtlich sauer und ich trat einen Schritt zurück, da es sich wie ein Schlag ins Gesicht anfühlte.
Das Verrückte dabei war, dass ich wusste, dass er Recht hatte.
Alles, was er sagte, war wahr und doch tat es mir unglaublich weg, es zu hören.

Die ganze Zeit war es nur in meinem Kopf gewesen, doch nun, da es laut ausgesprochen worden war, wurde es real, wurde es echt und ich konnte nichts dagegen tun.
Ich hatte die Kontrolle verloren und wusste nicht, wie ich es ändern konnte.

Ich fühlte mich wie in einem Auto, welches auf eine Klippe zu raste, ohne Lenker, ohne Bremse.
Ohne Ausweg.

„Hört auf", versuchte Isa uns zu beruhigen, doch wurde wieder still, nachdem ich sie böse anschaute.
„Ja verdammt, hab ich nicht. Aber ihr genauso wenig. Tolle Freunde habe ich. Euch hat es doch einen Scheiß interessiert, wie es mir ging", warf ich ihnen vor und im gleichen Moment wollte ich es zurück nehmen, denn das stimmte nicht und das wusste ich selbst.

„Nach allem, was wir für dich getan haben, muss ich mir das nicht vorwerfen lassen", knurrte Griff mich zurecht an, nahm Isa bei der Hand und drehte mir den Rücken zu.
Die vertraute Geste der beiden brannte in meinem Magen und meine Fingernägel bohrten sich schmerzhaft in meine Haut, während ich meine Hände fester zu Fäuste zusammen ballte.

„Du gehst zu weit. Wir reden weiter, wenn du dich beruhigt hast", fügte Joy hinzu und drehte sich zu den anderen, sodass sich nun alle drei von mir entfernten.

Sie gehen zu sehen machte etwas mit mir.
Sofort war ich wieder klein.
Klein, allein, nichts.

Meine Finger zitterten, mein Herz wurde erstickt von Angst, Panik und Wut und mein Kopf schaltete sich einfach aus.
„Ja, geht einfach. Ich brauch euch nicht", rief ich ihnen hinterher und bereute die Worte sofort wieder.

Keine Sekunde später stand Griff vor mir und stieß mich gegen die Brust.
„Was ist los mit dir, man?!", giftete mich mein Freund an und sauer ging ich einen Schritt auf ihn zu.
Wir standen uns so nah, dass ich die leichten Sommersprossen auf Griffins heller Haut sehen konnte. So nah, dass ich einen Ader an seiner Stirn pulsieren sehen konnte. So nah, dass ich die hellen Sprenkel in seinen braunen Augen sehen konnte.

„Was mit mir los ist, willst du wissen? Meine besten Freunde haben Geheimnisse vor mir und schließen mich aus", beschwerte ich mich bei ihm und sah etwas in Griffins Blick aufflackern. Mitleid oder Schuld vielleicht, doch das verging und machte Trotz und Wut Platz.
„Wenigstens ziehen wir uns nicht zurück und geben dem anderen das Gefühl, alles falsch zu machen", erwiderte er und ich zog scharf die Luft ein.

Die Worte, die wir um uns warfen schnitten tief in mein Fleisch und am liebsten würde ich schreien.
Was zum Teufel tat ich hier nur?!
Das waren doch meine Freunde, oder nicht?

„Was geht denn hier ab?".
Genervt drehte ich mich um und sah Karim grinsend hinter mir stehen.

Mittlerweile hatte sich eine große Menschenmenge um uns herum versammelt und ich war so in meinem Hass gefangen gewesen, dass ich es nicht mal bemerkt hatte.
Hinter Karim standen noch Killian und Yoldas. Weiter hinten sah ich Silas, Timba und Chester zu mir laufen und dann sah ich auch Marek.

Waldgrün verschmolz mit Ozeanblau.

Meine Gedanken rasten.
Unglaublicher Druck baute sich in mir auf und mit einem mal fühlte ich mich wie auf einem Silbertablett.

„Du hast Recht", wand ich mich an Griff und überrascht sah mich mein Freund an.
Meine Stimme war ruhig und ausgeglichen.
Meine Atmung war tief und gleichmäßig.
Ich wusste, was ich tun musste.

„Aber ihr seid nicht diejenigen, die alles falsch machen, sondern ich bin das. Ich verstecke mich jeden Tag, weil ich dachte, dass das einfacher ist und laufe weg, sobald es ernst wird, aber ich habe keine Lust und keine Kraft mehr dazu. Es reicht. Ich kann mich nicht mehr verstellen und will das auch nicht. Der Grund, warum ich die Dinge tu, die ich tu, ist, weil ich unsicher bin. Ich bin unsicher, wer ich bin, wer ich sein will. Unsicher, was ich sagen oder tun soll. Unsicher, in allem. Und ich will nicht, dass jemand diese Unsicherheit sieht, aber dass ist doch Bullshit. Wir sind doch alle unsicher, oder nicht? Unsicher und ängstlich und wollen lieber verstecken, wer wir wirklich sind. Ich hab da kein Bock mehr drauf. Mein Name ist Quintus Dekker. Meine Mutter behandelt mich wie Dreck, mein Vater ist tot. Ich habe tolle Freunde, die ich nicht zu schätzen weiß. Ich bin schwul und bin werde nicht länger feige sein und es verstecken", fielen die Worte einfach aus meinem Mund, während ich den Blick zu den Schülern um mich herum wandern ließ und mit jedem Buchstaben fühlte ich mich leichter.

Beim letzten Satz sah ich Marek direkt in die Augen und erst, als ich dessen Entsetzen sah, wusste ich, dass ich einen Fehler gemacht hatte.
Fuck.
Shit.
Scheiße...

Es war still, totenstill.
Niemand regte sich, niemand sagte etwas.

In meiner Vorstellung hatte ich gedachte, dass jemand vielleicht klatschen würde.
Heimlich hatte ich davon geträumt, dass Marek zu mir kommen und meine Hand nehmen würde.

Was zur Hölle hatte ich mir nur dabei gedacht?!

Mareks Augen wollten mir etwas sagen, doch ich verstand sie nicht.
Ich wollte ihm zeigen, dass es okay war, der zu sein, der man nun mal war, doch hatte alles nur noch schlimmer gemacht.

Meine Finger begannen zu zittern und ich tat das, was ich am besten konnte.
Mit Tränen in den Augen und einen schwerem Gefühl im Magen quetschte ich mich durch die Schüler, die wohl aus ihrer Trance aufwachten und wild durcheinander redeten.

Ich hörte Rufe, Lachen, Geflüster.
So gut es ging blendete ich alles aus, bahnte mir einfach einen Weg durch die Leute, immer weiter zum Ausgang.
Die Türe stieß ich auf und flüchtete an die frische Luft.
Mit großen Schritten entfernte ich mich von dem Gebäude und den Menschen darin.

————————
Helloooo

Was haltet ihr von Quinns Aktion?
War das mutig oder dumm?

Eure Ella <3

Fragile - Falling like the stars || boyxboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt