Für mich ist die heutige Unterrichtseinheit beendet, denn ich werde von All Might zu Recovery Girl gebracht, die sich meine Verletzungen anschaut. Herr Aizawa stößt auch dazu, als die Stunde vorbei ist, anscheinend interessiert ihn auch, wieso ich heute trotz Kampfvermeidung so unter Schmerzen gelitten habe. Die ältere Dame muss sich gar nicht lange anschauen, was mein Problem ist, anscheinend merkt sie es mehr als schnell.
"Ah ja, das ist ganz einfach: Du hast deine Spezialität überanstrengt, Kleines."
Nichts Neues. Herr Aizawa hebt allerdings fragend eine Augenbraue und ich seufze.
"Wie kann das sein? Sie hat ihre Kräfte während der Stunde kaum eingesetzt."
"Ich kann dir nur sagen, was Sache ist, Shota. Aber keine Sorge, ich kann dir schnell Linderung verschaffen, Kleines. Allerdings solltest du dich, was deine Spezialität angeht, zumindest morgen gut schonen. Übertreib' es nicht, zu großer Ehrgeiz ist schädlich, wie du heute gemerkt haben solltest."
Beinahe hätte ich spöttisch aufgelacht, konnte das aufkommende Lachen aber gerade so noch wieder herunterschlucken. Stattdessen nicke ich und lasse die Behandlung einfach geschehen, bevor ich mich mit einer kurzen Verbeugung verabschiede und die Krankenstation verlasse.
Zu meinen Schmerzen, die jetzt zumindest ein wenig gelindert sind, kommt jetzt noch eine unglaubliche Müdigkeit durch Recovery Girls Behandlung, weshalb ich mir kurz über das Gesicht fahre und dann zu den Umkleiden zurückgehe. Es ist totenstill, nur meine Schritte hallen von den Wänden der Gänge wider, allerdings begrüße ich diese einladende Ruhe im Moment sehr.
Als ich die Kabine betrete, ist bereits jeder andere gegangen und so habe ich meine Ruhe, während ich mich umziehe. Ich lasse mir Zeit, um möglichst wenig Zeit zuhause verbringen zu müssen, denn das bedeutet, dass ich meinem Vater begegnen werde.
In Gedanken gehe ich bereits mögliche Szenarien durch, was zuhause passieren könnte, weshalb ich fast nicht bemerkt hätte, wie jemand auf den Treppen vor dem Eingang des Schulgebäudes sitzt. Diese Person scheint auf jemanden oder etwas zu warten und spielt gedankenverloren mit einer Schnalle seines Rucksacks herum.
"Shoto?" frage ich verwirrt nach, denn seine Haarfarbe würde ich überall erkennen. Der Junge dreht sich zu mir um und als er mich erkennt, steht er auf und kommt zu mir, um mich dann irgendwie besorgt zu mustern.
Manchmal ist dieser Kerl ein echtes Rätsel, erst tut er so, als wäre er ein wahrer Eisblock und dann plötzlich sorgt er sich doch um mich. Trotzdem lächle ich ihn schwach an, während er mich nur erwartungsvoll anschaut.
"Meine Spezialität ist überstrapaziert, deshalb hat jede Benutzung dieser so höllisch wehgetan." gebe ich ihm dann die Antwort, auf die er so zu brennen scheint.
"Aber wie? Du hast sie doch kaum benutzt."
Fragend schaut Shoto mich an, während ich seufze und den Kopf senke. Er wird bestimmt nicht locker lassen, bis ich ihm eine gute Begründung gebe und das Schlimme ist, dass ich ihn nachvollziehen kann, denn ich wäre genau so beharrlich.
"Das stimmt so nicht." flüstere ich, so unangenehm mir das Ganze auch gerade ist.
"Was meinst du?"
Ich schlucke. Jetzt kommt's, ich erzähle das erste Mal in meinem Leben mehr über mich und mein Privatleben.
"Mein... mein Vater. Er zwingt mich, meine Spezialität zu perfektionieren. Er will unbedingt die perfekte Heldin aus mir machen und lässt mich dafür oft an meine Toleranzgrenzen und über diese hinausgehen. So will er diese steigern, aber dass das eher schädlich als gut für mich ist, interessiert ihn nicht."
Ich halte den Blick gesenkt.
"Ist er der Grund, wieso du so verschlossen bist?" kommt da auf einmal die Frage von Shoto, die mich dazu bringt, wieder hochzuschauen. Kurz zögere ich.
"Ja." murmle ich schließlich.
"Schon seit ich ein kleines Kind war, trimmt er mich darauf, die perfekte Heldin zu werden. Und am Wichtigsten war ihm dabei, dass Gefühle mein Urteilsvermögen niemals beeinflussen dürfen, diesen Satz habe ich beinahe täglich zu hören bekommen. Es war ihm wichtiger, dass ich eine Heldin werde, als dass ich eine normale Kindheit hatte, deshalb habe ich irgendwann gelernt, meine Gefühle wegzuschließen und niemanden an mich heranzulassen."
Das ist das erste Mal, dass ich in Bezug auf mein Leben etwas ehrlicher war als sonst und dass das ausgerechnet gegenüber Shoto Todoroki sein würde, hätte ich mir niemals erträumt. Einige Zeit lang ist es still und gerade, als es unangenehm wurde, höre ich, wie Shoto sich räuspert.
"Mein Vater hat mich fast genau so behandelt. Er will auch, dass ich der Nr.-1-Held der Welt werde und hat mich auch seit der Kindheit darauf trainiert. Er hat meine Mutter nur wegen ihrer Spezialität geheiratet, um den perfekten Nachfolger zeugen zu können, und genau diesen sieht er in mir. Ich habe die Fähigkeiten meiner Eltern in gleichen Maßen geerbt, beherrsche das Feuer wie auch das Eis. Deshalb hatte auch ich, anders als meine Geschwister, keine normale Kindheit, habe die meiste Zeit über trainieren müssen. Mein Vater hat mich nie als seinen Sohn angesehen, sondern als einen Rohdiamanten, den er mit der Zeit perfekt schleifen kann. Durch seine strenge Erziehung habe ich gelernt, dass es gefährlich sein kann, anderen gegenüber Gefühle zu zeigen, deshalb habe ich es mir angewöhnt, immer erst einmal kalt gegenüber allem zu sein."
Erstaunt schaue ich Shoto in die Augen, denn ich habe nicht erwartet, dass er mir auch offenbart, warum er immer so verschlossen wirkt. Dass er ähnliches wie ich durchmachen musste, lässt mich noch schlechter fühlen, allerdings kann ich ihn nun auch ein Stück weit besser verstehen.
"Das... tut mir leid, Shoto." murmle ich, doch Shoto schüttelt den Kopf.
"Das muss es nicht, du hast genau so viel durchgemacht. Es ist allerdings schön zu wissen, dass... jemand anderes auch weiß, wie sich das eigene Leben anfühlt. Selbst wenn mir das leid tut."
Ich schlucke und streiche mir eine Haarsträhne weg.
"Ich danke dir, Akira."
Da war er wieder. Mein Vorname! Ein leichtes Lächeln schleicht sich auf meine Lippen, obwohl ich nicht einmal weiß, wofür Shoto sich bedanken will.
"Ich danke dir, dass du mir das anvertraust hast."
Sofort fühle ich mich wieder schlecht, weil er immer noch so wenig von mir weiß. Wahrscheinlich war das, was er mir gesagt hat, schon der Großteil von dem, was er sonst geheim hält, während ich ihm nur einen winzigen Teil anvertraut habe. Trotzdem zwinge ich mir ein Lächeln auf die Lippen und nicke.
"Ich danke dir auch, Shoto."
Wir verbeugen uns leicht voreinander, bevor Shoto sich umdreht und sich anscheinend auf den Weg nach Hause macht. Kurz stehe ich noch da und verarbeite das eben geschehene, bevor ich tief durchatme und mich ebenfalls auf den Weg nach Hause mache.
Die beiden haben sich zumindest einen Teil gegenseitig anvertraut und damit endlich mal einen guten Schritt nach vorn gemacht. Mal schauen, wie sich das Ganze noch weiter entwickelt, immerhin gibt es noch etwas aus Akiras Vergangenheit, das selbst das Mädchen noch nicht kennt. Was das ist? Tja...
Lasst mich so viel sagen, diese Sache wird eine ziemliche Belastungsprobe für die Beziehung von Shoto und Akira. :))
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elementary || shoto todoroki
FanfictionAkiras Vater hat das junge Mädchen auf die UA gelassen, damit sie eine Heldin wird und ihre Familie stolz machen kann. Dass Akira eigentlich gar nicht die natürlichen Voraussetzungen dafür haben dürfte, weiß niemand. Niemand außerhalb ihrer Familie...