vol. 12: Laborberichte

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Gemeinsam mit Shoto gehe ich zurück in Richtung Klassenraum, wo wir dann auch von Ochako, Izuku und Tenya empfangen werden. Doch anstatt, dass er bei uns stehenbleibt, setzt Shoto sich sofort auf seinen Platz und am liebsten hätte ich geseufzt, aber da ich jetzt seinen Hintergrund und seine Sicht auf unsere Klassenkameraden kenne, lasse ich es und wende mich stattdessen meinen Freunden zu.

Irgendwo bin ich ja genau so wie er, aber er stellt sich deutlich sturer an und sieht das alles viel ernster, als ich. Ich wollte von Anfang an lernen, offener zu werden und fähig zu sein, ein paar Freundschaften zu knüpfen, die mir weiterhelfen. Shoto auf der anderen Seite sieht so gut wie jeden hier als Konkurrenten und hat nicht im Sinn, Freundschaften zu beginnen.

Den Kopf leicht schüttelnd wende ich mich wieder den Gesprächen der anderen zu, bis der Unterricht weitergeht, der sich zum Glück nicht allzu sehr zieht. So heißt es früher oder später Schulschluss und wir verabschieden uns voneinander, um nach Hause zu gehen.

Zuhause angekommen verfliegt ein Teil meiner guten Laune sofort wieder, als mein Vater mir unter die Augen tritt.

"Hallo Akira, wie geht es dir heute?"

Es ist klar, dass er eigentlich wieder mit mir trainieren will und nicht wirklich an meinem Wohlergehen interessiert ist, woraufhin ich nur leicht die Augen verdrehe.

"Wenn überhaupt darf ich meine Spezialität morgen wieder einsetzen und auch dann nicht sofort wieder auf höchster Stufe. Du wirst dich also gedulden müssen, bis ich wieder so einsatzfähig bin, wie du es gerne hättest."

Mit einem gekünstelten Lächeln gehe ich an dem Mann vorbei und dann nach oben in mein Zimmer, wo ich meinen Rucksack neben meinem Schreibtisch abstelle und mich rücklings auf mein Bett fallen lasse.

Trotz all der Jahre, in denen ich mich gegenüber seiner Worte und Taten abgehärtet habe, schafft er es immer noch, mich mit seiner Art zur Weißglut zu bringen, und das nagt mehr an mir, als ich es zugeben würde. Lange starre ich einfach die Decke über meinem Bett an und hänge meinen Gedanken nach, wobei diese auffällig oft zu Shoto und unserem heutigen Gespräch unter dem Baum abschweifen.

Schließlich setze ich mich aber doch wieder auf, denn so langsam bekomme ich Hunger und mache mich deshalb auf den Weg wieder nach unten in unsere Küche. Dort mache ich mir schnell etwas Kleines zu essen und setze mich mit meiner Schale voller Essen ins Wohnzimmer, um vor dem Fernseher essen zu können.

Doch bevor ich nach der Fernbedienung hätte greifen können, um den Fernseher einzuschalten, bleibt mein Blick an einem Notizblock auf dem Tisch vor mir hängen. Ich habe unbewusst meinen Namen gelesen und bin nun dementsprechend neugierig, was es über mich zu schreiben gibt.

Also stelle ich die Schale kurz wieder ab, greife stattdessen nach dem Block und entziffere recht schnell die Schrift meines Vaters.

'Trainingsbericht Akira, 17. September' steht da als Überschrift und ich hebe eine Augenbraue. Was habe ich eigentlich anderes erwartet, natürlich macht mein Vater sich tausend Notizen zu seinem kleinen Experiment alias mir. Über all die Jahre hinweg müssen sich inzwischen doch Millionen Zettel angesammelt haben, wenn er wirklich alles 'Wichtige' dokumentiert hat, was meine Entwicklung und mein Wesen angeht...

Etwas angewidert über das Verhalten meines Vaters rümpfe ich die Nase und nehme mir die nächsten Zeilen des Berichts vor.

'Akira hat ihre Spezialität trotz jahrelanger Geheimhaltung gut im Griff und weiß ihre Fähigkeiten einzusetzen. Ihr schwächster Teil scheint meiner Einschätzung nach dennoch das Feuer zu sein, während der Wind, ihre meistgenutzte Fähigkeit, am stärksten ausgeprägt und trainiert ist. Vielleicht liegt ihre Schwäche an der geringen Menge an TE-F, die uns für ihre Entstehung zur Verfügung standen, leider waren uns nicht mehr verwendbare Blutproben gegeben.'

Nun komplett verwirrt lege ich meine Stirn in Falten. Was zur Hölle bedeutet TE-F? Und wieso ist das Feuer laut meinem Vater so viel schwächer als die anderen drei Elemente bei mir?

Mein Kopf raucht vor Fragen und schnell lege ich den Notizblock wieder weg, bevor mein Kopf explodiert. Haben meine Eltern mir doch noch etwas verschwiegen, während ich all die Jahre glaubte, alles über meine Entstehungsgeschichte zu wissen? Gibt es doch noch etwas, was ich nicht über mich selbst weiß?

Angespannt beiße ich mir auf die Unterlippe und schaue mich im Wohnzimmer um. Meine Mutter ist um diese Uhrzeit immer in der Klinik unterwegs, in der sie arbeitet, aber mein Vater könnte noch im Haus sein.

Es wäre riskant, ausgerechnet jetzt nach Antworten zu suchen, wenn es wahrscheinlicher ist, dass ich erwischt werde, aber auf einen Moment zu warten, in dem ich allein zuhause bin, kann ich nicht. Ich muss wissen, was mein Vater mit den im Bericht erwähnten Sachen meint.

Das kleine, private Labor, das sich ebenfalls in unserem Haus befindet, ist eigentlich verboten für mich und ich wollte da auch nie etwas mit zu tun haben, das Labor hat mich immer zu sehr an meine Unnatürlichkeit erinnert.

Jetzt haben sich die Umstände allerdings geändert, weshalb ich auch kaum zögere und schnell durch die Tür schlüpfe, die mich von meinen erhofften Antworten trennt. Leise, um meinen Vater auf keinen Fall zu alarmieren, schleiche ich durch die Räume, die meine Eltern als Labor nutzen, auf der Suche nach etwas, das mir helfen könnte.

An sich wirkt dieser Bereich wie ein normales Labor, das leidenschaftliche Wissenschaftler eben dazu nutzen, um auch privat ihrem Beruf nachgehen zu können. Wenn man aber weiß, was sie hier eigentlich tun oder getan haben, wandelt sich das positive Bild dieses Labors ganz schnell.

Es kostet mich ein wenig Zeit, bis ich zu den Akten gelange und ich mache mich sofort daran, nach einer mit meinem Name zu suchen. Sie ist, wie bereits erwartet, sehr dick im Vergleich zu den anderen, da mein Vater ja bis heute Informationen über mich zu sammeln scheint.

Leise seufzend schlage ich die erste Seite auf und erblicke ein ordentlich geführtes Inhaltsverzeichnis. Ein leichtes Lächeln bildet sich auf meinen Lippen und ich danke meiner Mutter im Stillen für ihren Drang zur Ordnung, denn das erleichtert mir einiges, ich muss nicht alles selbst raussuchen.

So schnell ich kann überfliege ich die einzelnen Zeilen, bis ich bei den Einträgen über meine Spezialität ankomme. Das scheint das einzige zu sein, in dem etwas über diese Stoffe TE-F oder wie das auch hieß stehen könnte, zumindest klingt keiner der anderen Stichpunkte so, als würden sie etwas darüber preisgeben.

Also schlage ich die entsprechenden Seiten auf und beginne mit dem ersten Absatz: 'Akira Shirizou wurde mit der Spezialität Elements geboren. Ihre Spezialität zeigte sich pünktlich zu ihrem 4. Geburtstag, was aufgrund unserer Berechnungen aber bereits vorhergesagt wurde. Durch im frühen Alter begonnenes Training wurde ihr beigebracht, die vier Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft kontrollieren zu können.'

Wenige Sätze später erblicke ich einen Nachtrag, der inzwischen erneut ergänzt wurde.

'Nachtrag: Scheinbar hat Akira ihre Bindung zu den Elementen Feuer und Wasser verloren, denn sie kann diese nicht mehr kontrollieren. Stattdessen wird mit ihr von nun an trainiert, die Erde und die Luft zu bändigen. Erneute Korrektur: Akira besaß die Kräfte die gesamte Zeit über, hielt sie aber für Jahre versteckt.'

Tja, Akira erfährt nun noch ein wenig über sich selbst. Und dafür eher wenig positives, wie man sich vielleicht denken kann.
Habt ihr eine Ahnung, was dieses 'TE-F' sein könnte? Eigentlich steckt etwas simples hinter der Abkürzung, aber man muss auch erstmal drauf kommen ;)

elementary || shoto todorokiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt