vol. 16: Willkommene Nähe

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Schnell senke ich den Blick und hoffe, einfach hier wegzukönnen. Zum Glück wurde mein Wunsch erhört, denn einer der Lehrer bringt uns zum Bus, als mir einfällt, dass Herr Aizawa fehlt. Ich habe gesehen, dass er ebenfalls gegen dieses Ungetüm gekämpft hat und einiges einstecken musste, weshalb meine Sorge um unseren Lehrer sofort steigt.

"Halt, was ist mit Herr Aizawa?" fragt da auch Izuku und fast alle schauen erwartungsvoll zu einem der Lehrer, der daraufhin seufzt.

"Wir wissen noch nichts genaues, aber es scheint ihn ernst getroffen zu haben. Sowohl sein Arm, als auch sein Gesicht und Kopf mussten einiges einstecken."

Ich schlucke hart und steige dann betroffen in den Bus, innerlich betend, dass Herr Aizawa sich schnell erholt und keine bleibenden Schäden davonträgt. Zu meinem Erstaunen setzt Shoto sich neben mich, während jeder andere von meinen Mitschülern meinen Blick dagegen zu meiden scheint.

Die gesamte Fahrt über herrscht betroffenes Schweigen und ich komme nicht umhin, daran zu denken, dass das auch teilweise mein Verdienst sein könnte. Die Sorge und der Schock sind zwar am präsentesten, aber auch die Enttäuschung ist deutlich zu spüren, zumindest für mich.

Als wir an der UA angekommen sind, verschwinden viele nach einer kurzen Verabschiedung und leider auch meine Freunde, wobei sie sich eher schlecht als recht verabschieden. Ich schlucke hart und spüre ein ähnliches Stechen in meiner Brust, wie damals, als Shoto plötzlich wieder so kalt zu mir war und ich verabscheue dieses Gefühl abgrundtief.

Kurz schließe ich meine Augen und lasse den Kopf leicht hängen, bevor ich meinen Rucksack hole und mich ebenfalls auf den Weg nach Hause machen will.

"Hey, Akira!" sagt da jemand und diese Stimme klingt mittlerweile sehr beruhigend und vertraut für mich. Ich bleibe stehen und drehe meinen Kopf leicht, um Shoto dann auf mich zukommen zu sehen.

"Shoto, ich..." will ich anfangen, aber als ich spüre, wie meine Augen anfangen, wässrig zu werden, wende ich den Blick schnell wieder ab. Seit Ewigkeiten habe ich nicht mehr geweint, aber dass selbst meine Freunde, die ersten, die ich jemals wirklich hatte, sich nun zurückziehen, tut einfach weh. Mir ist bewusst, dass ich sie mit diesem großen Geheimnis verletzt habe, weil ich ihnen das nicht anvertraut habe, aber dass sie gleich so reagieren...

"Willst du es mir erklären?" fragt Shoto da nach und ich atme tief durch.

"Was soll ich da noch erklären? Du hast es selbst am besten gesehen, ich kann alle vier Elemente kontrollieren und nicht nur die Luft."

Mit größter Anstrengung kann ich eine feste Stimme behalten, doch es kostet mich viel Mühe.

"Ja, das habe ich gesehen. Aber wieso hast du es geheimgehalten?"

Ich schließe meine Augen, denn nun muss ich mich entscheiden, ob ich alle Karten offenlege oder doch wieder jemanden anlüge.

"Das ist... nicht so einfach für mich, Shoto." murmle ich, noch immer halb von dem Jungen abgewandt und mit gesenktem Kopf. Shoto wollte sich wohl schon mit der Antwort zufriedengeben, bevor ich doch noch fortfahre, mehr aus einem Instinkt heraus und weil es sich so anfühlt, als wäre es richtig, ihm das anzuvertrauen.

"Mein Vater hat... mich immer wie ein Versuchsobjekt behandelt, ähnlich wie dein Vater dich in deiner Kindheit. Er wollte unbedingt, dass ich perfekt werde und die vier Elemente beherrsche. Mein Verhältnis zu ihm war noch nie gut und ich wollte ihm nicht die Genugtuung geben, die Elemente zu verwenden. Deshalb habe ich mich von drei von ihnen abgewandt und die Luft als meine eigene Spezialität angenommen. Es fällt mir schwer, mich jemandem anzuvertrauen und ihm alles über meine Vergangenheit zu erzählen, deshalb und wegen noch so viel mehr habe ich noch nie jemandem von meiner eigentlichen Kraft erzählt. Ich wollte nicht, dass das jemals herauskommt, aber als ich dann heute gesehen habe, wie du in Schwierigkeiten gesteckt hast, habe ich... einfach instinktiv gehandelt."

Ich hebe kurz den Blick und schaue ihm in die Augen, während in meinen leicht die Tränen glitzern.

"Shoto, es gibt noch so viel, was du nicht über mich weißt, was noch niemand sonst über mich weiß, aber... ich kann da einfach noch nicht drüber reden. Es macht mir Angst, wie sie darauf reagieren, wenn sie jetzt schon so abweisend und verletzt sind. Sie werden mich hassen, wenn alles rauskommen sollte!"

Ich schlucke und schaue wieder weg, da mir tatsächlich eine Träne die Wange herunterfließt. Kurz stehen wir einfach still da, bevor ich Schritte höre und wenig später eine Wärme neben mir spüre. Erschrocken zucke ich zusammen und versteife mich, als ich spüre, wie Shoto seine Arme um mich legt und mich leicht an sich zieht.

Kurz muss ich mich an diese ungewohnte Situation gewöhnen, bevor auch ich langsam meine Starre löse und meine Arme um ihn schlinge, da seine Umarmung sich erstaunlich gut anfühlt. Außer meiner Mutter hat noch nie jemand mich in den Arm genommen, also weiß ich nicht wirklich, wie ich damit umgehen soll, aber jetzt gerade weiß ich, dass ich mich wohlfühle und lasse es dementsprechend geschehen.

Ein paar weitere Tränen laufen über meine erhitzten Wangen, aber da Shoto das durch die Umarmung nicht sehen kann, ist es okay und ich kann mich schneller wieder beruhigen, als gedacht.

"Du hast recht, mein Vater hat mich auch nicht wie seinen Sohn behandelt und genau deshalb bin ich auch so, wie ich bin. Und eben weil er mich immer so behandelt hat, habe ich auch einen gewissen Hass auf ihn entwickelt. Das ist auch genau der Grund, wieso ich meine linke Hälfte nicht benutze. Denn indem ich ein Profi-Held werde, ohne das Feuer meines Vaters zu benutzen, lehne ich meinen Alten komplett ab."

Ich spüre, wie Shoto sich leicht anspannt und streiche so intuitiv leicht über seinen Rücken, was wohl tatsächlich zu helfen scheint.

"Danke, dass du mir das anvertraut hast, Shoto." flüstere ich und merke, wie Shoto mich etwas fester zu sich zieht. Wenn man bedenkt, dass Shoto genau so wenig Erfahrung in körperlicher Nähe und Zuneigung hat, ist das hier gerade eine absolut absurde Situation, denn die beiden aus der Klasse, die sonst so kalt und unsensibel sind, gehen gerade so zutraulich und liebevoll miteinander um.

"Es ist okay, wenn du noch nicht über alles reden kannst oder willst, Akira. Niemand zwingt dich, sofort alles preisgeben zu müssen." kann ich Shoto noch leise sagen hören und spüre, wie durch diese Worte eine angenehme Wärme in meinem Herzen aufgeht.

Ich löse meinen Oberkörper ein wenig von seinem und schaue Shoto so direkt in die Augen, während er leicht zu mir herunterschaut und unsere Gesichter sich so sehr nahekommen. Kurz halte ich den Blickkontakt noch etwas, bis ich mich wieder etwas weiter an ihn kuschle und tief durchatme.

Das hier wird wahrscheinlich nur eine kurze Momentaufnahme, in der wir beide unsere Emotionen offen zeigen können und genau deshalb möchte ich es so lange genießen wie möglich.

"Danke Shoto." flüstere ich, wirklich dankbar, denn dieser Junge hier bei mir ist der Einzige, der sich meine Geschichte anhören will und bei mir geblieben ist, was mir unendlich viel bedeutet.

Aww, der erste körperlich-emotionale Moment zwischen Shoto und Akira ^^
Die beiden sind sich ähnlich von ihrer Vergangenheit und den Familienverhältnissen her, deshalb konnte Shoto auch so verständnisvoll reagieren.
Aber wartet's nur ab, wenn die gesamte Wahrheit ans Licht kommt he he he he😌

elementary || shoto todorokiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt