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Ich konnte und wollte mich nicht mehr bewegen. So schön es auch war, jetzt schmerzte meine untere Hälfte und ich durfte mein Frühstück im Bett zu mir nehmen. Rührei, Aufbackbrötchen mit Butter und Gurke darauf. Es sah nicht nur gut aus, sondern auch der Anblick wie es gemacht wurde sah perfekt aus. Ich konnte Ace die ganze Zeit beobachten und freute mich wie noch nie zu vor auf mein Frühstück. "Das ist nicht immer so oder? Mein Rücken tut weh und irgendwie mein Bauch auch. Als hätte du mich aufgespießt..." Während ich im Bett aß lehnte Ace nur in Boxershorts bekleidet im Rahmen der Balkontür, rauchte zufrieden und pustete so lange wie möglich den Qualm aus. "Keine Ahnung, ich hab keine Erfahrung mit deiner Rolle. Wenn ja, gewöhn dich dran. Tief war ich aufjedenfall." Er schnippste die Zigarette vom Balkon und kam zurück zu mir, krabbelte hinauf und fing an meinen Nacken zu küssen. "Vergiss es! Nein! Kein drittes Mal. Das schafft mein Körper nicht. Guck ich bin so dünn und zerbrechlich." Meine Abwehr ließ ihn in lautes Lachen ausbrechen und er schien wirklich mehr als glücklich zu sein. Keine Spur mehr von der miesen Laune am Vorabend. "Ah auf einmal ist dein dünner Körper dein größter Trumph. Verstehe."
Widerwillig, aber immer noch lächelnd legte er sich neben mich und checkte einfach nur sein Instagram, während ich aß.

Mitten drin mein Frühstück zu genießen schreckte Ace plötzlich auf und starrte auf sein Handy.
'Wollen uns dieses Wochenende wieder treffen? Warst der Beste den ich je hatte.'
Als ich aus dem Augenwinkel seine Nachricht laß fiel mir mein Brötchen direkt aus der Hand und landete krümmelnd auf dem Teller. "Ich schwöre dir, ich hab keine Ahnung wer das ist!" Genauso erschrocken sah er sich das Profil an, doch mehr als ein Profilfoto gab es da nicht und auch gefolgt wurde nur irgendwelchen Beauty Kanälen. "Sicher? In den letzten Tagen warst du ziemlich abwesend, nicht Mal zum Sport gingst du." Ich zählte eins und eins zusammen und war sicher Recht zu haben. Ungehalten warf Ace sein Handy in die Matratze und richtete sich auf. "Du spinnst doch! Nur weil random wer schreibt heißt das noch lange nichts."
Mit verlorenem Appetit stellte ich meinen Teller weg und drehte mich trotz Schmerzen ruckartig herum. "Wer schreibt den sowas aus Spaß! Das ist doch Quatsch. Dann zeig mir doch dein Handy!" Als er sah, dass ich mich beim Sitzen abmühen musste gab er genervt nach. "Bitte...hier!" Er griff nach seinem Handy, entsperrte den Bildschirm und warf es mir auf dem Schoß. "Du wirst nichts finden." Unsicher ob ich wirklich seine Nachrichten in WhatsApp und Instagram ansehen sollte zögerte ich und blickte ihm ein letztes Mal in die Augen bevor ich den Bildschirm wieder schloss und schwarz werden ließ. "Vergiss es. Wenn du sagst da war nichts, dann glaube ich dir." Schweren Herzens versuchte ich ihm zu vertrauen, wollte ihm glauben und hoffte nicht zu irren. "Du weißt genau das viele Weiber flirten, trotzdem... Ich hab mich im Studio für dich geoutet. Also mach keinen Aufstand." Sein letzter Satz ließ mich meine Entscheidung ihm zu vertrauen wieder bereuen, aber dennoch hielt ich ihm sein Handy vor die Nase, als es erneut eine Benachrichtigung anzeigte.
"Was nun?" Genervt öffnete Ace die zweite Nachricht und laß laut vor: "'komm schon, ich weiß was du magst.' Was zum Teufel soll das? Das doch ein dummer Scherz." Als er erneut nicht antwortete poppte die dritte Nachricht auf und auch die laß er vor. "'fein, wenn du nicht reagierst ... Dann eben anders.'"
Jetzt glaubte ich ihm vollständig und wartete mit ihm zusammen auf die nächste Nachricht. "Um fair zu sein... Vor dir hätte so ne Nachricht vielleicht wirklich gestimmt, VOR dir." Während wir warteten richtete sich Ace auf und setzte sich hinter mich, nur um mich zu umarmen. "Toller Trost." Ich war wenig begeistert, wenn ich nur daran dachte wie viel mehr Erfahrung Ace hatte und dachte darüber nach bis ein Bild im Chat geschickt wurde.
Augenblicklich stockte mir der Atem beim Anblick des Fotos und auch Ace war sprachlos. "Das bin .... bin ich!" Vor uns erschien ein Bild von mir unter der Dusche. In der Situation von gestern und in hoch Auflösung, doch kaum war es da, war die Zeit schon abgelaufen und das Bild nicht mehr aufrufbar. "Dieser miese kleine Bastard! Ich bring diesen Hund um!" Innerhalb von Sekunden wurde uns beiden klar das dieser Fake Account von Alex war und das er mich nicht nur beobachtet hatte, sondern auch noch heimlich aufgenommen. "Nein, das geht nicht."
Abwechselnd raste ein kalt-heißer Schauer über den Körper und vor meinen Augen wurde alles schwummrig. Es fühlte sich so an, wie an dem Tag als ich in der brühtenden Hitze umkippte.
"Was geht nicht? Ich prügeln ihm die Scheiße aus dem Leib, dass geht sehr wohl!"
Ace kochte vor Wut und war bereit auf zu springen, als ich ihn noch einmal zurück hielt.
"Aber das will er doch. Er weiß von deiner Vorgeschichte mit deinem Bruder und wenn du ihn verprügelst bist du derjenigen der am Ende dafür vor'm Richter landet."
Seinen Arm aus meinem Griff reißend tigerte er wütend hin und her, während er eine Zigarette anzündete und förmlich weg inhalierte, nur um schon die nächste an zu zünden. "Willst du etwa das er das Online stellt?"
Ich versuchte nach zu denken, meinen Grips sinnvoll ein zu setzen, doch hier und heute verließ er mich. "Nein, das will ich nicht, aber auch nicht das du Probleme bekommst. Ich will nicht das deine Eltern Recht haben mit dem was sie von dir halten!!" Mein zunächst ruhiges Wesen änderte sich zu einem lautstarken Brüllen, als ich dran dachte das jegliche Eskalation nur deren schlechtes Bild bestätigen würden. "Das ist... Das bin ich auf den Bild! Also kläre ich das ganz alleine! Und ich war damals nur allein am Bahnhof, weil ICH anmaßend zu deinen Eltern war, also löse ich das Problem." Völlig erschrocken darüber das auch ich laut werden konnte und jegliche Hilfe seinerseits abwehrte schnalzte er nur noch wütender mit der Zunge. "Tzz! Und was willst du tun? Das ist hier keine fucking Soap oder billiges koreanisches Drama TV! Was kannst du schon ausrichten?"
Seine Zweifel waren berechtigt und ich wusste auch noch keine Antwort darauf.
"Keine Ahnung, aber mir fällt schon etwas ein! Aber bitte tu nichts. Du bist doch sicher auf Bewährung verurteilt worden oder?"
Ich sah wie er seine Zunge von rechts nach links über die komplett angespannte Kieferpartie wandern ließ. "Ja bin ich...", Gab Ace kleinlaut von sich und rauchte die dritte Zigarette.
"Was passiert wohl, wenn du ihn verprügelst und du wirst dich sicher nicht zurück halten. ..."
Mit einem tiefen und angestrengten Seufzen ließ er sich auf einen der Stühle fallen, lehnte sich erst einmal zurück bevor er sich anschließend auf die eigenen Oberschenkel vor beugte. "Das ist mir scheiß egal! Bevor er das online verbreitet geh ich lieber in den Bau. Du hast doch das Foto gesehen. Einfach alles von dir ist zu sehen, inklusive Finger in deinem Hintern. Und er hat sicher auch ein Video."
Mich beschützen zu wollen fand hier ein Ende, das beschloss ich zumindest.
"Du hast gesagt du liebst mich oder? Wenn du mich liebst, dann setz dich nicht über meinen Wunsch hinweg." Meine Bitte ließ ihn aufschrecken und zum ersten Mal sah ich in den sonst so sturren und ernsten Augen totale Verunsicherung, fast schon Angst. "Verstehst du? Ich will keinen verlassen müssen, den ich auch liebe, weil er meine Wünsche nicht respektiert."
Damit gab ich ihm den letzten finalen Schlag gegen seinen Beschützerinstinkt, aber zumindest hatte er sich beruhigt und ließ mich auf seinen Schoß Platz nehmen. "Du liebst mich also auch?" Jetzt war er derjenigen der seinen Kopf auf meiner Brust ablegte und ruhte. "Fein, sag mir was ich tun soll und ich mache es. So wie du willst."

Ich war beruhigt, dass Ace auf mich hörte. "Ich treffe mich mit ihm, spreche mit ihm und du bleibst hier. Du musst heute Abend eh arbeiten. Samstags ist viel los, wenn die ganzen perverse Typen kommen um zu sehen wie die Weiber sich nackt machen."
Ich brachte ihn etwas zum schmunzeln, als ich schon nach meinem Handy griff und nach Alex richtigem Kontakt in Instagram suchte.
'Komm heute Nachmittag um 16 Uhr zum Haupteingang der Schule.' Mehr schrieb ich ihm nicht und bekam direkt eine Antwort. 'Dich will ich gar nicht sehen....schick deinen lover.'
Ich zeigte Ace die Nachricht nicht und ließ ihn in Frieden weiter rauchen. 'Pech! Du musst mit mir Vorlieb nehmen.'
Ich war fest entschlossen das ganze alleine zu klären, denn schließlich war es tatsächlich meine Schuld das es überhaupt soweit kam. Wäre ich seinen Eltern gegenüber nicht ausfallenden geworden wäre er nicht sauer geworden, hatte mich nicht rausgeworfen, wäre ich nicht am Bahnhof angemacht worden und hätte er mir nicht zu Hilfe eilen müssen.
Ich wäre Alex nie in dieser Situation begegnet und wäre nicht in dieser nun. Es war alles allein meine Schuld und ich konnte nicht riskieren, dass Ace sich das Leben versaute. Nicht nach dem Opfer das er für seinen Bruder erbrachte und als emotionalen Sündenbock seiner Eltern diente.
"Hey Nathe." In Gedanken verloren blickte ich auf und sah schon wie sich Ace seine Arbeitskleidung von gegenüber stehenen Stuhl grabschte und sich anziehen wollte. "Ich hab den Unterhalt meiner Eltern nie benutzt. Alles ist da drin." Er ließ mich aufstehen, lief zum Kühlschrank und öffnete das Eisfach, holte eine Magnumeispackung heraus und zeigte mir den Inhalt. Mehrere Bündel blickten mir entgegen und er fischte einen Schlüssel heraus, der genau so aussah wie der den er an seinem Bund trug. "Hier nimm den." Er überreichte mir den Schlüssel und versteckte sein Geld wieder da wo es auch schon zuvor war. "Wieso zeigst du mir das und wozu der Schlüssel?"
Während er sich fertig an zog und eine Schleife nach der Anderen schnürte nur um seine Stiefel fest mit einer letzten Schnalle fixierte warf er sich nur noch seinen Rucksack über die Schulter. "Wozu wohl. Komm und geh wann du willst. Und das Geld... Benutz es so wie du es für sinnvoll hälst." Mit dem und einen Kuss ließ er mich alleine und verschwand, wie auch schon am letzen Wochendende, zur Arbeit.

Um nicht so wie eine Vollnull zu wirken und Alex zu zeigen daß er nicht alles machen kann was er will zog ich einen Hoodie von Ace an und die weit geschnittene Hose die Lisa neulich noch für mich ausgesucht hatte.
Pünktlich um 16 Uhr wartete ich auf Alex und wurde mit jeder Minute die er zu spät kam nervöser. Gedanklich versuchte ich mich vor zu bereiten, doch ich wusste nicht was ich Alex sagen sollte oder eher wie ich etwas fordern sollte. Ich hatte nichts in der Hand und auch nichts zu bieten, noch nicht Mal ganz verstanden wieso ihn die angeschlagene Nase so wütend machte, dass er solche Psychospiele spielte.
'Wo bist du? Ich warte auf dich!' Schnell tippte ich Alex eine Nachricht, doch wartete vergeblich auf eine Antwort.
Statt die ersehnte von ihm schrieb mir Lisa und die fünf Ausrufezeichen hinter meinem Namen ließen nichts Gutes verheißen.

'Nathe!!!!!'
Kaum hatte ich die Nachricht geöffnet kam schon die nächste. 'Ich habe erfahren, dass dieser Alex richtig gestört ist! Seine Eltern sind gar nicht seine Eltern. Sondern nur Pflegeneltern. Der kommt von so einem Heim für Kinder mit Problemen.'
Das ungute Gefühl in mir wuchs. 'Woher weißt du das?'
Wieder tippte sie schneller als gedacht.
'Hab sein Instagram durchsucht und Kommentare von so einen anderen Typen gefunden und der hatte Fotos mit Alex vor einer Schule. Die hab ich in Facebook gefunden und in einer Gruppe rumgefragt. Dort schrieben viele das er auf nett macht, aber gerne Psychospiele mit anderen macht, Lügen so dreht und wendet das er am Ende immer der Gute ist. Einer erzählte das er ihm ständig das Geld klaute und für Alkohol ausgab, als er drohte erwischt zu werden hat er die Flasche bei wem anderes im Rucksack versteckt.'
Je mehr Lisa erzählte, je mehr Angst bekam ich, ihn gleich selbst zu sprechen. Doch auch dreißig Minuten später kam niemand und ich machte mich auf den Weg zur Bücherei.
Zu meiner Überraschung war Herr Baneby nicht am Tresen und sortierte dort auch keine Bücher die zurück gegeben wurden. Nur seine Tochter stand dort und blickte traurig auf jedes einzelne Buch. "Hi, wo ist denn Herr Baneby?" Kaum hatte ich sie angesprochen schüttelte sie schon traurig den Kopf und ich verstand sofort. "Tut mir leid. Ich mochte ihn gern." Nicht weiter störend lief ich hoch in die dritte Etage und suchte ein Buch über psychische Typen und Krankheiten, vertiefte mich in ein Buch das auch meine Mutter besaß bis ich über Instagram zum aller ersten Mal einen Anruf bekam. "Fuuu..na endlich gehst du ran! Weißt du wo ich gerade bin?" Ich erkannte ohne den Namen zu lesen das es Alex war, nachdem er sofort wieder auf legte und im nächsten Augenblick schon ein Bild schickte auf dem die Tür eines Stripclubs zu sehen war. 'war einfach heraus zu finden wo er arbeitet.' stand unter dem Bild. Ich ahnte das Schlimmste, sprang auf und rannte aus der Bücherei. Heute war ich es der unglaublichen und unpassenden Lärm an diesem sonst so stillen Orte verbreitete.

Wolke 6 1/² - für mehr hat's nicht gereichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt