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Kurz vor'm Boarding umklammerte ich mein Handgepäck und war nervös. Ich hatte Ace Pullover ins Handgepäck gesteckt, statt ihn an zu ziehen. Nicht nur weil es hier etwas zu warm dafür war, sondern weil auch John ebenfalls da war und mich unbedingt mit verabschieden wollte.
Ich versteckte ihn regelrecht, obwohl das totaler Quatsch war. Sam und André waren ja da und ich wäre eine ganze Woche weg, aber viel wichtiger war das ich einen Antrag auf Besuch gestellt hatte und hoffte Ace wolle mich auch sehen.

Ich wollte meine Eltern wieder in die Arme schließen, fest drücken, aber vor allem Ace wieder sehen. Es heißt sogar man dürfe sich auf einem überwachten Bereich bewegen und berühren.
Das Verlangen brannte regelrecht in mir ihn zu berühren und mit ihm zu sprechen.
Voller Vorfreude konnte ich kaum abwarten endlich ins Flugzeug zu kommen und hibbelte merklich herum.
"Nervös vor dem Flug?"
Onkel Sam checkte ein letztes Mal meinen Pass und drückte ihn mir direkt in die Hand die etwas zitterte.
"Nicht vorm Fliegen, aber ich freu mich in ein paar Stunden daheim zu sein. Ich bin ganz aufgeregt."
Mein Lächeln wuchs, als ich mich verabschiedete, zum Schalter lief und ungehalten darauf wartete endlich durch die Kontrolle zu kommen.
Kurz davor winkte ich noch einmal zurück und auch Onkel Sam, André und John winkten mir zu. John allerdings tippte kurze nach dem winkten auf sein Handgelenk und zeigte dann auf mich.
Ganz automatisch blickte ich auf das Armband das er mir schenkte und ich noch immer trug. Wie eine Mahnung, dass er steht's an meiner Seite sei, egal wo ich war.
Ein Zucken jagte sich durch meinen Körper, als ich endlich an der Reihe war und nur noch durch ins Flugzeug wollte.

Ich konnte es kaum abwarten meinen Platz zu finden. Ich mußte relativ weit nach Vorne, doch die Leute vor mir trödelten ohne Ende bis ich eine Lücke fand um meinen schmalen Körper durch zu quetschen. Zum ersten Mal war es vom Vorteil so dünn zu sein und ich kam endlich bei meinem Platz am Gang an.
Neben mir saß schon ein Kind am Fenster und die Mutter direkt daneben in der Mitte.
Sichtlich aufgeregt hüpfte das kleine Mädchen vom Sitz nur um sich direkt wieder mit Schwung auf den Sitz fallen zu lassen. Schon jetzt ahnte ich nichts Gutes und kramte Ace Pullover heraus bevor auch meine Tasche sicher verstaut verschwand.
Das Herumhampeln neben der Mutter wurde immer wilder, doch schien es der Mutter selbst nicht zu stören.
Ich machte drei Kreuze das ich genügend Akku für Handy, Tablet und Kopfhörer hatte. Es war schon zu erahnen das dieser Flug nicht so angenehm werden würde wie mein Hinflug nach Australien.

Und ich behielt Recht. Neben dem lauten Weinen beim Starten folgte Bespaßung in voller Lautstärke. Fünf folgen Dora gefolgt von Coco dem Affen und zusätzlichem herumspringen, sobald man sich abgurten durfte.
Irgendwann gab es eine halbe Stunde Mittagsschlaf und Ruhe, nicht nur für alle im Flieger, sondern aber besonders für den netten Mann vor dem Kind an dessen Lehne pausenlos geruckelt oder getreten wurde.
Eine kurze halbe Stunde später ging das Theater wieder los und wurde nur davon gekrönt das weder das erste Menü aus Nudeln mit Hackbällchen und Soße noch das zweite, Fisch mit Süßkartoffeln und Gemüse, dem Quälgeist genehm war.
Auch der vegetarische Auflauf mit Brötchen wurde kreischend abgelehnt.

"Herr Gott! Sorgen sie endlich dafür das ihr Balg leise ist!" Es dauerte erstaunlich lange bis sich die Ersten beschwerten und laut durch die Kabine brüllten. Sie hatten stundenlang das ganze ertragen. "Ich kann das Kind selbst durch die Ohrstöpsel hören, unglaublich." Weitere Menschen stöhnten zustimmend mit auf und auch der Mann vor dem Mädchen drehte sich endlich um. "Was soll ich denn sagen? Das Rotzblag ist immer an meinem Sitz! Ich will doch nur schlafen."
Er war sichtlich müde, wer weiß wie lange er schon wach war, aber die Mutter schien sich auch hier für nichts zu interessieren. "So sind Kinder nunmal!"
"Nein sind sie nicht. Sie sind nur so wie man sie erzieht oder in ihrem Fall nicht erzieht." Selbst mir reichte es langsam und sorgte für plötzliches Luftanhalten der Mutter. "Was weißt du denn? Du wirst selbst mal Kinder haben. Dann werden wir ja Mal sehen wer zuletzt lacht."
Völlig eingeschnappt entriss sie dem Boardpersonal einen Teller des ersten Menüs und stellte es vor ihrer Tochter auf den Tisch, die es prompt auf den Boden schmiss.
"Sehen sie? Und nein werde ich nicht. Ich steh auf Typen, also nein... Kein Kind für mich und selbst wenn, dann weiß ich das Kinder zwar Bedürfnisse haben, aber auch lernen müssen das diese nicht immer erfüllt werden können und außerdem auch andere Menschen Bedürfnisse haben die ein Kind, im Rahmen der Entwicklung, auch beachten muss. Ihre Tochter ist alt genug um zu wissen das man andere nicht so terrorisieren kann."
Kaum hatte ich ausgesprochen schallte ein Pfeifen und Klatschen mehrerer Menschen durch die gesamte Kabine. "Der Junge sollte ihr Kind erziehen." Der Mann vor uns lachte laut über seinen Witz und endlich kam auch das Personal um die Mutter zurecht zuweisen.
"Tzz! Von so einem muss ich mir nichts sagen lassen!" Mit einem abwertenden Blick starrte sie mich an, während ihr Kind das Essen fröhlich auf dem Boden zertrat.
"Miss, wenn sie die anderen Passagiere weiter stören muss ich sie bitten beim Zwischenhalt aus zu checken."

Wolke 6 1/² - für mehr hat's nicht gereichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt