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Ewig lange nachdem wir anfingen uns zu umarmen konnten wir irgendwann doch wieder voneinander lassen und Richtung Auto laufen.
Meine Eltern hatten sich irgendwie verändert oder mir fielen Kleinigkeiten jetzt viel mehr auf, nachdem wir uns eine Weile nicht gesehen hatten.
"Du färbst deine Haare nicht mehr?" Mit einem Seitenblick auf den Kopf meiner Mutter entdeckte ich die ersten grauen Ansätze.
"Lass das. Guck nicht so hin. Ich hatte halt wenig Zeit und seit wann guckst du mir auf den Kopf?" Etwas eingeschnappt hielt sie sich die Hände auf den Kopf und schob mich ein Stück vor sich.
"Nathe ist offensichtlich ein paar Zentimeter gewachsen, da kann er dir auch auf den Kopf gucken." Mein Vater amüsierte sich köstlich, auch wenn ich nicht gemerkt hatte das ich etwas gewachsen bin am Auto angekommen überlegte ich ob die Türhöhe zur Höhe meines Brustkorbs schon immer so war oder ob ich tatsächlich wuchs.
"Wächst man mit 17 noch? Ich weiß es nicht."
Noch immer beschäftigte ich mich damit meine Größe auch im Auto ab zu messen und überlegte ob mein Kopf schon immer oberhalb vom Griff über dem Fensters war.
"Hast du dich im Flugzeug gut ausruhen können?"
"Mhm ja die letzten Stunden hab ich richtig gut geschlafen."

Der Anblick meiner alten Heimat, der Ort an dem ich aufgewachsen war, kam mir gleichzeitig bekannt, aber auch befremdlich vor.
"Die Zeit geht hier irgendwie viel schneller vorbei als drüben. Es fühlt sich richtig merkwürdig an. Vertraut aber merkwürdig."
Im Rückspiegel sah ich meinen Vater lächeln, während er auf einen kleineren Weg abbog.
"Du bist irgendwie viel erwachsener, als früher." Die sorgenvolle Stimme meiner Mutter war zurück, aber im Gegensatz zu früher nervte es mich kein bisschen.
"Onkel Sam setzt sehr sehr viel auf Eigenständigkeit. Wahrscheinlich deshalb und die Schule ist auch so ausgelegt. Es fühlt sich dort eher so an, als wären die Lehrer nur Lernbegleiter. Die Schüler organisieren sich teilweise selbst oder planen Projekte komplett autonom. Die Leistung die aber verlangt wird ist enorm, also kann man nicht faul herum sitzen und nichts tun."
Ich schwärmte regelrecht von der Schule und sorgte für erstaunte Gesichter.
"Sam sagte am Telefon das du Freunde gefunden hast."
Wild nickte ich und holte mein Handy raus um meine Fotogalerie meiner Mutter zu präsentieren. "Das ist Linda und Adam. Die Zwei sind nur Freunde, aber unzertrennlich. Ich kenne sie seit dem ersten Tag. Adam ist zwar laut und richtig aufgekratzt, aber ein lieber ehrlicher Mensch. Linda ist richtig hübsch und groß und sie kümmert sich irgendwie um Adam und....."
Ohne Punkt und Komma atmete ich bei meiner euphorischen Erzählung gerade noch so, als mein Vater lauthals lachte und mich somit unterbrach.
"Luft holen mein Kind! Du hast noch die ganze Woche Zeit uns alles zu erzählen, aber ich bin froh, dass es dir so gut geht und du einen guten Start hattest."

Mein Vater hatte Recht. Ich hatte noch einiges an Zeit um alles zu erzählen und behielt dieses Glücksgefühl bei, als wir durch die Stadt fuhren und ich am Rand die Gebäude entdeckte in denen Ace einst wohnte.
"Sagt mal, Ace Wohnung ist die noch frei?"
Meine Mutter schüttelte den Kopf verneinend. "Nein, er hat beschlossen sie auf zu lösen, aber keine Sorgen. Seine Eltern nehmen ihn wieder auf, wenn er wieder raus kommt."
Ich war froh das zu hören und auch glücklich über jeglichen Prozess zwischen Ace und seinen Eltern. Meine Mutter war richtig stolz, als sie mir erzählte wie sehr sich das Verhältnis zwischen Ace und seinen Eltern gebessert hat. "Es war höchste Zeit, das seine Eltern und er sich aussprachen. Und naja ... Wäre das alles nicht passiert wäre es wohl nicht dazu gekommen. Du und Ace ihr habt gelitten und es bleibt immer irgendwie haften, aber lasst uns das Positive mit nehmen."
Die schlimmen Erinnerungen an das Mobbing, an Alex Belästigungen und an das Video kamen zurück, aber ich wollte fest an die positiven Dinge glauben und meiner Mutter beipflichten.
Zuhause angekommen lief ich direkt ins Wohnzimmer um meinen Koffer ab zu stellen und nicht im Flur im Weg zu lassen.
"Oh Shit..." Kaum im Wohnzimmer stand ich mit den Schuhen auf dem Teppich meiner Mutter und wartete auf den üblichen Ärger, dass ich die Schuhe an behielt und auf den Teppich gelaufen war. "Ah macht nichts. Ist doch nur ein Teppich." Statt dem erwarteten Ärger winkte sie lediglich ab und zog sich ihre Jacke aus um sie in den Schrank zu hängen.
"Was guckst du so? Ha, nicht erwartet das sich deine Mutter auch ändern kann?"
Sprachlos blieb mir nur das Nicken über. Ich wusste wirklich nicht wie ich antworten sollte. "Naja sagen wir Mal so: Ace und seine Art waren wie eine kleine Schocktherapie für deine Mutter. Du hättest sie Mal erleben müssen, wenn er nach dem Duschen seine Sachen auf dem Boden ließ oder die Terrasse offen ließ während des Rauchens. Hola flogen hier die Fetzen! Bis sie sich irgendwie einigen konnten."
Ich traute meinen Ohren nicht. Kaum war ich weg drehte sich dieses Haus einmal auf den Kopf, fiel um und fand die Position total gemütlich.
"Kommt ins Esszimmer. Ich hab eine Torte gemacht." Voller Vorfreude eilte meine Mama in die Küche um eine Sahnetorte mit Kirschen aus dem Kühlschrank zu holen.
"Uh Kirschen." Mit dem Finger auf den Weg sich was ab zu kratzen schlug meine Mutter noch rechtzeitig die Hand meine Vaters weg. "Nichts da. Nathe zu erst." Kaum hatte sie sich umgedreht drückte er heimlich den Finger in die Seite die meine Mutter nicht sehen konnte und trotzdem erwischte sie in beim Umdrehen und mit den Tellern in der Hand.
"Oha wie die Kleinkinder. Dein Vater und Ace sind richtige Schweine. Weißt du das eigentlich? Ich hab hier richtig gelitten."
"ACH Quatsch. Deine Mutter erzählt Blödsinn. Der Einzige der leiden musste war Ace, weil er gezwungen war dein 'Benimmregeln' - Training zu durchlaufen."
"Er hat gegessen wie ein Schwein."
Anders als früher wären meine Eltern irgendwie harmonischer, fröhlicher, aber vor allem brachte mich ihre Unterhaltung zum lachen.
"Stimmt Ace hatte Null Tischmanieren. Einmal aßen wir Pizza und er aß als wäre er bei Wölfen aufgewachsen. Er hat geschlungen, dass ich dachte er könnte ersticken."
Während wir lachten und glücklich schon so früh Torte aßen bemerkte ich endlich das vibrieren in meiner Hosentasche und zog mein Handy aus der Tasche.
In der oberen Leiste war neben dem Instagram Symbol auch WhatsApp und dies sorgte für das Vibrieren.
Lisa rief an und schien auch nicht auflegen zu wollen.
"Ich geh kurz dran." Kaum den Hörer gedrückt schrie sie mir ins Ohr.

Wolke 6 1/² - für mehr hat's nicht gereichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt