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Die ganze Woche, nach dem Vorfall auf der Messe, fühlte sich so an, als stände ich unterm Mikroskop.
Ich lief quasi Slalom zwischen den Unterrichtsräumen und den Schülern. Die Einen fühlten sich durch ihre Neugier zu mir angezogen wie die Motten zum Licht, die Anderen schnitten mich Wort wörtlich. Solange bis einer der mir aus dem Weg gehen wollte die Kurve doch nicht bekam und mich so stark anrämpelte das ich sogar taumelnd gegen eine Säule mitten im großen Durchgang stieß. "Tsch... Sorry." Er benahm sich als hätte er gerade die Pest von mir bekommen. "Schon gut, aber wieso seit ihr so seltsam? Ich verstehe ja wenn einige neugierige Fragen stellen, aber wieso schneiden mich einige?"
Eigentlich hatte ich keine Ahnung wer er war, ich hingegen war mittlerweile erneut Schultratsch der Woche. "Du... Ähm... Wie soll ich das sagen? Du bist irgendwie..." Er stammelte vor sich her, vermied jeglichen Augenkontakt und fing fast an zu schwitzen. "Du ziehst halt das Unglück an. Sternzeichen Pech... So ungefähr. Die Leute hier kannten John und er war immer nett und freundlich, hilfsbereit eben bis du aufgetaucht bist."
Es fühlte sich so an, als wäre John das Opfer und ich hätte das alles provoziert. "Dann kanntet ihr sein wahres Gesicht halt nicht." Auch wenn ich mich verteidigen wollte sah ich keinlei Sinn darin mit jemandem zu diskutieren den ich eigentlich so gut wie gar nicht kannte. "Ach egal. Ich bringe kein Pech, okay!" Etwas beleidigt drehte ich mich um und lief weiter, aber nicht ohne ein schuldbewusstes Sorry von hinten zu hören.

Kaum aus dem Schulgebäude sah ich ein Bild in der Entfernung das mich extrem irritierte. Ich nahm sogar kurz meine Brille ab nur um sie wieder auf zu setzen in der Hoffnung mich verguckt zu haben. Doch das hatte ich nicht. Vielleicht gute 50 Meter entfernt sah ich eine schwarz gekleidete Gestalt, eine kleine mit der selben Schuluniform die ich trug und eine dritte die ungefähr genau so groß war wie ich, auch in Uniform, aber mit strahlendem Blau auf dem Kopf. Ich dachte sogar kurz an einen Schlaganfall, aber das lauter werdende Gemunkel um mich herum deutete darauf hin das auch andere Menschen das sahen was auch ich sah.

"Es stimmt also was man sagt: Die Süßen sind entweder vergeben oder schwul."
"Oder beides!" Ich hörte hinter mir zwei Mädchen lachen und kichern, während sie ganz offensichtlich in die selbe Richtung sahen wie ich. Erst als ich mich umdrehte bemerkten auch sie meine Wenigkeit. "Oh..." Als hätte ich sie mehr oder weniger erwischt zuckten sie regelrecht zusammen. In ihren Gesichtern sah ich aber das sie zu den Neugierigen gehörten und ich behielt recht. "Ey warte mal..." Damit ich nicht weg lief hielt mich eine von ihnen sogar am Arm fest. "Ist der Kerl da wirklich dein Freund?" Langsam war ichs fast schon leid und hörte die Frage heute nicht zum ersten Mal. "Ich kenn euch gar nicht, was geht's euch an? Aber ja ist er." Mich raus zu winden war anstrengender, als einfach zu antworten. Auch zum X-ten Mal heute. "Wie kann so ein Typ auf andere Typen stehen. Versteh ich nicht." Auch das hatte ich die letzten Tage schon paar mal gehört. "Sonst noch was?" Ich war genervt und wollte einfach nur gehen und nicht weiter mit Mädchen sprechen die weder in meinem Jahrgang waren noch irgendwas mit mir zu tun hatten. "Wie ist das so? Also mit einem Typen wie ihm."
"Gut. Tschau." Noch ehe mehr kam drehte ich mich auf dem Absatz um, machte einen Schritt schneller und eilte davon und in die Richtung des abstrusen Bildes in der Entfernung.

"Hey, was macht ihr hier?"
Als hätte ich sie bei einem netten Kaffeeklatsch unterbrochen guckten sie mich an wie drei Erdmännchen die einen Störenfried erspäht hatten. "Störe ich?" Ich versuchte normal zu sprechen hatte aber gleichzeitig das Gefühl zickig zu klingen. "Nicht gleich aus der Haut fahren. Ich dachte ich hole Adam zum Sport ab und rein zufällig...." Ace zog das Wort zufällig super lang, was absolut nicht nach ihm klang, deutete auf Marek und machte mich gleich misstrauisch. "Musst du dich nicht weiterhin schonen?"
Nach einer Woche waren die Spuren noch immer zu sehen und Schmerztabletten waren noch immer seine treuesten Begleiter. Er müsste weniger nehmen, wenn er auf den Rat vom Arzt hören würde, aber schon nach einem Tag hatte er wieder geraucht und von Schonkost hielt er auch nicht viel. Ich hatte ihn sogar extra Suppe gekocht, aber die sah er lediglich als Vorspeise an und verlangte richtiges Essen. Er war in dem Punkt, so wie in vielen anderen, eben wie ein Kleinkind mit seinen Gewohnheiten.

Wolke 6 1/² - für mehr hat's nicht gereichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt