München
In München allerdings besorgte Lena wieder einen Rollstuhl, die großen Entfernungen schaffte er noch nicht. Er fühlte sich seltsam hilflos, wollte mit seinem Schicksal hadern, maulte sie an.
„Halt die Klappe, Borchert!" maulte sie zurück. „Sei froh, dass du noch lebst! Sei froh, dass dein Gehirn noch funktioniert! Sei froh, dass etwas weiter südlich ebenso funktioniert!"Alex lachte, verstand aber auch den Ernst hinter ihren Worten. So viel hätte bei diesem Unfall schlimmer ausgehen können.
Er hätte zu einem lallenden Etwas werden können, er hätte gelähmt sein können, er hätte auch sterben können.Es hätte alles vorbei sein können, von einem Moment zum nächsten.
Was zählte es da schon, dass er noch etwas wackelig auf den Beinen war.Daniel stand vor dem Ausgang im absoluten Halteverbot. Eine Politesse war gerade schnaubend im Anmarsch, als Lena mit Alex und den beiden Reisetaschen bepackt, ankam.
O Gott! dachte sie. So ein gutaussehender junger Mann und sitzt im Rollstuhl! Schnell kam sie zu der Gruppe, half Lena mit dem Gepäck, Alex aus dem Stuhl ins Auto.
Lena bedankte sich herzlich, fiel Daniel dann um den Hals. Alex sah lieber weg, es gab so viele wirklich interessante Menschen draußen zu beobachten.Der Freund Lenas begrüßte ihn aber dann so freundlich, dass er sich für seine wieder aufkeimende Eifersucht gleich ordentlich schämte.
Der junge Mann hatte sich um Sia gekümmert, damit seine Süße zu ihm kommen konnte.
„Ich bin dir sehr zu Dank verpflichtet!" sagte er leise. „Wenn ich mich irgendwie erkenntlich zeigen kann...?"
Im selben Augenblick merkte er, wie überheblich und dumm seine Worte gewesen waren. „Entschuldige!" sprach er gleich weiter. „Was Blöderes habe ich wohl noch nie gesagt!"Daniel lachte bloß. Er war kein Typ, der Worte auf die Goldwaage legte.
„Du kannst dich schon erkenntlich zeigen!" konterte er. „Du kannst mir versprechen, die Kleine da neben dir nie mehr so unglücklich zu machen!"
Alex lächelte sie an. „Ich werden den Rest meines Lebens am Gegenteil arbeiten!" versprach er.
„Gut!" sagte Daniel. „Denn das nächste Mal bin ich da, Gewehr bei Fuß, und dann werde ich sie nicht mehr so einfach loslassen!"Alex schlug sich mit ihm ab. „Ich weiß!"
Dann fuhr Daniel los, brachte die beiden zu seinen Eltern.
Sia lachte Lena an, erkannte sie wieder, streckte ihre Ärmchen aus. Die nahm die Kleine auf den Arm, herzte und küsste sie ab, bis sie vor Vergnügen kieckste.
Als Alex vorsichtig die Hand nach ihrem Köpfchen ausstreckte, krauste sie das winzige Näschen.
Wie Lena, wenn ihr etwas gegen den Strich geht! dachte er. Das ist doch seltsam! Hatte die Kleine das von seiner Süßen gelernt? In der kurzen Zeit? Ein so kleines Kind?Sia sah den großen Mann sehr vorsichtig an, hielt sich zur Sicherheit an den blonden Haaren, die ihr vertraut waren fest, versteckte sich an Lenas Kopf. Doch der Mann sprach leise mit ihr, strich ihr über den Kopf, sie hatte keine Angst mehr. Menschen machten ihr keine Angst mehr.
Sie hatte schon lange keine bösen Worte mehr gehört! Alles war leise, lieb, zärtlich! Nichts mehr da zum Erschrecken! Zum Fürchten! Deshalb musste sie auch fast nicht mehr schreien!Sie sah den Mann an. Der hatte auch Haare, die sie packen konnte! Das machte viel Spaß! Sie griff nach Alex, ehe er sich versah, hatte sie seine langen Strähnen fest im Griff.
„Autsch! Na, du hast aber ganz schön Kraft!" jammerte er. Er streckte vorsichtig seine Arme aus. Sie warf sich ihm entgegen.
Sie war groß geworden, seit er sie zum letzten Mal gesehen hatte. Aus dem zornigen, rotgesichtigen Monster war ein wunderhübsches Baby geworden. Sie sah Lena so seltsam ähnlich! Die großen blauen Augen, das hübsche Näschen, die Form der Lippen! Sie hatte so gar nichts von ihm oder Evi!
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Stark
RomanceStark musste Lena ihr ganzes Leben lang sein. Als ungewolltes Kind wuchs sie bei einer bigotten Mutter und ebensolchen Großeltern auf. Doch das hat sie ihren Lebensmut nicht verlieren lassen. Stark musste auch Alex sein, als sein Vater tödlich verun...