Kapitel 30

27 7 2
                                    

Am frühen Morgen brachten Taxis, die, die nicht zu Fuß gehen konnten, nach Hause.
Slavko und Annegret schliefen bei Bill, die Trucker bei Chris und Mike, die in Regensburg wohnten.

Steffen brachte erst Kristin nach Hause und ließ sich dann zu sich heimfahren.
Sabine schlief im Gästezimmer von Alex und Lena.

Als sie im Bett lag, dachte sie an den Tag vor 30 Jahren, als sie diesen wunderbaren Sohn zur Welt gebracht hatte, als Klaus weinend vor Glück an ihrem Bett gesessen war, immer wieder fassungslos die kleinen Händchen und Füßchen gestreichelt hatte.

Er ist so perfekt! hatte er immer wieder gestammelt. Er ist so wunderschön!
Ihr Prachtbursche hatte sich ja eher ungeplant angemeldet, aber sie hätten nicht glücklicher über ihn sein können!

Sie war mitten in den Prüfungen gewesen, als sie von ihrer Ärztin die unglaubliche Nachricht erhielt. Keine Minute hatte sie gezögert, um Klaus zu informieren, der ihr sofort einen Heiratsantrag gemacht hatte.

Er hatte schon seinen Job, hatte gut verdient, sie hatte gar nicht angefangen, als Lehrerin zu arbeiten.
Hausfrau und Mutter zu sein, galt damals nicht als Makel, sondern als Privileg!

Und sie hatte keine einzige Minute ihres Lebens bereut. Später kam dann noch ihre wunderschöne Tochter Olivia, das Glück der Familie war perfekt.
Bis zu jenem verhängnisvollen Tag, als die Polizeibeamten vor ihrer Türe gestanden waren.
Doch alle drei hatten ins Leben zurückgefunden, und Alex hatte einen großen Anteil daran gehabt.

Sie wünschte ihm alles Glück dieser Welt mit Lena.
Lena, das Christkind, das ein ganz anderes Leben hatte führen müssen als ihre Kinder!
Aber sie hatte auch schwere Sorgen um die Zukunft der beiden. Sie sprachen nie über das Kind, das Evi erwartete, sie hatten das alles vollkommen verdrängt, wie es schien.
Aber in nicht allzu ferner Zukunft würde dieses Kind auf der Welt sein.
Es würde ein Mädchen werden, hatte sie von Bill erfahren, der immer noch der Einzige war, der an Evi herankam.

Er hatte ihr auch erzählt, dass sie dieses Kind komplett ablehnte, dass sie nichts von ihrer Tochter wissen wollte, wenn sie Alex nicht zurückbekam.
Was nach der Geburt werden würde, wusste niemand.

Oft hatte sie überlegt, ob sie mit ihrem Sohn über all das sprechen sollte. Aber immer, wenn sie ihn so strahlend glücklich sah, brachte sie es nicht übers Herz!
Sie beschloss, sich noch ein Glas Wein zu holen, um besser einschlafen zu können.

Aus dem Schlafzimmer hörte sie leisen Lachen, leises Sprechen und nicht ganz so leises Stöhnen.
Sie lächelte nach oben. „Kommt dir das bekannt vor?" fragte sie Klaus und hörte sein „Natürlich, Baby!" ganz deutlich.

Alex und Lena hatten sich eine etwas beschwipste Liebesrunde gegönnt, den lustigsten Sex aller Zeiten für beide.

Nachdem sie sich die Lachtränen aus den Augen geküsst hatten, musste er aber noch einmal nach ihren Geburtstagen fragen. „Und du hattest nie eine Geburtstagsfeier oder so etwas?"
„Pf!" machte sie abwehrend. „Am Tag der Geburt des Herrn feiert man doch keine Party für einen Bastard!"

Wieder blutete sein Herz, und er dachte, er würde am Schmerz ersticken.
„Zum ersten Mal habe ich an meinem 18. gefeiert. Meine damals beste Freundin Katja hatte sturmfreie Bude, weil ihre Eltern in die Karibik geflogen waren." Der Alkohol in ihrem Blut ließ sie locker drauflosplappern. „Einige Freunde kamen nach den Familienfeiern dazu, Alkohol floss. In dieser Nacht habe ich dann meine Unschuld und meine Freundin verloren, denn der Typ, neben dem ich verkatert aufwachte, war ihr Freund - also gewesen!"

Alex grinste. Na, das war doch mal interessant, was er da erfuhr.
„Und danach?" wollte er wissen.
„Wie? Was danach?" Sie sah ihn verständnislos an.
„Na ja! Männer! Jungs und so!" Auch ihn hatte der Wein mutig gemacht.

„Ein paar Kurzzeitbeziehungen! Dann Tobias, von dem ich mich an dem Tag getrennt hatte, an dem ich dich im Bus traf!" berichtete sie bereitwillig.
Er stützte sich auf einen Arm, spielte mit einer ihrer Haarsträhnen. „Deshalb hast du so gestrahlt, da an der Bushaltestelle?"

„Ja! Ich war froh, ihn los zu sein! Frei zu sein!" Sie antwortete ganz offen.
„Die Freiheit konntest du dann ja nicht sehr lange genießen!" zog er sie auf.
„Nein! Deshalb bin ich ja so kreuzunglücklich jeden Tag!" Sie setzte ein sehr trauriges Gesicht auf.

Er zog sie auf sich. „Bist du nicht!"
„Nein? Und du weißt das?" konterte sie.
Er küsste sie leidenschaftlich. „Ja! Wenn ich eins weiß, dann, dass du nicht kreuzunglücklich bist mit mir!"

Sie machte sich lachend aus seinen Armen frei. „Und jetzt du!"
„Was ich?" Er konnte ihr im Moment nicht folgen.
„Unschuld verloren! Frauengeschichten!" forderte sie ihn auf.
„Alle?" fragte er entsetzt, aber sie sah das Blitzen in seinen Augen.
„Logo!"

„Also gut! Wie du willst! Hast du morgen schon etwas vor? Und vielleicht sogar übermorgen?" Er lachte sie offen an.
Dann knuddelte er sie erst einmal durch. „Ich hatte Frauen, ja Lena! Ich hatte Frauen vor und während der Sache mit Evi!" Sein Blick wurde ernst. „Sex hat mich abgelenkt, nachdem mein Vater tot war. Sex hat mir Spaß gemacht, das gebe ich offen zu. Aber es war immer nur etwas Körperliches, nie war mein Herz betroffen, nicht ein einziges Mal vor dir! Wenn ich das Bett verlassen habe, hatte ich auch schon den Namen der Frau vergessen! Und dann kamst du! Und nichts von der Vergangenheit hat noch irgendwie gezählt!"
Lena wusste, dass er nie ehrlicher zu ihr gewesen war.

Sie fuhr die Konturen seines männlich-schönen Gesichtes nach.
„Ich liebe dich!" sagte sie leise.
„Dankeschön!" antwortete er ebenso leise.
Dann endlich schliefen sie engumschlungen ein.

Gegen Mittag trafen sich alle noch einmal zu einem Brunch zur Restevertilgung. Alle hatten etwas kleinere Augen als am Tag zuvor, manch einer stand etwas wackelig auf den Beinen.
„O je! Ich glaube, ich spüre die Last des Alters schon auf meinen Schultern!" stöhnte Alex.
Sabine grinste. Sie war sicher, der Junge spürte etwas ganz anderes!

Dann begann der Alltag. Das Semester fing an, Alex arbeitete.
Lena flog durch die Tage, spielte sich mit dem Lernstoff, fiel ihren Professoren noch mehr als früher durch ihren Fleiß und ihre Begabung auf.

Sie war wortgewandter als je zuvor, und sie war es in den ersten Semestern schon gewesen.
Wenn sie in den Seminaren Verhandlungen durchspielten, wollte jeder ihrer Mitstudierenden am liebsten auf ihrer Seite stehen.
Denn ihre Gegner zerlegte sie gnadenlos.

Alex konnte seine Erfindungen gar nicht so schnell in den Computer bringen, wie sie aus seinem Gehirn sprudelten.

Max lachte, rieb sich die Hände und zählte im Geist das Geld.
Die Aktienkurse stiegen mit jedem neuen Produkt, das sie auf den Markt brachten.
Oft arbeitete er lang, hatte ein schlechtes Gewissen, wenn er nach acht nach Hause kam.
Aber Lena hatte keine Probleme damit. Sie war keine Frau, die bespaßt werden musste, was sie ihm auch immer wieder klar machte.

Sie waren beide freie, erwachsene Menschen, die einen Job zu tun hatten.
Mit der Zeit verstand er glücklich. Er konnte aber auch immer wieder ein paar Tage frei machen, wenn sie wenige oder nicht so wichtige Veranstaltungen hatte.

Dann feierten sie das Leben und die Liebe, machten Ausflüge, gingen ins Theater oder ins Kino, hin und wieder auch einmal zum Tanzen in einen Club. Immer folgte ihnen die Blicke, sie waren so ein auffallend schönes Paar.

Es sprach sich herum, dass Dr. Borchert in festen Händen war, und die eine oder andere Dame sah Lena nicht sehr freundlich an.
Das finanzielle Problem, das sie ganz am Anfang gehabt hatte, spielte sich ein. Er durfte ihr Kleidung für die verschiedenen Anlässe kaufen, sie besorgte die Lebensmittel, er zahlte, wenn sie ausgingen.

Das Problem der schwangeren Evi dagegen verdrängten sie beide.


StarkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt