Kapitel 27

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Nach dem Essen musste er dann etwas arbeiten. Verflixt, sie hätten mit zwei Autos fahren sollen!
„Ich fahre mit dem Bus nach Hause!" erklärte sie bestimmt.
„Ja! Ja! Klar! Mit dem Bus! Dann lachst du dir wieder einen Mann an! Nichts da!" Er drückte eine Taste an seinem Schreibtisch. „Birgit? Rufen Sie doch mal bitte den Fahrer an, ob er frei ist, Lena nach Hause zu bringen!"
„Ja, gerne Chef! Eine Minute!" kam als Antwort.
„Na also! Geht ja!" freute er sich.

Kurz darauf meldete sich die frischgebackene Assistentin der Geschäftsleitung.
„Karl wartet am Haupteingang. Und, Dr. Borchert? Sie denken an das Meeting um 15.00? Anzug erwünscht!"
„Danke, Birgit!" antwortete er gut gelaunt.

Lachend brachte er Lena zur firmeneigenen Limousine. Der Fahrer, der doch tatsächlich eine Uniform und eine Schirmmütze trug, sprang heraus und öffnete Lena die Türe im Fond.
Während des langen Abschiedskusses sah er dezent in die andere Richtung.
Sie ließ sich in die Polster des Wagens sinken.
Willkommen in der Welt des Dr. Alexander Borchert! dachte sie.

Karl sah in den Rückspiegel. Ein hübscher Käfer! dachte er.
„Sie gehören zu unserem Superstar?" nahm er sich heraus zu fragen.
Lena lächelte. „Ja, sieht so aus, als gehörte ich zu Ihrem Superstar! Bis gestern gehörte ich zu einem wundervollen Mann namens Alex, aber ab heute muss ich wohl umdenken!"

„Das brauchen Sie nicht! Glauben Sie mir!" antwortete der Fahrer.

Noch ziemlich geflasht betrat Lena die fremde Wohnung.
Ob das hier je ein Zuhause für sie werden würde?
Natürlich sagte es sich leicht, dass sie immer daheim wäre, wo Alex war!
Aber das alles hier war eigentlich eine Nummer zu groß für eine Jura-Studentin!
Hatte sie einen Fehler gemacht, ihre eigene Wohnung so schnell aufzugeben?
Sie hatte die zwei Jahre mitten in der Stadt sehr genossen!
Wenn das mit Alex jetzt doch nicht klappte?
Wenn er und sein Leben auch eine Nummer zu groß für sie waren?

Es war etwas anderes, mit einem gutaussehenden Mann, der sie auf Händen trug, ein paar Wochen Urlaub zu machen, als die Lebensgefährtin von Dr. Alexander Borchert zu sein.

Dann erinnerte sie sich an die Worte des Chauffeurs: „Das brauchen Sie nicht!"
Sie brauchte nicht umdenken, hatte er gemeint! Er wäre der Gleiche - bei ihr und im Job!

Als hätte er ihre Gedanken gefühlt, rief Alex in diesem Moment an.

Er hatte sich gleich an seinen Schreibtisch gesetzt, aber er fühlte sich ein wenig verlassen, ein wenig halb! Mehr als acht Wochen lang war sie jede Minute des Tages und der Nacht bei ihm gewesen.
Lena! Seine Lena! Seine Lebensgefährtin! Es hatte sich gut angefühlt, sie so zu nennen!
Die Gefährtin seines Lebens!

Obwohl sie eigentlich seine Frau war! Irgendwann einmal würde er sie so vorstellen: Meine Frau, Lena Borchert!
Hoffentlich hatte er sie heute nicht überfordert!
Hoffentlich hatte sie ihn nicht für einen Angeber gehalten!
Hoffentlich kam sie damit zurecht, dass er sehr erfolgreich war!

Aber es war eben so!
Sie musste ja auch diese Seite seines Lebens kennenlernen!
Ob sie damit leben konnte, dass er mehr war als der über beide Ohren verliebte Kerl?
Jetzt saß sie auch noch in der fremden Wohnung, alleine!

Hatte er sie zu schnell aus ihrem gewohnten Umfeld gerissen?
Zu unvorbereitet in seine Welt katapultiert?
Aber er wollte nicht mehr ohne sie einschlafen oder aufwachen!
Er wollte auch nicht, dass sie sich beide wie ein Gast in der Wohnung des anderen fühlten!
Er wollte mit ihr zusammen leben!
Immer nur du! hörte er die warnende Stimme in seinem Kopf, die lange geschwiegen hatte. Es geht immer nur um dich! Aber auch sie zählt! Sie hatte ein Leben vor dir! Vielleicht war dieses Leben, das sie sich aufgebaut hatte, wichtig für sie?

StarkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt