Lena
Als die tröstenden Gäste gegangen waren, überfiel Lena Panik. Wie sollte sie mit Alex umgehen?
Der lebensfrohe, selbstbewusste Mann war gebrochen!
Er war ihr aus dem Weg gegangen, hatte sie weggeschubst.Er hatte geweint, dass ihr Herz geblutet hatte.
Er hatte nicht einmal Alessia eines Blickes gewürdigt, hatte nicht nach ihr gefragt.
Er hatte sich in sich und seinen Schmerz vergraben.
Der Schmerz, den sie selbst wegen seines Leidens fühlte, nahm ihr fast den Atem.Sie öffnete vorsichtig die Schlafzimmertüre.
Die Nachtischlampe brannte, als hätte er Angst vor der Dunkelheit.
Sein Haar war zerzaust, schweißnass.Er atmete hektisch, als hätte er einen Albtraum.
Sie zog sich im Bad aus, legte sich neben ihn.
Sie fasste nach seiner Hand, um ihn zu beruhigen, doch er zog sie weg.
„Nein, Lena! Nicht!" flüsterte er. „So viel Schmutz! Fass mich bitte nicht an!"
Sie merkte, dass er wach war, dass die Tränen schon wieder über seine Wangen liefen.
„Ist in Ordnung, Alex! Ich lasse dir Zeit! Ich verstehe dich, weil ich dich liebe!" flüsterte sie.
„Danke!" stieß er nur hervor.
Sie rutschte ein Stück von ihm weg, damit er sich nicht bedrängt fühlte.
„Morgen fährst du mit Bill nach Kroatien! Er kann dir helfen, zu vergessen! Nimm dir so viel Zeit wie du brauchst! Wir sind hier! Wir warten auf dich!"Er öffnete die Augen ganz, die rot und geschwollen von den unzähligen Tränen waren. „Ja! Das ist gut! Ich danke euch!" sagte er heiser. Danach konnte er weiterschlafen.
Ein wenig Vergessen finden.Lena war froh, dass er Bills Angebot annahm. Dass er sich nicht sperrte, dass er nicht den starken Mann markierte.
Und sie war froh, dass Bill in ihrer Familie war.Alex
Als Alex aufwachte, fühlte er sich ein wenig besser. Die Dunkelheit in seinem Kopf war etwas heller geworden. Er erinnerte sich an das kurze Gespräch mit Lena, war ihr zutiefst dankbar für ihr Verständnis.
Sie war nicht gekränkt, dass er sie so abgewiesen hatte, sie verstand ihn!
Denn sie war die Beste!
Sie wusste, dass sein Zustand nicht das Geringste mit Gefühlen für sie zu tun hatte.
Dass im Gegenteil sein Rückzug wichtig war, damit er in etwa wieder der Alte wurde – für sie und seine Tochter!Im Moment ertrug er nichts, was mit Glück zu tun hatte.
Im Moment blutete sein Herz unsäglich, und er war Lena sehr dankbar, dass er vor ihr nicht den taffen Kerl spielen musste, dass er so schwach, so hilflos sein durfte, wie er sich fühlte.
Nie im Leben hatte er für möglich gehalten, dass er innerhalb weniger Tage so zerbrechen konnte!Aber erst die Anschuldigungen, dann diese Bilder!
Er stieg aus dem Bett, fühlte sich, als wäre er Jahrzehnte gealtert.
Lena war schon auf, hatte Alessia versorgt.
Er war dazu nicht fähig, wusste im Augenblick nicht einmal, ob er seiner Tochter je wieder vollkommen frei gegenübertreten konnte – nach all dem Dreck, den man ihm angedichtet hatte.Seine Süße hatte auch schon seinen Koffer gepackt. Ob sie je verstehen würde, was all diese verständnisvollen Gesten für ihn bedeuteten?
Er hoffte es von ganzem Herzen.Als er in der Türe stand, Bill wartete unten auf ihn, sagte er leise. „Du weißt, dass ich dich liebe wie du mich liebst, nicht wahr, Lena?"
Sie versuchte zu lächeln, ließ es aber schnell sein. „Ja! Natürlich!" sagte sie.
Er gierte nach einem Kuss von ihr, wollte nichts lieber, als sie in den Arm zu nehmen, wusste aber, dass er es nicht konnte.
Nicht durfte!Er musste heilen!
Irgendwie wieder sauber, rein werden! Da oben in seinem Kopf!
Erst dann durfte er sie wieder berühren.
„Mach es gut, Liebe meines Lebens!" flüsterte er und ging.

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Stark
RomanceStark musste Lena ihr ganzes Leben lang sein. Als ungewolltes Kind wuchs sie bei einer bigotten Mutter und ebensolchen Großeltern auf. Doch das hat sie ihren Lebensmut nicht verlieren lassen. Stark musste auch Alex sein, als sein Vater tödlich verun...