Stark

Kapitel 89

Ein paar Wochen vor Alessias viertem Geburtstag las Bill einen Artikel über Notfallanhänger - hübsche Schmuckstücke, auf denen Blutgruppe, Rhesusfaktor, Wohnort, Telefonnummer, Name des Arztes und eines Ansprechpartners eingraviert wurden. So einen wollte er für seine innig geliebte Nichte besorgen. Am besten auch welche für Alex und Lena und den Rest der Familie. Man konnte ja nie wissen!

Olivia fand seine Idee supergut, wie sie den ganzen Englishboy supergut fand, und versprach, die Blutgruppen von Alex, Lena und Alessia und allen anderen in Erfahrung zu bringen.
Als sie ihm ein paar Tage später stolz die Liste präsentierte, überflog er kurz die Einträge und musste lächeln.

Gut! Sein Traummädchen war Juristin, keine Medizinerin. Das würde er wohl selbst in die Hände nehmen müssen.
Am nächsten Tag fuhr er nach den Vorlesungen zu Sabine, bat sie um die Unterlagen von Alex.
„Aber die habe ich doch Olivia schon gezeigt!" wunderte sich seine Schwiegermutter in spe.
Bill lachte. „Sure! Yep! Aber da kann etwas nicht stimmen, was die Süße aufgeschrieben hat!" erklärte er.

Er las aufmerksam den Mutterpass, das Impfbuch seines Schwagers - und sein Herz zog sich zusammen.
Das konnte doch nicht sein!
Das war unmöglich!
Die Daten Alessias und Evis hatte er nach der Geburt in seinem Mediziner-Gehirn abgespeichert.

Der Schweiß troff ihm aus allen Poren, er war vollkommen geplättet.
Sabine und Roman ließen ihn nicht aus den Augen.
„Ich muss los!" stammelte Bill. Er musste das Ganze mit Olivia besprechen.
In der gemeinsamen Wohnung ließ er sich vollkommen erledigt aufs Sofa fallen, wischte sich immer wieder über sein Gesicht.

Livy kam angetanzt, setzte sich auf seinen Schoß- schön, dass er schon zu Hause war – ihr war heute so schmusig zumute.
Doch schnell spürte sie, dass etwas ihren Loverboy sehr beunruhigte.
„Was ist los?" fragte sie ernst.

Er schüttelte den Kopf, als ob das helfen würde, das, was offensichtlich war, zu vertreiben.
Nachdem er tief eingeatmet hatte, stieß er hervor: „Alex kann nicht Alessias Vater sein! Er hat Blutgruppe 0, Evi AB und Alessia AB! Das geht nicht!"
Olivia sah ihn verständnislos an. „Wie? Das geht nicht?"
Bill sprang hoch. „Wenn der Vater Blutgruppe 0 hat und die Mutter AB, was sicher ist, kann das Kind nicht AB haben! Da geht nur A oder B!"
Er tigerte durchs Wohnzimmer.
Seine Süße sah ihn noch immer nicht sehr überzeugt an, ahnte aber, dass er wohl mehr davon verstand als sie.

Sie fiel auf Sofa. „Das gibt ihm den Rest! All die Jahre hat er geglaubt, dass Alessia seine Tochter ist!" Sie schüttelte den Kopf. Evi! Dieses Mistvieh war noch boshafter als sie je für möglich gehalten hatte! „Das können wir ihm nicht sagen!"
Bill nahm sie in die Arme. „Wir müssen, Olivja! Es kann einen medizinischen Notfall geben! Wir sollten den richtigen Vater finden!"
„Puh!" stöhnte sie. „Und wie können wir das hinkriegen ?"
„Ich werde mit Evi sprechen!" erklärte er.

Ohne lange nachzudenken, ohne sich telefonisch anzumelden, machte er sich auf den Weg zu der verhassten Frau. Als sie öffnete, schob er sich unhöflich an ihr vorbei, warf die Türe zu. Er, der stets beherrschte zukünftige Arzt, war auf hundert.
„Wer ist Alessias Vater?" fuhr er die verunsicherte Frau an. Sie hatte sich gefreut, Bill zu sehen, aber der schien nicht aus Gründen der Freundschaft gekommen zu sein.
„Wie? Was?" stammelte sie. „Alex natürlich!"
„Pf!" stieß der Engländer hervor. „Das kann nicht sein! Seine Blutgruppe passt überhaupt nicht zu Alessias!"

Evi verstand nur Bahnhof. Was wollte Bill denn da andeuten? Oder mehr als andeuten? Behauptete er tatsächlich, sie hätte Alex voll bewusst ein Kuckuckskind untergeschoben?
Auf die Idee wäre nicht einmal sie gekommen!
Aber wenn der Junge Recht hatte, würde ihre Einnahmequelle sehr schnell versiegen!
Zu keinem klaren Gedanken fähig, ließ sie sich auf das Sofa fallen.
Bill ahnte, dass Evi wohl nicht bewusst alle über die Vaterschaft belogen hatte, dass sie selbst daran geglaubt hatte. So schauspielern konnte nicht einmal sie.
Sein Zorn legte sich etwas. „Also denk nach! Mit wem warst du zu der fraglichen Zeit in der Falle? Ungeschützt!"