Kapitel 55

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Kroatien 4

Roman packte sofort seinen Koffer. Er telefonierte mit dem einzigen Mitarbeiter, den er noch hatte. Die zehn anderen hatten eine eigene Kanzlei gegründet, die jetzt seine ehemaligen Mandanten betreute. Das hatte Genevieve eingefädelt.

Aber er trauerte den alten Zeiten nicht nach. Er hatte genug Geld verdient, dass er es langsam angehen konnte. Da seine Frau sehr vermögend war, hatte er nicht teilen müssen bei der Scheidung.
Er besprach mit Dr. Gmeiner, einem aufstrebenden jungen Anwalt, anstehende Termine und meldete sich für eine Woche ab.

Am nächsten Morgen fuhr er früh los und hatte das Gefühl, dass am Ende seiner Reise ein neues Leben auf ihn warten würde.

Er fand das Häuschen leicht, sprang aus dem Wagen und nahm seine Tochter, die ihm entgegenlief, in die Arme.
Alex beobachtete die Szene mit Alessia auf dem Arm.

„Das ist der Opa!" erklärte er ihr.
„OOOOO!" juchzte sie und riss ihm die billige Sonnenbrille von der Nase, die in weitem Bogen wegflog.
„Nummer fünf!" meinte Alex nur gelassen. Morgen würden sie wieder ein paar neue kaufen müssen.

Es wurden wunderbare Tage zu viert. Sie fuhren mit Roman ins Städtchen. Mirko hatte über den Winter ein einfaches Gästezimmer mit Bad eingebaut, freute sich über seinen ersten Gast.
Sie saßen auf der Terrasse bei einem wunderbaren Menü, tranken Rotwein, Alex und Roman rauchten eine Zigarette, Alessia unterhielt alle Gäste, wurde von Arm zu Arm gereicht.

Lena beobachtete alles und war nur glücklich.
Dann saß die Kleine auf Romans Schoß, und er fühlte, dass er dieses kleine Mädchen liebte, wie er seine Tochter damals hätte lieben sollen.
„Du machst dich gut als Opa!" zog Lena ihn auf.
„So gut wie als Vater schlecht!" gab er zurück.

Sie drückte seine Hand, fühlte etwas wie Liebe in sich.
„Danke!" sagte er nur.
Alex sah die beiden an. „Im Verzeihen ist sie gut!" wiederholte er seine Worte vom Vortag.
„Jeder verdient eine zweite Chance!" meinte Lena leise. „Aber nur eine!"
Und beide Männer verstanden die Warnung in ihren Worten.
Und beide wussten genau, dass sie keine dritte Chance brauchen würden.

Sie trafen sich täglich zum Frühstück am Hafen, wurden sich immer vertrauter, erkannten viele Gemeinsamkeiten, sprachen viel über die Zukunft. Am zweiten Tag ließen sie Alessia bei Roman, Windeln und ein Gläschen konnte er kaufen.
Er wollte Zeit mit der Kleinen verbringen.

Ein stolzer Großvater schob den Kinderwagen durch die Gassen, kaufte Spielzeug und Kleidungssachen, plauderte mit Menschen, die er noch nie in seinem Leben gesehen hatte, erkannte sich selbst nicht wieder.
Eine tiefe Ruhe zog in ihm ein. Er war glücklich.

Er saß auf einer Bank am Hafen, erzählte der Kleinen auf seinem Schoß seine Lebensgeschichte.
Seltsamer Weise hielt sie sich dabei ganz still. Seine Brille und seine Haare schienen sie nicht zu interessieren, sie lauschte gebannt seiner Stimme, als würde sie jedes Wort verstehen, ließ ihn nicht aus den Augen.

„So! Jetzt habe ich dir alle Schandtaten gestanden!" erklärte er, als er am Ende seiner Lebensbeichte angekommen war. „Aber das bleibt unter uns. Hast du verstanden?" Er küsste sie ab, was sie sich gerne gefallen ließ.

Er kaufte sich ein paar Sandwiches, ein paar Gläschen und Windeln für Alessia. In Mirkos Küche durfte er den Brei wärmen. Dann ging er mit der Kleinen auf sein Zimmer, fütterte und wickelte sie, legte sie auf sein Bett, baute zur Sicherheit Kissen um sie herum.
Er setzte sich auf den Sessel und aß seinen Imbiss.

Wie sein Leben wohl verlaufen wäre, wenn er bei Maria geblieben wäre? dachte er, während er das schlafende Baby ansah.
Aber das hätte nicht geklappt!
Sie war ein seltsames Mädchen gewesen. Zwar sehr hübsch, aber irgendwie nicht von dieser Welt. Durch ihre bigotten Eltern geprägt, hatte sie ein wenig viel von Gott und Jesus gefaselt.

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