Kapitel 37

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Alex glaubte nicht, was er hörte.
„Lena! Bitte! Schau doch, was sie aus uns gemacht hat! Ich kann nicht mehr! Ich will nicht mehr!" Er war genauso laut wie sie.

Und dann schrien sie sich eine ganze Weile an. Ein Wort gab das andere. Sie machten sich Vorwürfen, teilten Schuldzuweisungen aus, verletzten sich.
Er sie mehr als sie ihn.
„Schau dich doch mal an, was aus dir geworden ist!" Schon als er diese Worte sagte, begriff er, wie absolut gemein sie waren. Aber er konnte sie nicht mehr zurücknehmen.
Die Blicke aus ihren Augen machten ihn atemlos vor Schmerz.

Doch er konnte nicht zurück.
Der Teufel ritt ihn voll und ganz.
„Wenn du nicht mitkommst, fahre ich alleine! Ich muss hier raus!" Er redete sich immer weiter ins Verderben, er wusste es, er fühlte es, aber er konnte nicht anders!

Er war genau das Arschloch, als das sie ihn in diesem Augenblick sah, aber trotzdem konnte er nicht aufhören.
Er war blind und taub vor Wut. Auf Evi, auf dieses Kind, auf Bill und Olivia, die jedes Mal eine andere Ausrede hatten, wenn er sie um Hilfe gebeten hatte, und auch auf seine Mutter, die sie beide genauso hängen ließ.

„Dann fahr!" sagte Lena nur, und ihre Stimme hatte jede Kraft, jeden Klang verloren.

„Das tu ich auch!" Er raste ins Schlafzimmer, warf irgendwelche Klamotten in eine Reisetasche und verließ die Wohnung.

Als er weg war, wachte Lena langsam aus ihrer Trance auf.
Er war gefahren!
Er war abgehauen!
Er war tatsächlich weg!

Sie zog ihren Verlobungsring vom Finger und knallte ihn in die Ecke.
Dann begann sie zu weinen. Tränen flossen in Strömen, während sie ihn mit allen Flüchen bedachte, die sie kannte. Als sie am Ende war, fing sie wieder von vorne an.

Als sie keine Tränen mehr hatte, regten sich ihr Trotz und ihr Stolz.
Gut, Herr Dr. Alexander Borchert, Großmaul, Drecksack, Saukerl!

Olivia und Bill

„Nein, Livy! Das müssen die beiden alleine schaffen! Wir haben genug getan!" Bill tigerte durch das Zimmer.
Sie hatten ihren ersten Streit. Und alles nur wegen dieses fremden Kindes, wegen dieser fürchterlichen Frau.
„Lena sieht schrecklich aus! Sie kommt kaum noch an die Uni! Sie schafft das nicht!" hielt sie dagegen.

„Dann soll der Herr Vater sich endlich mal zurücknehmen und sich um die Frau sorgen, die er heiraten will!"
Bill hatte keine Kraft mehr.
Sein Studium war anstrengend genug.
Er hatte auch nur ein Leben.
Er konnte sich nicht noch um Alex und Lena kümmern.
Er war ganz sicher, dass die beiden das ohne Einmischung von außen auf die Reihe kriegen mussten.

Oder eben kapitulieren, nach einer anderen Lösung suchen mussten.
Das hatte er auch Sabine klar zu machen versucht, die sich, wenn auch schweren Herzens, ebenso zurückhielt.
„Sie müssen das als Paar schaffen! Oder das Kind zur Adoption oder in eine Pflegefamilie geben! Und ich bin ziemlich sicher, dass sie es hinkriegen!" hatte er argumentiert.

Doch heute machte ihm Olivia wieder einmal die Hölle heiß, weil Lena so traurig ausgesehen hatte, kaum noch mit ihr sprach.
Sie hatte das verdammte Gefühl, ihre Freundin zu verraten und ihren fantastischen Bruder noch mehr.
Aber dieses Mal war Bill nicht bereit nachzugeben.

Allerdings wusste er nicht, wie sich die Lage im Hause Borchert / Kormann zugespitzt hatte.

Lena

Lena war kraftlos, sie hatte das Gefühl, jeden Moment umzukippen. Er war weg!
Was ist aus all den Versprechungen, den Liebeserklärungen, den Zärtlichkeiten geworden?
Er hatte sie fürs Bett gewollt! Und jetzt taugte sie gerade nicht dazu, schon haute er ab!

StarkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt