Kroatien 3
Die erste Woche verlebten sie im absoluten Glückszustand. Sie hatten ein Sonnensegel besorgt und zwei Campingtische und Stühle.
So konnten sie an ihren Laptops am Strand arbeiten, Alessia war vor der allerdings noch nicht sehr starken Sonne geschützt.Abwechselnd beschäftigten sie sich mit der Kleinen, die alles sehr zu genießen schien. Sie fing auf einer Decke an zu krabbeln, durfte zum ersten Mal auf den starken Armen ihres Vaters Bekanntschaft mit dem Salzwasser machen, was ihr seltsamer Weise außerordentlich gefiel.
Alex machte seine Sprachübungen, schwamm viel, um seinen Körper wieder zu kräftigen. In der milden Meeresluft heilten seine Stimmbänder schnell, der Sport stählte seine Muskeln.
Sie gingen meistens zu Mirko zum Essen, dessen Frau sich immer mehr in die Kleine verliebte und ihren Mann oft mit glänzenden Augen ansah.Einmal grillten sie einen Fisch, den Slavko vorbeigebracht hatte. Er gelang einigermaßen, wenn man Fisch mochte, der außen etwas schwarz und innen etwas roh war.
Die Möwen freuten sich darüber, Mirko über seine Gäste, die wieder auf seltsame Weise sein Lokal füllten.
Es war ein Phänomen.Alex telefonierte täglich mit der Firma, gab Anweisungen und Verbesserungsvorschläge durch, nahm per Videokonferenz an Meetings und Vorstandssitzungen teil.
Dirk war allen Aufgaben, die er als Vertreter übertragen bekommen hatte, vollkommen gewachsen, sein Gehalt war außerdem auf den Vorschlag von Alexerhöht worden.Die Geschäfte liefen schließlich mehr als gut, der Markt boomte, die Maschinen, die er entwickelt hatten, verkauften sich so gut, dass sie mit der Produktionkaum nachkamen.
Der Vorstand beschloss, eine weitere Fertigungshalle zu bauen, neue Mitarbeiter einzustellen.
Max war überglücklich, dass der Fast-Sohn überlebt hatte, hielt ihm in allen Dingen den Rücken frei.Der Junge sollte jetzt erst einmal sein Leben genießen, das er um ein Haar verloren hätte. „Siehst du! Die brauchen mich zu Hause gar nicht! Alles läuft bestens!" Er fühlte sich mehr als glücklich und zufrieden.
Sie hatten in Deutschland eine riesige Luxuswohnung mit allem Komfort, ein dickes Bankkonto, aber sie vermissten nichts hier in ihrem kleinen Paradies.Sie riefen auch oft die Freunde an, texteten mit Sabine, Olivia und Bill, skypten auch immer wieder.„Vermisst du deine Mutter gar nicht?" fragte Alex eines Tages.
„Man kann nicht vermissen, was man nie hatte!" antwortete sie. „Der kurze Ausbruchvon Mütterlichkeit hat sich ja mehr oder weniger zum Glück schnell gelegt!"Er streichelte ihr schönes Gesicht, sah die klitzekleine Bitterkeit in einem Winkel ihrer Augen. Diese Anwältin, die dieses wunderbare Kind geboren hatte, war ihm ein Rätsel.
Steffen hatte ihm erzählt, dass sie mit seinem Vater zusammengezogen war, dass die beiden glücklich zu sein schienen.Er hatte sich ein paarmal mit ihnen getroffen, aber sobald die Rede auf Lena kam, hatte sich das Gesicht ihrer Mutter verschlossen. Lena schien in Gedanken weit weg zu sein, Alex sah sie fragend an.
„Das Problem ist, dass ich auch in mir drin nichts fühle für sie! Ich habe gedacht, das käme mit der Zeit, aber ich bin froh, dass ich nicht zu viel Zuneigung investiert habe!" erklärte sie. „Aber was mich ein wenig überrascht, ist, dass ich viel an meinen Vater denke. Dass ich ihn irgendwie gut finde, dass wir eher auf einer Wellenlänge zu liegen scheinen. Dass ich ihn gerne näher kennenlernen würde."
Alex lächelte sie an. „Ich finde ihn auch gut! Wir sollten ihn vielleicht mal anrufen!" Am Abend, als sie hoffen konnte, dass er zu Hause wäre, wählte sie die Nummer in München.
„Hallo, Dad!" sagte sie leise, als er sich meldete.
Am anderen Telefon war es erst einmal still.
„Hallo, Lena!" antwortete er schließlich, und sie hörte, dass seine Stimme belegt war. „Darauf habe ich lange gewartet!"„Ich auch!" Ihre Stimme war nicht viel mehr als ein Flüstern. Sie räusperte den Frosch aus ihrem Hals weg. „Wir sind für ein paar Wochen in Kroatien. Alex hat hier eine Hütte gekauft, und Freunde haben sie zu einem Häuschen ausgebaut!"
Er musste lächeln. „Das klingt gut!" antwortete er. So etwas hätte er sich in jungen Jahren auch vorstellen können, für sich und seine Familie. Aber mit seiner verwöhnten Ehefrau und seinen verzogenen Söhnen wäre das unvorstellbar gewesen! Da musste es schon eine Villa auf Mallorca sein!Und dann sagte Lena, ohne lange darüber nachzudenken: „Wenn du Lust hast, kannst du ja mal vorbeikommen! Im Städtchen finden wir bestimmt ein Hotelzimmer für dich. Das ist nur 15 Minuten zu Fuß weg von uns."
Wieder war es ruhig. „Das wäre wunderbar!" presste Roman hervor, ließ seine Tränen einfach laufen.Er würde seine Tochter besuchen, bald, am besten gleich morgen! Sie würden sich finden. Nicht wiederfinden, weil sie nie die Chance gehabt hatten, sich kennenzulernen, was natürlich seine Schuld gewesen war.
Aber es war noch nicht zu spät, er wusste es, er fühlte es. Dieses großartige Mädchen war bereit, 23 Jahre zu vergessen, hatte ihm mit diesem Anruf die Hand gereicht.
„Wenn es euch recht ist, fahre ich gleich morgen los!" Er dachte nicht nach, ob er die beiden stören würde, er würde ihnen ja nicht auf der Pelle sitzen. Aber er wollte sie sehen. Seine Tochter, den jungen Mann, der sicher sein Schwiegersohn werden würde und das blonde Baby, das so etwas wie ein Enkelkind war, und das seiner Tochter so ähnlich sah, obwohl es kein einziges Gen mit ihr gemeinsam hatte.Er hatte oft an die drei gedacht in den letzten Tagen und sie seltsamerWeise mehr vermisst als seine Familie.
„Gut!" antwortete sie und gab ihm die Adresse durch.
Als sie Alex von dem Gespräch erzählte, nahm er sie in die Arme. „Im Verzeihen bist du echt gut!" flüsterte er. Damit war alles gesagt, was sie hören musste.
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Stark
RomanceStark musste Lena ihr ganzes Leben lang sein. Als ungewolltes Kind wuchs sie bei einer bigotten Mutter und ebensolchen Großeltern auf. Doch das hat sie ihren Lebensmut nicht verlieren lassen. Stark musste auch Alex sein, als sein Vater tödlich verun...