Stark

Kapitel 32

Kurz vor Weinachten fuhr Alex in die Innenstadt. Er hatte einen Termin bei einer Anwältin. Einer ganz besonderen Anwältin. Bei Maria Kormann, der Mutter seiner großen Liebe.

Die Sekretärin führte ihn in das bescheidene Büro.
Eine überraschend jugendliche, überraschend hübsche dunkelhaarige Frau begrüßte ihn.
„Herr Dr. Borchert! Was kann ich für Sie tun?" fragte sie in geschäftsmäßigem Ton, nachdem er auf dem Besucherstuhl Platz genommen hatte.
„Ich bin eigentlich privat hier!" gestand er. „Ich bin der Lebensgefährte Ihrer Tochter Lena!"

Sofort verdunkelte sich ihr Blick. „Und was wollen Sie?"

„Ich möchte Sie bitten, zu Lenas Geburtstagsparty zu kommen!" erklärte er.
„Das ist am 24. Dezember! Heilig Abend! Da muss ich in die Christmette! Es ist Jesu Geburtstag!" antwortete sie.

„Es ist Lenas Geburtstag! Der Geburtstag Ihrer Tochter, eines ganz wunderbaren, ganz wertvollen Mädchens, dessen Mutter zu sein Gott Sie auserwählt hat!" Er ließ sie nicht aus den Augen. „Glauben Sie nicht, dass er es verstehen könnte, dass Sie ein einziges Mal sie feiern?"

Marias Gesicht verschloss sich vollkommen. „Sie sollten sich nicht in familiäre Angelegenheiten einmischen!" fuhr sie den jungen Mann an.
Da brannten bei Alex die Sicherungen durch. Er sprang auf und baute sich in seiner vollen Größe vor ihr auf.

„Lena ist keine familiäre Angelegenheit!" brüllte er. „Lena ist die Liebe meines Lebens! Lena ist wunderbar, einzigartig! Sie ist so unglaublich, dass ich jeden Tag aufs Neue erstaunt bin, dass sie ausgerechnet mich liebt! Und seit ich ihre Geschichte kenne, bin ich noch mehr erstaunt, dass sie so lieben kann, wie sie mich und die Menschen liebt!"

Er warf eine Visitenkarte mit seiner Adresse und einen 500-Euro-Schein auf den Tisch.
„Für Ihre Zeit! Und vielleicht überlegen Sie es sich noch! Aber nur, wenn Sie mein Mädchen nicht unglücklich machen an seinem Ehrentag! An ihrem Geburtstag, an dem ich sie in den Himmel feiern werde! Und Ihr Gott wird mir auf die Schulter klopfen und sagen: Gut gemacht! Das hat sie schon lange verdient!"
Damit stürmte er hinaus. Verdammte Bitch! Verdammtes bigottes Weib! schrie es in ihm.

Und mit so einer Frau als Mutter hatte seine Lena aufwachsen müssen! Dazu noch die Großeltern, die sie als Bastard und Strafe Gottes angesehen hatten, und die ihr das auch sicher ins Gesicht gesagt hatten!
Er war auf hundert, nein, auf tausend! Er platzte schier vor Wut!
Nur ganz langsam beruhigte er sich.

Und dann verstand er noch besser als je zuvor, warum sie bereit war, sich um seine Tochter zu kümmern!
Und er verstand auch, warum er sie so wahnsinnig liebte!
Sie war trotz ihrer Mutter, trotz ihrer Großeltern, trotz ihres Vaters ein positiv denkender, empathischer, offener Mensch geworden!

Sie war trotz des Umfeldes, in dem sie aufgewachsen war, zu Lena geworden!
Zu einer strahlend schönen, strahlenden, bezaubernden Frau!
Zu einer positiv denkenden Frau!
Zu einer alles hinter sich lassenden, nur vorwärts schauenden Frau!

Zu Lena!
Zu Lena, die er liebte, wie er sich nie hatte vorstellen können zu lieben!
Zu Lena, die ihn so liebte, wie er sich nie hatte vorstellen können, geliebt zu werden!
Zu Lena, die ihn glücklicher machte, als er je gewesen war!
Zu Lena, die er glücklich machen musste für den Rest seines Lebens!

Zu Lena, die seine Frau werden musste!

Sie hatte die Wohnung adventlich geschmückt, etwas, das er bisher immer als zu kitschig abgelehnt hatte. Doch wenn er jetzt nach Hause kam, duftete es nach Tannengrün, Kerzen, Wärme und Liebe!

Ja - auch Liebe hatte einen Duft! Ihren! Nach Mandeln, Honig und ihrem Parfüm.
Schon von weitem sah er immer schon die Lichterketten, die sie an den Fenstern und am Balkon angebracht hatte, und bei diesem Anblick wusste er jeden Tag: Da oben, im dritten Stock, war das Glück zu Hause, war sein Zuhause!